Franz Xaver Krones von Marchland an Hugo Schuchardt (01-05836)

von Franz Xaver Krones von Marchland

an Hugo Schuchardt

Graz

23. 06. 1881

language Deutsch

Zitiervorschlag: Franz Xaver Krones von Marchland an Hugo Schuchardt (01-05836). Graz, 23. 06. 1881. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10766, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10766.


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Graz 23/VI 881

Geehrtester Herr Kollege!

So eben erhalte ich Ihre willkommenen Zeilen und beeile mich, dieselben zu erwidern. Habent fata sua – colloquia! kann ich in diesem Falle ausrufen. Als Koll. Meyer1 beim Kaffehtische mich im heiteren Tone so en passant als künftigen Dekan prognosticirte erwiderte ich, – wie das bei dieser Situation begreiflich ist, auch im Tone des Scherzes, aber ablehnend, da ich auch nicht voraussetzte, voraussetzen konnte, es handle sich da um eine ernstliche Werbung. Mit mir selbst war ich längst im Reinen, denn wer wie ich Jahre hindurch mit langathmiger Büchermacherei sich abmühte und damit dem Ende zusteuernd ein Schuljahr im Auge hat, |2| das ihm die ersehnte Muße für lange zurückgedrängte Lieblingsarbeiten und die Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Urlaubsreise in Aussicht stellt, muß sich begreiflicher [?] eine ämtliche Stellung vom Leibe halten, welche ihn dieser Möglichkeit und Muße beraubt. Ueberdies habe ich das Dekanat, das nicht blos eine Ehre sondern vor allem eine Last ist, bereits 2 mal bekleidet und habe deshalb doppelten und objektiven Grund, mich diesem Amte fern zu halten. Dieser Grund wurde von mir auch geltend gemacht, als ich bereits vor 15 Tagen Schönbach2, dem Dekan3 und Karajan4 gegenüber die bestimmte Erklärung abgab, mich nicht wählen lassen zu wollen, falls man darauf reflectire.

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Ich bin Ihnen für Ihre gute Meinung bestens verbunden, aber hoffe zugleich, Sie von der Stichhältigkeit meiner Weigerungsgründe überzeugt zu haben. Freund Mayer hat meine mit lachendem Munde gegebenen Erklärungen etwas zu optimistisch gedeutet, ein wenig zwischen den Zeilen gelesen und so – allerdings bona fide – die mir selbst unwillkommene Verwicklung geschaffen. Daß dieselbe ihre Lösung leicht finden kann, davon bin ich überzeugt; denn die Thatsachen, oder, richtiger gesagt, die Ergebnisse der früheren Decanatswahlen haben mir gezeigt, daß unser „republikanisches Gemeinwesen“ jeden Dekan leicht verdaut.

Nichts für ungut also! Mit bestem Gruße

Ihr

achtungsvoll ergebenster

FKrones


1 Gustav Meyer (1850-1900), Indogermanist in Graz, zeitweilige Nachbar Schuchardts.

2 Anton Schönbach (1848-1911), Germanist; vgl. HSA 10146-10176.

3 Wilhelm Kergel (1822-1891), Klass. Philologe, Prof. in Lemberg, Olmütz und (seit 1871) in Graz

4 Max von Karajan (1833-1914), klass. Philologe; vgl. HSA 05295-05297.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05836)