Hugo Schuchardt an Friedrich Zarncke (41-NL080-082)
von Hugo Schuchardt
13. 02. 1879
Deutsch
Schlagwörter: Literarisches Centralblatt für Deutschland Baskisch Hübner, Ernst Wilhelm Emil Graz Leipzig Spanien Foth, Karl (1876) Hasdeu, Bogdan Petriceicu (1879) Müllenhoff, Karl (1875)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Friedrich Zarncke (41-NL080-082). Graz, 13. 02. 1879. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10885, abgerufen am 29. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10885.
Graz 13. Febr. 1879.
Verehrtester Herr Kollege!
Neulich wurde ich von der Expedition des Lit. Centralblattes um Rücksendung der mir im Dez. 1876 zur Besprechung zugestellten Bücher ersucht. Ich habe mich dessen nicht geweigert, aber in einem, wie ich fürchte, etwas unwirschen Ton geantwortet. Die Bücher werde ich ohne weiteres jetzt durch die Vermittlung der hiesigen Universitätsbuchhandlung nach Leipzig befördern, das fehlende, Foth,1 durch ein Exemplar der Cuvente den bătrîni von Hasdeu2 ersetzen, an dem Sie Wiedervergeltung üben können.
Wegen des Tones bitte ich um Entschuldigung. Seit zwei Monaten leide ich an einer eigenthümlichen Indisposition des Magens, welche mich schämig, missmutig, erregbar stimmt. |2| Dazu kommt noch aller möglicher Anlass zum Ärger, wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Gerade zu der Zeit, als ich auf den Brief des Centralblattes antwortete, kam mir eine Antwort zu, die ich hier – des kulturhistorischen Interesses wegen – mittheile. Ich hatte E. Hübner in Berlin,3 mit dem ich nur einmal in persönlicher Berührung – aber der allerfreundlichsten – gewesen war und dem ich nicht die entfernteste Veranlassung gegeben habe, sich über mich zu beklagen, um Empfehlungen nach Spanien gebeten; mein Brief war so höflich wie möglich gewesen, leider auch etwas expansiv, ich hatte von dem Eindrucke gesprochen, den ich aus der Lektüre und aus Umgang mit Spaniern über den politischen Charakter der Nation gewonnen hatte. Am Schlusse des sehr trockenen und wenig freundlichen Antwortschreibens stehen die Worte: „Im Uebrigen glaube ich der |3|Belehrung, was über den politischen Charakter der Nation zu halten sei, nicht zu bedürfen“. – Für erregte Stimmung ein schlechtes Brausepulver, nicht wahr? Nach dem Prinzip der Erhaltung der Kraft kann es nicht Wunder nehmen, wenn ein klein wenig von der mir widerfahrenen Unhöflichkeit nach anderer Richtung von mir fortgepflanzt wurde.
Haben Sie an die Nachfahren der alten Westgothen etwas zu bestellen?4 Ich werde sehen, ob ich dem Schwertertanz nicht beikommen kann, den Müllenhoff nur aus dem Quijote citirt (obwohl er Näheres darüber hätte anführen können);5 doch glaube ich, dass es sich möglicherweise nicht um Etwas Baskisches handelt. |4| Darf ich hoffen, dass Ihre freundschaftliche Gesinnung, die doch nun einmal – wie ich aus der dankbar aufgenommenen Zusendung verschiedener Abhandlungen ersehe – meine Recensententhätigkeit überdauert hat, auch mir fernerhin erhalten bleibt? Je älter man wird, um so mehr lernt man den Werth wohlwollender Gefühle schätzen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
H. Schuchardt
1 Karl Foth, Die Verschiebung lateinischer Tempora in den romanischen Sprachen, Strassburg: Trübner, 1876 (Sep.-Abdr. a. d. Roman. Studien / hg. v. Ed. Boehmer ; Heft VIII).
2 B. Petriceicu Hasdeu, Cuvente den bătrîni, Bucureşti 1878/81.
3 Ernst Wilhelm Emil Hübner (1834-1901), Klass. Philologe; vgl. HSA 04893-04897.
4 Schuchardt brach wenige Tage nach Abfassung dieses Briefes nach Spanien auf, wo er von Februar bis Ende August 1879 blieb.
5 Karl Müllenhoff, „Zum schwerttanz“, Zeitschrift für deutsches Alterthum N.F. 6 (18), 1875, 9-13, hier 11.
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung von: Universitätsarchiv Leipzig. (Sig. NL080)