Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (113-10677)
von Zsigmond Simonyi
an Hugo Schuchardt
13. 07. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Slawische Sprachen
Ungarisch
Finnisch-ugrische Sprachen
Mordwinisch
Deutsch
Englisch
Französisch Vossler, Karl Vossler, Karl (1905) Schuchardt, Hugo (1916)
Zitiervorschlag: Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (113-10677). Gödöllő, 13. 07. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11030, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11030.
Gödöllo 13. Juli 1917.
Verehrter Herr Hofrat!
Besten Dank für Ihre Karte! Man hat meine Erklärung von zuboly aus subbio1 angezweifelt und ich wünschte bloss zu wissen, ob die Übergangsform *subbló unzweifelhaft anzunehmen ist. Übrigens verhält sich *subló zu zuboly, wie z. B. slav.jaslo und vedrô zu ung.jászol und veder.
Das Verhältnis der verschiedenen ungar. Personalformen muss man sich m. E. so vorstellen: Die ältesten sind die subjektiven Verbalformen: „sage-ich“ u.s.w., dann die possessiven Nominalformen: „Hand-ich“ im Sinne von „meiner Hand“. Beide Paradigmen sind in allen finn.-ugr. Sprachzweigen vorhanden. Dagegen gibt es Objektivformen bloss im Madjarischen, Wogulisch- Ostjakischen und Mordwinischen, diese Paradigmen sind also (wie es ja a priori gewiss ist) |2| viel später entstanden. Da sie aber der Form nach (teilweise wenigstens) die Possessivformen nachgeahmt haben (mondom wiecontom, szereted wie kezed), hat z. B. szereted ursprünglich wohl bedeutet „[sie ist] dein Lieben, deine Geliebte“ und dann „du liebst sie“: szereted + öt.
Bei Voßler (Sprache als Schöpfung und Entwicklung 150)2 lese ich: „Wenn sich das Ital. in seinen Lauten seit 1200 viel weniger geändert hat als d. Deutsche, Engl. und Franz., so haben wir hier den sprachgeschichtl. Beleg für die Tatsache, dass die alten Italiener ein altes Kulturvolk, wir anderen aber zivilisierte Barbaren sind“. – Nun aber hat sich die Lautgestalt des Madjar. seit 1200 kaum stärker als das Ital. verändert, die Madjaren sind also ein ebenso altes Kulturvolk. Q. e. d. 3
Ich hole (nach und nach) nach, was ich von Ihren älteren Schriften nicht gelesen habe. Wenn Herr Hofrat noch über Sonderabdrücke der Nummern 163, 229, 235, 237, 260, 262, 264, 271b, 283, 284, 333, 334, 348, 373, 412 und 4154|3| verfügen und ich sie erhalten könnte, wäre ich sehr dankbar, – vorausgesetzt, dass ich Ihnen damit nicht zur Last falle!
Mit unseren ergebensten Grüssen
Ihr stets getreuer
Siegmund Simonyi
2 Karl Vossler, Sprache als Schöpfung und Entwicklung; eine theoretische Untersuchung mit praktischen Beispielen, Heidelberg: Winter, 1905.
3 „Quod erat demonstrandum“.
4 Die Nummern beziehen sich auf Schuchardt, Verzeichnis der Druckschriften von Hugo Schuchardt. Graz: Leykam,1916.