Hans Stumme an Hugo Schuchardt (36-11391)
von Hans Stumme
an Hugo Schuchardt
26. 03. 1922
Deutsch
Schlagwörter: Neugriechisch Struck, Bernhard Littmann, Enno
Zitiervorschlag: Hans Stumme an Hugo Schuchardt (36-11391). Leipzig, 26. 03. 1922. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2021). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10821, abgerufen am 07. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10821.
Leipzig, Südstr. 72 II.r.
26. 3. 22. 1
Hochgeehrter herr Professor!
Habe soeben an den afrikanisten Bernhard Struck in Dresden in dieser infernalischen sprache geschrieben und kan(n mir nicht versagen, auch an sie in ihr zu schreiben; den(n) warum sol(l)ten nicht auch sie dieses w(h)llautende idiom kennen lernen,- es ist eben ein idiom, eine geheimsprache, nicht blos(s) eine geheimschrift. Den(n) eine geheimschrift kan(n) schlies(s)lich jeder dumme junge erfinden, aber dazu, etwas sprechbares auf diesem gebiete zu erfinden, gehörte doch schlies(s)lich unsereins!
Danke ihnen noch vielmals für ihre freundlichen Zeilen von neulich! Das manuskript hat nun also Littmann in händen, der es, wie er mir schrieb, in der kommenden nummer der ZDMG. zum Abdruck kommen lassen will. Hoffentlich erscheint die nummer bald; so flott, wie ehedem funktioniert die ZDMG. augenscheinlich nicht mehr; Besonders störend erscheint mir, das man die Adressenänderungen |2| der Kollegen jetzt nicht mehr, wie früher, alle vierteljahre mitgeteilt erhält, - was jetzt ganz besonders eben deshalb stört, da die kollegen beständig umhergeworfen werden,- viel mehr als frü(h)er.
Noch nachträglich meine segenswünsche dazu, das sie nun ein "ibn tamamiem sene" geworden sind!
Ich hatte fest vor, vorige woche nach Bautzen und umgebung zu reisen, um unter jenem interessanten völkchen der Wenden zu leben; das Wetter ist aber dermas(s)en rau und kalt geworden, das(s) ich mich bis heute noch nicht zur Abreise entschlies(s)en kon(n)te. Aber bis spätestens ende dieses monats mus(s) es fortgehn, damit ich 4 wochen im nächsten monat gemütlich dort leben und lernen kan(n).
Ihnen einen schönen, milden Frü(h)ling wünschend,
verbleibe ich
mit getreuem Grus(s)e
ihr ergebener
H. Stumme.
P. Scr.
Bei der Umschrift ist wohl alles klar,- also ñ = ng; aŭ, aĭ für Diphtonge; ã, ẽ für unbetonte Länge!
Werter h. Dr.
Im anschlus(s)2 an unsere heutige unterhaltung greife ich zur feder, um einiges betrefs jener schöna) sprache zu papier zu bringa den(n) nieder geschriebenes ist doch immer besser als blos(s) mündlich überliefertes ! Sagen sie also - so hoffe ich - unserm hochve(r)e(h)rte(n) h. hofrat, liebe herzlichste grüs(s)a u(nd) neujahrswünscha an ihn von meiner seite: das da name dieser göttlicha3 sprache „geheim“ ist ! Ihr erfinder ist in de(r)4 hauptsache5 meine - wenig-keit, - meine berater beim erfinda ware(n) Ferd. Sommer u(nd) + John Schmitt, der6 ehemalige hiesige privatdocent für Neugriechisch. Bei einiger übung lernt man bald, dieses idiom gewan(d)t zu sprecha,7 ja sogar in ihm zu denka! was das system der lautvertauschung angeht, so dürfte aus diesa meina heutiga zeila wohl alles klar sein; und was die8 aussprache der geheim-buchstaba betrif(f)t, so ist wohl alles durch sich selbst klar – h ist natürlich als ch (ich, ach) zu sprecha, und ñ als ng. Endlich kom(m)t auch das ł in ihr vor - so Karl = gał; den(n) das wort sol(l(te nicht zweisilbig werda!
Glückliche reise9 wünschend
ihr ergebener
(gez.) H. Stumme.
1 Dieser im Original in Geheimschrift abgefaßte Brief mit Beilage wurde von Lisa Baptist und Bernhard Hurch gemeinsam entziffert und abgeschrieben.
2 Orig.: ‘anschmus’.
3 Orig.: ‘göttricha’
4 Orig.: ‘un da’.
5 Orig.: ‘hauptsacha’.
6 Orig.: 'da’.
7 Orig.: ‘zi’.
8 Orig.: ‘da’.
9 Orig.: ‘leise’.