Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (104-HSZS26)

von Hugo Schuchardt

an Zsigmond Simonyi

Graz

1916-11

language Deutsch

Schlagwörter: language Ungarischlanguage Englischlanguage Elamitisch Meyer-Lübke, Wilhelm Jespersen, Otto Schuchardt, Hugo (1917) Hrozný, Friedrich (1917)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (104-HSZS26). Graz, 1916-11. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11021, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11021.


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[Ende Nov. 1916]1

L. Fr.!

Mit der heanz.2 Eigentümlichkeit haben Sie natürlich Recht; ich scheine mich in der Zerstreutheit falsch ausgedrückt zu haben. Bei den „Repetier“heanzen vermute ich etwas Ähnliches wie das madj.eszní eszem [den Aufsatz von M.-L. kenne ich] neben dem mir von G. mitgeteilten Gebrauch, der mich sofort an die römische Schluß=wiederholung erinnerte, mit der ich vor gerade 50 Jahren bekannt wurde. – Auch Jespersen beanstandet daß die zweite Hälfte meiner „Sprachwissenschaft“3 es an Ausführlichkeit fehlen lasse. Gewiß tut sie das, aber mit klarster Absicht meinerseits. Ich wollte mich einmal nicht, wie ich es oft tue und wie es schließlich unser aller Gepflogenheit ist, auf Seitenpfade verlieren, sondern mich breit auf die Hauptstraße hinstellen, zum Ausweichen zwingen oder mich selbst bequemen. Das Problem ex ungue leonem4? Kann selbst ohne bestimme Belege, ich möchte sagen mathematisch entschieden werden. Wenn ich engl.beef, veal … als romanischer Herkunft erkenne, beweist mir das etwas für die romanische Herkunft aller übrigen englischen Sprachtatsachen? Wenn ich nur jene kennte? Das mögen doch zualler- |2| nächst ins Auge fassen die sich mit dem Elamischen, Hethitischen usw. beschäftigen. Über diese Sprachen hatte ich mich in der Tat verbreiten wollen, strich dann aber alles um die grundsätzliche Erörterung nicht zu verwickeln. Jetzt ist die zweite Hälfte von Hrozny’s Hethitisch5 erschienen; ich habe sie noch nicht – sie enthält das Wesentliche – wohl auch Jos. Schmidt6 noch nicht, der das Buch besprechen wird. Wir werden sehen.

Mit herzl. Gr.

Ihr

HSchuchardt


1 Der Datumsstempel ist unvollständig und schlecht lesbar. Die Briefmarke zeigt jedoch Kaiser Karl I., der nach dem Tod von Kaiser Franz Joseph am 21.11.1916 die Staatsgeschäfte übernahm.

2 Heanzen und Panzichter heißen die Bewohner des mittleren und südlichen Burgenlandes wie der Oedenburger Gegend.

3 Gem. ist vermutlich Schuchardt, „Sprachverwandtschaft“, Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 37, 1917, 518-529. Vgl. Jespersens Postkarte an Schuchardt (10.7.1917) [ HSA 31-05126]: „Besten dank für die interessante abhandlung "Sprachverwandtschaft". Mit der ersten hälfte bin ich ganz einverstanden, in der zweiten finde ich mehreres, das ich gern näher ausgeführt und begründet sähe“.

4 „An der Klaue erkennt man den Löwen“, d. h. aus einem einzigen Worte, einer Handlung etc. den großen Mann.

5 Bedřich Hrozný, Die Sprache der Hethiter, ihr Bau und ihre Zugehörigkeit zum indogermanischen Sprachstamm, Leipzig: J.C. Hinrichs, 1917.

6 Nicht identifiziert.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. (Sig. HSZS26)