Friedrich Zarncke an Hugo Schuchardt (63-012993)
an Hugo Schuchardt
11. 09. 1886
Deutsch
Schlagwörter: Deutsche Literaturzeitung für Kritik der internationalen Wissenschaft Literarisches Centralblatt für Deutschland Universität Leipzig Universität Jena Klassische Philologie Universität Halle Ebert, Adolf Nöldeke, Theodor Voigt, Georg Blass, Friedrich Wilhelm Leipzig Jena Nyrop, Kristoffer (1886) Schuchardt, Hugo (1886)
Zitiervorschlag: Friedrich Zarncke an Hugo Schuchardt (63-012993). Leipzig, 11. 09. 1886. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10907, abgerufen am 03. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10907.
Leipzig d. 11 Sept. 1886.
Mein sehrverehrter Freund.
Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie so an mich geschrieben haben.1 Aber die Sache ist nicht so tragisch. Allerdings ist ja die Berlinerin2 gegründet worden, um dem Ctbl. den Garaus zu machen u. die deutsche Gelehrtenwelt der Berliner Kritik definitiv zu unterwerfen, und wenn das nicht gelungen ist, so hat es nicht am guten Willen gelegen. Daher habe ich auch wohl einmal unseren Freunden mit erhobenem Finger mahnend gedroht: aber in vollem Ernste sollten die Vorwürfe nicht genommen werden, wenigstens müßte ich mich mit besten Freunden überwerfen, wollte ich selber sie ernst nehmen. Nur wenige ganz getreue, wie Ebert, Nöldeke, Stobbe3 u. A. entziehen sich den Polypanoramen der Berlinerin, die nichts Eiligeres zu thun hatte, als in meinem bewährten u. leidlich eingeübten Mitarbeiter-Kreise herumzumantschen. Aber die Mehrzahl entspricht mit ihrem Angebot jeder Nachfrage, von wo sie kommen möge (mit einem kritischen Journal verdirbt es kein deutscher Gelehrter gern), so mein Freund G. Voigt4 hier, A. Lipsius in Jena,5Blass in Kiel,6 u. viele viele Andrere. Das ist der thatsächliche Stand u. mit ihm habe ich zu rechnen. So ist mir denn auch nicht eine Spur der Verstimmung in den Sinn gekommen, als ich Ihre Recension in der Berlinerin las.
Mit den besten Wünschen für den besten Erfolg Ihrer Sommerfrische (ich bin noch keine Stunde vom Schreibtisch fortgekommen)
in aufrichtiger Anhänglichkeit
hochachtungsvoll ergeben
Dr. Fr. Zarncke
1 Dieser Brief ist leider nicht erhalten.
2 Es handelt sich um die 1880 von dem Berliner Germanisten Max Roediger (1850-1918) gegründete Deutsche Litteraturzeitung. Wenn man den ersten Band aufschlägt, findet man auf den S. iii-iv ein beeindruckendes Mitarbeiterverzeichnis, in dem Schuchardt zunächst noch fehlt. Er veröffentlichte in der Nr. 7 zwei Rezensionen („Kristoffer Nyrop, Adjektivernes Konsbøjning i de romanske sprog. Med en indledning om lydlov og analogi“, DLZ 7, 1886, 1201-1202 bzw. „Otto Jespersen, Til spörgsmålet om lydlove; Jakob Hornemann Bredsdorff, Om Aarsagerne til Sprogenes Forandringer. Paa ny udgivet af Vilh. Thomsen“, ebd., 1557-1559). Hier figuriert er folglich auch als Mitarbeiter.
3 Otto Stobbe (1831-1887), deutscher Professor für Deutsches Recht, zuletzt in Leipzig.
4 Georg Voigt (1827-1891), Leipziger Ordinarius für Geschichte.
5 Adelbert Lipsius (1830-1892), seit 1871 Prof. für neutestamentliche Exegese und Systematische Theologie in Jena.
6 Friedrich Wilhelm Blass (1843-1907), Klass. Philologe in Halle a.S.