Hugo Schuchardt Archiv

4./5.89

Verehrter Herr Kollege!

Sie werden wol schon gestern unsere telegrafische Mitteilung über Ihre Wahl zum ausw. Mitgliede der Ung. Akademie erhalten haben.¹ Doch erlaube ich mir auch speciell in meinem Namen meiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass sich unsere Akademie durch diese Wahl geehrt und dadurch neben der Anerkennung für Ihr allgemein wissenschaftliches Wirken auch den Dank für Ihr uns gegenüber bewiesenes Interesse zum Ausdruck gebracht hat.

Es wird Sie vielleicht interessieren, dass zu gleicher Zeit auch Misteli² zum ausw. Mitglied unserer Akademie erwählt worden ist.

Ich habe nun eine Berichtigung zu meinem neulichen Briefe nachzutragen. Es war nämlich |2| ein ziemlich unsicheres Beispiel, was ich als Seitenstück zur eventuell spontanen Entwicklung des ung. Artikels anführte: dass das Bulgarische und Rumänische zufällig mit den nordischen Sprachen im affigierten Artikel übereinstimmt. Es ist eben gar nicht unwahrscheinlich, dass auch dieses Übereinstimmen kein Zufall ist. Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass in der ugrischen Grundsprache der affigierte Artikel allgemein gebräuchlich war (da die Reflexe davon in beiden Sprachzweigen vorhanden sind), dass ihn also auch diejenigen ugrischen Sprachen hatten,³ die sich mit den skandinavischen Sprachen berührten. Freilich weiss ich nicht, ob man überhaupt eine so starke Einwirkung finnisch-ugrischer Sprachen auf die skandinavischen annehmen kann. So viel ich weiss, ist bisher selbst im Wortschatze dieser letzteren keine Spur jenes Einflusses nachgewiesen worden.

In der Hoffnung, dass meine Zeilen Sie in bestem Wolsein antreffen,

verbleibe ich

Ihr ergebenster

S. Simonyi

Bpest 4. Mai 1889.