Friedrich Zarncke an Hugo Schuchardt (22-012983)
an Hugo Schuchardt
03. 04. 1875
Deutsch
Schlagwörter: Literarisches Centralblatt für Deutschland Leipzig Halle Venedig Schuchardt, Hugo (1874)
Zitiervorschlag: Friedrich Zarncke an Hugo Schuchardt (22-012983). Leipzig, 03. 04. 1875. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10866, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10866.
[ Leipzig, 3.4.1875]
Lieber Freund.
Es ist das erste Mal in meiner 25jährigen Praxis, daß die Berücksichtigung eines Programmes den Zorn und nicht den Dank eines Autors einhandelt (??).1 Ich kann Ihnen die Versicherung wiederholen, daß Ihre Arbeit auf dem Wege der ganz gewöhnlichen Maschinerien zur Versendung gelang ist. Wie meine Expedition in den Besitz eines Exemplares gelangt ist, kann auf verschiedene Weise gedacht werden. Einmal werden ja die Universitätsschriften mir zugesandt, um bibliographisch ins Cbl. Aufgenommen zu werden. In 22 Nummern finden Sie so im letzten Ihre Programme u. Dissertationen aus Halle aufgeführt. Wenn nun der H[erau]sgeber geglaubt hat, die Abhandlung eines mehrjährigen u. hochgeschätzten Mitarbeiters dürfe vielleicht eine besondere Berücksichtigung verdienen, d. h. eine Besprechung, so wäre das vielleicht entschuldbar gewesen, sicherlich vom Standpunkt des Autors aus. – Es ist aber auch möglich, daß Sie die persönliche Liebenswürdigkeit für mich gehabt haben, mir ein Exemplar unter Band zu senden. Allen solchen Einläufen, die täglich nach Zehnern zählen, werden von der Post auf meiner Expedition abgeliefert, dort ordnungsmäßig behandelt u. zu letzter Verfügung mir vorgelegt.
Weßhalb nicht das CBlatt das Ganze noch einmal besprechen könnte, ist mir unerfindlich. Ich setze das als etwas sich von selbst Verstehendes voraus u. begreife nicht, warum nicht Ebert schon binnen 8 Tagen hierzu die Hand bieten kann. Ich kann aber auch das Ganze an Suchier senden, der freilich zur Zeit in Venedig weilt, u. ihm zugleich Ihre Meriten mittheilen zu freundlicher Berücksichtigung. Bitte, entscheiden Sie, was geschehn soll.
Getreu
Ihr
Fr. Zarncke
Leipzig
d. 3.‘ April 75.
1 Der Grund für Schuchardts Unmut ist nicht evident. Leider ist sein Bezugsschreiben nicht erhalten. Aus Zarnckes Brief lässt sich schließen, dass Schuchardt Ritornell und Terzine (LCBl 26, 1875, 419) am liebsten gar nicht bzw. nicht in dieser Form besprochen gesehen hätte (vgl. seinen Brief Nl_249_049-050 (31.3.1874). Möglicherweise nahm er Anstoß an der Schlussbemerkung des nicht genannten Rezensenten, er, Schuchardt, habe nicht auf die Existenz altprovenzalischer Rispette hingewiesen: „Daß Schuchardt dieses nicht erwähnte, bedauern wir nur, weil seine umfassende Kenntniß der italienischen Volkspoesie ihm eher als jedem Anderen Gewinn versprechende Parallelen zu diesen Proben provenzalischer Volkslyrik zugeführt haben würde“.