Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (97-10666)
von Zsigmond Simonyi
an Hugo Schuchardt
03. 09. 1916
Deutsch
Schlagwörter: Esperanto Ungarisch Miklosich, Franz von Graz Arany, János ([o. J.])
Zitiervorschlag: Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (97-10666). Murau, 03. 09. 1916. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.11014, abgerufen am 10. 11. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.11014.
Murau, 3. Sept. 1916.
Verehrter Herr Hofrat!
Besten Dank für Ihre gütige Aufmerksamkeit! Wir haben hier seit vier Wochen sehr viel Aufregungen gehabt. Einer Verwandten, die bis heute hier mit uns war, ist der Mann bei Görz gefallen. Dazu in den letzten Tagen der schlechte Einfall der Rumänen, in Siebenbürgen einzufallen. –
Unter so bewandten Umständen wollte ich Ihnen, Herr Hofrat, nicht schreiben, da ich nichts interessantes (=nahegehendes?) und kurzweiliges (=amusantes) mitteilen könnte. – Bei diesen Sprachreinigungseinfällen kommt mir der Einwand eines Esperantisten |2| in den Sinn: die „internationalen“ („zwischenvölklichen“) Ausdrücke sollte man beibehalten, ja sogar vermehren, da uns so das gegenseitige Verständnis unserer Literaturen immer leichter würde. Auf der grossen Masse solcher Ausdrücke ist ja auch das Esperanto gegründet. Miklosich sagt irgendwo in der Syntax, „ein gewisser Neoeuropäismus“ gehe durch die europ. Sprachen, und gewiss erleichtert das viele „Slavodeutsche“ und die Menge der Germanismen im Schwedischen und Ungarischen das Verständnis dieser Sprachen für den deutschen Leser. –
Bei O. E. Hartleben1 habe ich eben jetzt einen guten Ausdruck gelesen: „die Knechtschaffenheit des menschlichen Geistes“. Ebenso hat J. Arany2 in seiner Aristophanes- |3| übersetzung nach dem einzigen Vorbild von marcona das Wort gebildet: „harcona férfiak“: kriegstüchtige Männer. Bitte, gibt es irgendwo eine wissenschaftliche Behandlung des Wortspiels? – Ich bin im Gespräch immer zu Wortspielen bereit und bin viel dafür gescholten worden. Nur einer hat mich belobt, da er es selber liebt, unser mehrsprachiger Dichter Ludwig Dóczi. 3
Nun setze ich eine interessante Stelle her, eine Parallele zu des englischen Ministers silbernen Kugeln, die ich hier in Sigismunds v. Birken Spiegel der Ehren (1668) gefunden habe:
„Man schritte A. 1257 wieder zur Keyser-Wahl: die Chur- und Fürsten … erwehlten eins theils Richardum … K. Heinrichs III. in |4| Engelland Brudern … Richardus kama mit einem schweren beutel in Teutschland, als der das, was er mit Geld erkaufft, und mit guldnen Angeln erfischt, nämlich die Gunst der Reichsstände, auch mit Geld nehren und erhalten musste. Nachdem er aber, etwan zwey Jahre, im untern Teutschland … sich herumgetummelt, seine Goldkugeln verschossen, und nichts mehr zu verschenken hatte, musste er mit leeren Taschen wieder abziehen …“
Bei demselben Birken finde ich, wie ich schon erwähnt habe, die Schifflut, ,Flotte‘
Wir beabsichtigen bis zum 19. d. hier zu bleiben und dann für einige Tage nach Graz zu kommen.
Mit unser aller ergebensten Grüssen Ihr getreuer
S. Simonyi
1 Otto Erich Hartleben (1864-1905), deutscher Dramatiker.
2 János Arany (1817-1882), ungar. Dichter;Aristophanes összes vígjátékai, Budapest s.a.
3 Ludwig von Dóczi (1845-1918), ungar. Dichter, Journalist und Politiker.