Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (44-10636)

von Zsigmond Simonyi

an Hugo Schuchardt

Budapest

30. 11. 1911

language Deutsch

Schlagwörter: Magyar Tudományos Akadémia (Budapest) Magyar Nyelvör Heinrich, Gustav Brugmann, Karl Friedrich Christian Behaghel, Otto Budenz, Jószef (1873–1881) Schuchardt, Hugo (1912) Brugmann, Karl (1912) Behaghel, Otto (1912)

Zitiervorschlag: Zsigmond Simonyi an Hugo Schuchardt (44-10636). Budapest, 30. 11. 1911. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10959, abgerufen am 09. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10959.


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Budapest, 30.XI.1911

Verehrter Herr Kollege!

Sie haben mich mit Ihrem wertvollen und anregenden Aufsatz sehr erfreut und zu grossem Dank verpflichtet. Diese Art der Sprachvergleichung sollte ja überhaupt mehr gepflegt werden, da sie danach angetan ist überallhin helleres Licht zu verbreiten.1 Hie und da, bei interessanten Anlässen, habe ich so weit es mir möglich war auf solche „elementare“ Übereinstimmungen hingewiesen, so z. B. bei der Verneinung nach dem Komparativ (M. Kötötzók 2: 101-104), beim abl. comp. (M. Határozók 1:239-241) usw.

Unsere Abgeschlossenheit, die Sie in Ihrem so liebenswürdigen Schreiben beklagen, hat mir auch |2| immer Sorgen gemacht. Im Jahr 1892, als ich nach Budenz‘ Tode2 die Leitung des Nyelvt. Közl. übernahm, machte ich der Akademie den Vorschlag, auch Beiträge in westeuropäischen Sprachen zuzlassen. Und obwohl die Zeitschrift ja ausschliesslich für Fachleute bestimmt ist, hat man mir doch aus politischen Gründen aufs entschiedenste opponiert und meinen Vorschlag abgewiesen. Noch dazu ist bald darauf auch die Ungarische Revue eingegangen (jetzt wird sie wieder in der Redaktion G. Heinrichs erscheinen,3 dagegen wird die Zeitschrift Jung Ungarn wahrscheinlich eingehen).4

Ich werde jetzt – mich auch auf Ihre Anregung berufend – meinen Vorschlag wiederholen, vielleicht dass ich jetzt mehr Glück damit haben werde, man wird sich hoffentlich nicht mehr vor dem Gespenst der Germanisierung fürchten.

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Im Magyar Nyelvőr werde ich nun die auswärtigen Beiträge – da die Zeitschrift seit sieben Jahren von der Akademie unabhängig ist – jedenfalls auch in der Ursprache herausgeben. Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen die Korrektur in beiden Sprachen zur gef. Durchsicht einsenden. Die Übersetzung werde ich selbst besorgen.5

Von Deutschen habe ich bisher zwei Beiträge erhalten: von Brugmann („Abkürzung im sprachlichen Ausdruck, ihre Anlässe und ihre Grenzen“) und von Behaghel ( „Wortstellung und Rhythmus“). Ausserdem erwarte ich Aufsätze von Winkler,6 von Gauthiot7 und von den Fachgenossen im Norden. Die ungarländischen Beiträge sind so zahlreich, dass sie die Grenzen einer einfachen Nummer jedenfalls überschreiten und eine Doppelnummer abgeben werden.

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Ich danke nochmals von Herzen und bleibe mit den besten Grüssen der Meinigen

Ihr ergebenster

S. Simonyi


1 Diese Angabe trifft in ihrer Allgemeinheit auf zahlreiche Arbeiten Schuchardts zu, so dass der genaue Titel nicht bestimmt werden kann.

2 Josef (Jozef) Budenz (1836-1892), deutscher Finno-Ugrist, später Bibliothekar und Professor in Budapest; Magyar-ugor összehasonlító szótár; ungarisch-ugrisches vergleichendes Wörterbuch, Budapest 1873-1881.

3 Ungarische Revue, Leipzig 1869; Ungarische Revue, mit Unterstützung der Ungarischen Akademie, Budapest: Kilian, 1881-1895

4 Jung-Ungarn. Monatsschr. für Ungarns polit., geist. u. wirtschaftl. Kultur, Berlin 1911 (nur dieser Jg. nachweisbar).

5 Schuchardt, „Geschichtlich verwandt oder elementar verwandt?, Magyar Nyelvőr 41, 1912, 3-13. Simonyi hat Schuchardts Beitrag übers.: „Történeti vagy elemi rokonság?“, Magyar Nyelvőr 41, 1912, 211-213 .

6 Heinrich Winkler (1848-1930), deutscher Sprachwissenschaftler; vgl. HSA 12837-12857.

7 Robert Gauthiot (1876-1916), franz. Orientalist.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10636)