Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (121-10683)
von Zsigmond Simonyi
an Hugo Schuchardt
30. 05. 1918
Deutsch
Schlagwörter: Magyar Nyelvör Deutsch
Ungarisch
Französisch
Semitische Sprachen
Russisch Wundt, Wilhelm Noreen, Adolf Wiklund, Karl Bernhard Uppsala
Zitiervorschlag: Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (121-10683). Gödöllő, 30. 05. 1918. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11039, abgerufen am 23. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11039.
Gődőllő 30. Mai 1918.
Verehrter Herr Hofrat!
Ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich Ihre Karte vom 18. Febr. noch nicht beantwortet habe, und danke für die Bemerkungen zu úgy gondolom. Das csak kann allerdings auch in Beispielen wie olvastátok? úgy hallottuk fehlen. Ursprünglich war ja gewiß eine Herabminderung damit gemeint, bei uns wird aber in dieser Fügung ohne csak – abweichend vom Deutschen – bloß die Entgegensetzung (richtiger Gegenüberstellung) ausgedrückt. Man sagt: Hallottátok? Úgy olvastuk. Hogy vetted ezt a gyürüt? Úgy kaptam. Oder umgekehrt. Kitől kaptad? Úgy vettem. Auch eine zweite Abweichung vom Deutschen ist bemerkenswert: in solchen Sätzen ohne csak ist das úgy betont.
Unlängst habe ich Ihnen, Herr Hofrat, geschrieben, unser tud ‚wissen‘ sei auch für ‚können‘ sehr gebräuchlich. Nun habe ich gefunden, daß dies |2| im Osmanischen noch gewöhnlicher ist. Man sagt z. B. gelebilirim, wörtlich ‚ich weiß zu kommen‘ (bilirim ‚ich weiß‘) für ‚ich kann kommen‘. (Übrigens auch im Ung.: ha el tudok jönni, eljövök für ha eljöhetek. Tudok bezeichnet eine größere Schwierigkeit, die zu überwinden ist, als hatok.) Ich weiß nicht, wie weit dieser Gebrauch im Französischen geht: il l’a fait, on ne saurait mieux‚ man könnte es gar nicht besser machen‘? –
Ich bitte, kennen Herr Hofrat eine befriedigende Definition für gramm. Subjekt und Prädikat?! Bei uns plädiert Kicska seit lange (und auch im nächsten Septemberheft des Nyr) für die Abschaffung dieser Begriffe. (Ähnlich Wundt.) Im verbalen Satz könnte man freilich sagen: der Handelnde (= der Nominativ) und die Handlung ( = das Zeitwort, freilich bloß im aktiven Satz). Wie aber im nominalen Satz? juventus veatus, fiatalság bolondság (so im Semitischen und im Russischen, ohne Kopula). Noreen* sagt einfach Hauptausdruck und Nebenausdruck. Umgekehrt hat bei uns Brassai
*in Vår Språk.
|3|gelehrt, das Verbum sei der Hauptausdruck und das Subjekt eine Bestimmung dazu, wie jede andere: „Der Satz besteht aus einem Verbum [a rózsa kép = a rózsa kép van] und dazu gehörenden Bestimmungen.“
Sehr ansprechend sind die deutschen Bezeichnungen Satzgegenstand – Satzaussage.
Für die Schule, besonders für den Elementarunterricht wäre es sehr erwünscht Ausdrücke und Begriffe wie Subjekt und Prädikat loszuwerden. –
Herr Hofrat befinden sich hoffentlich recht wohl, jedenfalls wünsche ich Ihnen für den Sommer ein andauernd heiteres Wetter.
Wir haben das Semester geschlossen und ich bin mit den Meinigen seit einigen Tagen in der Sommerfrische in Gődőllő (wo für späterhin i reali erwartet werden. Von unserem Sohn wissen wir noch immer nicht, wann er von der mongolischen Grenze zurückkehren wird. Seit Dezember haben wir die einzige mittelbare Nachricht von ihm, daß er am 12. Februar an Prof. Wiklund nach Upsala geschrieben hat.
|4|Mit unser aller besten Grüßen empfiehlt sich Ihnen
Ihr getreuer
Simonyi.