Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (76-HSZS12)

von Hugo Schuchardt

an Zsigmond Simonyi

Graz

20. 11. 1915

language Deutsch

Schlagwörter: Magyar Nyelvörlanguage Romanische Sprachenlanguage Berberisch Szinnyei, Jozsef Stumme, Hans Schuchardt, Hugo (1912) Kreiser, Klaus (1989)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Zsigmond Simonyi (76-HSZS12). Graz, 20. 11. 1915. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10991, abgerufen am 03. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10991.


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G. 20.11.‘15

Lieber Freund und Kollege,

Kurze Zeit vor dem Eintreffen Ihres lieben Briefes erhielt ich eine Karte von Szinnyei die meine Frage beantwortete.1 Darauf schrieb ich Ihnen eine Karte, auf der ich meinen „groben“ Brief als gegenstandslos bezeichnete. Diese Karte fand ich nach zwei Tagen ganz zerdrückt in meiner Pelzjacke – es scheint bei mir die Gewohnheit sich auszubilden die Dinge in petto zu behalten.

Ich danke Ihnen vielmals für die Übersendung der auf Stummes |2| Vorlesung bezüglichen Nummer des P. Ll.2 Eine neue Tatsache habe ich daraus entnommen amadir רדעמ, in beiden Sprachen „Gartenhacke“, eine sehr schöne Entdeckung, Gabelentz würde gesagt haben: zu schön um wahr zu sein. Über agulmim und ẓalim habe auch ich mich seiner Zeit geäußert,3 etwas abweichend von Stumme. Es ist mir aufgefallen daß ihm, der eine so wunderbare Fähigkeit besitzt sich eine bestimmte Sprache anzueignen und sie darzustellen, die Sprachenvergleichung nicht besonders zu liegen oder doch ihn nicht sehr anzuziehen scheint. Vielleicht ist aber die Sache gerade sehr natürlich; einer dem beständig Gleichungen in den Sinn kommen, wird geringere Sicherheit in dem Einen fühlen. St. wäre der Mann gewesen, eine vergleichende Grammatik der berberischen Mundarten |3| zu verfassen die ja fast weiter auseinandergehen wie die romanischen Sprachen. Aber einer Andeutung zufolge, die er mir kürzlich machte, hat er sich gerade vom Berb. jetzt abgewendet. Ist er denn einzig und allein wegen des Vortrags nach Budapest gekommen? ich hatte vermutet, er sei einer von den nach Konstantinopel berufenen Professoren.4

Ich bedauere aufrichtig daß Ihre Familie in den letzten Zeiten von Krankheiten heimgesucht gewesen ist. Sollte nicht das anhaltend schlechte und dabei ánormale Wetter mit schuld daran sein? Ich habe wiederholt behauptet das viele Schießen in West und Ost hat die Wolken in gewissen Gegenden zusammengetrieben.

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Ich danke Ihnen für Ihre Teilnahme an dem Tode meiner Haushälterin. Ihre Nichte und deren Gatte, mir seit langen Jahren rühmlich bekannt, sind in meine Villa gezogen und ich bin ausgezeichnet gepflegt.

Vom M. Nyv. habe ich erhalten Heft 9-10 von 1914 doppelt (ich bemerke dieses Plus weil damit vielleicht ein Minus zusammenhängt), sodann 1915 Januar, Februar, April, endlich September. Daß außerdem mir noch ein Heft zugekommen wäre, ist mir zwar nicht wahrscheinlich, ich kann es aber nicht verschwören; es könnte sich ja verirrt haben. Eine kräftig begonnene Ordnung meiner Bücherei wird darüber Klarheit bringen.

Mit herzlichen Grüßen an Sie und die Ihrigen

Ihr

HSch.

Der Gedanke, daß Sie ein Jahr leihweise nach Deutschland gingen, ist sehr gut; ich denke, Sie werden mit Stumme darüber gesprochen haben.


1 HSA 11545.

2 Pester Lloyd.

3 Schuchardt, „Zu den berberischen Substantiven auf –im“,. Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 26, 1912, 163-170, hier 164ff.

4 Vgl. Klaus Kreiser, „Deutsche Professoren am Istanbuler Dârülfünûn (1915-1918)“, in: Einar Schuler (Hg.), XXIII. Deutscher Orientalistentag (…). Ausgewählte Vorträge, Stuttgart 1989, 211-218.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. (Sig. HSZS12)