Hans Stumme an Hugo Schuchardt (38-11394)

von Hans Stumme

an Hugo Schuchardt

Unbekannt

1921

language Deutsch

Schlagwörter: Magyar Nyelvör Deutsche morgenländische Gesellschaftlanguage Französischlanguage Englischlanguage Deutschlanguage Ungarisch Basset, René Meyer, Karl Leipzig Graz Foucauld, Charles Eugene Vicomte de Pére (1918) Basset, Henri (1920) Volz, Wilhelm (1926)

Zitiervorschlag: Hans Stumme an Hugo Schuchardt (38-11394). Unbekannt, 1921. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10823, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10823.


|1|

Lieber Herr Professor!1

Bitte sehr um Entschuldigung, daß ich auf Ihre freundliche Karte noch nicht geantwortet habe; aber ich bin erst seit ein paar Tagen aus Hohenberg a/Eger2 zurück, wo ich mich 4 Wochen aufhielt. Das Örtchen ist die Heimat meiner Wirtschafterin und ich lebe dort, bei guter Butter, Milch, Eiern etc. besser als in Leipzig. Bin einige Male über die Grenze gewandert, zum böhmischen Wein und Schnaps, aber immer mit Angst, mangels [einscannen]!

Foucauld’s Ṭuareg-Wörterbuch3 habe ich noch nicht bekommen, obwohl mir Basset vor einigen Monaten schrieb, ich solle es bekommen. Den Nyelvör habe ich bekommen bis Dezember 1920, die Ethnographia bis Juni (1-6) 1919. Von andern magyarischen Zeitschriften bekam ich sonst keine Gratishefte. Als ich 1916 meinen Vortrag in Bpest hielt, verstand ich in der Sitzung der Klasse, daß ich alle Publikationen der Akademie bekommen sollte, lākin uruüzînen wâln! 4

Vor einigen Tagen – eben war ich angekommen – besuchte mich Gragger,5 mit dem ich mich mehrere Stunden lang sehr anregend unterhielt, erst deutsch, dann ungarisch, denn ich wollte doch auch zeigen, daß ich ungarisch reden könne. Gestern begann ich übrigens mein „Ungarisch, 1stündig publice“; es waren aber bloß Kråḍ6 gekommen.

Am 7. Mai halte ich hier einen Akademievortrag (aber natürlich deutsch), über „Probleme der Berberologie“; ich will mich namentlich auch zu Henri Basset’s Essai de Littérature Berbère7 äußern.

Gestern hielt Vasmer8 seine Antrittsvorlesung über die Urheimat der Slawen, bei welcher Gelegenheit ich auch Karl H. Meyer meine Glückwünsche zu seiner Berufung nach Graz|2| sagen konnte.9 Sie werden sich freuen, ihn in Graz zu haben, denn er ist ein sehr netter Mensch. Vasmer sprach über die Urheimat der Slaven;10 es war sehr interessant, obwohl ich nicht für Urheimatsfragen schwärme. Wo soll ich meine Berbern beurheimaten? In Mesopotamien oder in den Pyrenäen?

Mir fiel neulich auf, daß Sie bei awâtru verwerfen, aratrum anzunehmen, weil Ihnen kein Wandel von r zu w bekannt sei.11 Ich denke dabei auch gar nicht an einen Wandel, sondern an „Homöophobie“, à la fraggelum > flagellum.

Daß ich die die ZDMG nicht mehr redigiere, wissen Sie ja wohl (d. h. ich redigiere noch das nächste Heft).12 Die DMG ist ja nun ganz neu organisiert, und „ZDMG“ heißt nur noch der Allgemeine Teil, während sich das eigentlich Wissenschaftliche in die „ Zeitschrift für Semitistik“ und die „ Z. für Indogermanistik“ begibt. Bin gespannt, wie sich alles weiterentwickelt.

Mit besten Grüßen verbleibe ich

Ihr ergebener

Hans Stumme.


1 Der Brief geht inhaltlich dem leider auch nicht datierten Brief HSA 11193 voraus.

2 Hohenberg an der Eger ist eine Stadt im Osten des oberfränkischen Landkreises Wunsiedel im Fichtelgebirge

3 Charles de Foucauld (Publ. par René Basset), Dictionnaire abrégé touareg-français (dialecte ahaggar), Alger: Carbonel, [1918].

4 Sprache nicht identifiziert!

5 Josef Gragger, Lehrer an der Steiermärkischen Landesoberrealschule Graz (Französisch und Englisch); vgl. HSA 03921

6 Nicht identifiziert.

7 Henri Basset (1892-1926), Sohn von René Basset (1855-1924), franz. Orientalist und Linguist; Verf. von Essai sur la littérature des Berbères, Alger: Carbonel, 1920, 446 S.

8 Max Vasmer (1886-1962), russlanddeutscher Slavist; vgl. HSA 12345-12357.

9 Karl Heinrich Meyer (189ß-1945), deutscher Slavist; über einen Ruf nach Graz wurden keine Informationen gefunden.

10 Abgedruckt in Wilhelm Volz, Der ostdeutsche Volksboden. Aufsätze zu den Fragen des Ostens, Vreslau: Hirt, 21926, 118-143.

11 Kein Beleg.

12 Das letzte von Stumme redigierte Band ist Nr.75, 1921. Dies könnte auch das Jahr der Abfassung des vorliegenden Briefes sein!

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11394)