Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (78-HSZS13)

von Hugo Schuchardt

an Zsigmond Simonyi

Graz

11. 12. 1915

language Deutsch

Schlagwörter: Magyar Nyelvör Kopenhagen München Wien Gombocz, Zoltán/Melich, János (1914) Simonyi, Zsigmond (1915)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (78-HSZS13). Graz, 11. 12. 1915. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10995, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10995.


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G. 11.12.‘15

Lieber Freund,

Ich sage Ihnen meinen verbindlichen Dank für das Übersandte.

Von dem Nyelvőr habe ich nun 1. 2. 4. 5. 6. 8. 9/10. Die letzte Nummer wie im Vorjahr doppelt – ein merkwürdiges Naturspiel; ich sende die beiden überflüssigen, nebst einer Kleinigkeit von mir, an Sie zurück.

Die vier Lieferungen des Etym. Wtbs. habe ich nicht|3| erhalten.1 Vielleicht kommen sie noch; der Postverkehr hat ja jetzt allenthalben starke Hemmungen. Ich erhielt in diesen Tagen von Kopenhagen ebenso wie von Münchenvierzehn Tage vorher aufgegebene Briefe.

Der Budapesti Szemle ist mir richtig zugekommen.

Es tut mir leid daß ich Ihnen so viel Mühe bereitet habe. Sorgen Sie sich aber um nichts weiter. À la guerre comme à la guerre!

Gern hätte ich Ihnen über Bécs-Wien Näheres geschrieben. |4| Indessen kennen Sie ja meinen Standpunkt bereits. Hier liegt mir aller Chauvinismus fern, ich habe von allem Anfang Budapest angenommen, und nichts dagegen einzuwenden, wenn Ihre Landsleute Bécs schreiben. Aber chauvinisitsch finde ich es wenn sie sich gegen „az iranyzatos Magyare ellen“ wenden, „mert a mi becsületes német nevünk egy évezred óta Ungar Unger volt“ (S. 170).2 Wir haben die seit Jahrhunderten üblichen „ehrlichen“ Namen: Welsche, Walachen, Böhmen u.a. mit Italienern, Rumänen, Tschechen u. a. vertauscht, die Namen, die die Völker sich selbst geben, auch für uns angenommen. Und es besteht ja die Notwendigkeit |5| das Ethnographische und das Geographische zu unterscheiden. Meinetwegen ungarisch und ungarländisch! Aber davon wollen Sie auch wieder nichts wissen; also es wird zugleich das wissenschaftliche und praktische Interesse und unser sprachliches Bestimmungsrecht beeinträchtigt.

Ich danke Ihnen für Ihre Festwünsche; doch wo sollen die fröhlichen Weihnachtstage bei mir herkommen. Die Zeit vor und nach der Jahreswende war mir fast von je zuwider, und nur der Anteil an der Weihnachtsfreude der Soldaten wirft etwas Glanz auf sie. Wohl aber kann der einsame Junggeselle (vorgestern starb mein lieber Freund und Nachbar, der vielleicht auch Ihnen bekannte Kriminalist Hans Groß, der sich gern mit mir über Sprachliches unerhielt) der Familie Simonyi seinen aufrichtigen Weihnachtsgruß entbieten.

Wie immer Ihr
HSch


1 Vgl. 76-HSZS-12.

2 Simonyi, „Bécs-Wien“, Magyar Nyelvőr, 167-170.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. (Sig. HSZS13)