Otto von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (02-13172)
an Hugo Schuchardt
02. 02. 1912
Deutsch
Zitiervorschlag: Otto von Zwiedineck an Hugo Schuchardt (02-13172). Karlsruhe, 02. 02. 1912. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2020). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10694, abgerufen am 13. 11. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10694.
Hochverehrter lieber Freund!
Ich bin zwar durch eine dreiwöchentliche hartnäckige komplizierte Influenza-Erkrankung jetzt bei Wiederaufnahme meiner Tätigkeit so arg in der Arbeitsklemme, dass ich es rechtfertigen könnte, meine Glückwünsche in kürzerer, drahtlicher Form zu übermitteln, aber ich kann mich dennoch nicht dazu entschließen, schon aus dem Grunde weil ich leider über keine andere Form verfüge um Dir zu beweisen, dass ich mich nur zu gern über die einfache Aufmerksamkeit hinausschwingen möchte. |2| Aber das geht wirklich gar nicht. Und Schuld daran trägst Du selbst, denn Du lebst derart schlicht, so ohne markante in die Aussenwelt dringende Eigenheiten, dass selbst dem herzlich wollenden Freund kein Hebel dargeboten ist, Dich in aussergewöhnlicher Weise zu feiern.
Du musst nun selbst das Deinige dazu beitragen und glauben, dass neben den feierlich gratulierenden gelehrten Akademien, Körperschaften und Vereinen so ganz heimlich sich in die Ecke drückend ein bescheidener Gratulant nur allzu gern mit ganz andern Mitteln dartun möchte, wie er von früher Jugend mit voller Verehrung an dem forschen Professor, berühmtem Gelehrten und liebenswürdigen, heiteren |3| guten Menschen gehangen hat, wie es ihn geehrt und stolz gemacht hat, als der bewunderte und verehrte große Gelehrte ihm das freundschaftliche Du angeboten hat und wie sehr es ihm leid tut, dass er nicht zu des grossen Mannes Schülern zählt, um zu seinem Ehrentage mit Jubelrufe den Ruhm des gelehrten und damit auch des guten, vornehmen Menschen der weiteren Welt ins Bewusstsein zu bringen.
Als ich zu Neujahr an Gotha vorbeifuhr, da drängte es sich mir auf, dass Deine Zurückgezogenheit eine Verwandtschaft mit dem bescheidenen aber allem Anschein nach dort recht werktätigen Städtchen hat. Mögest Du die Überzeugung in Dir tragen, dass wie Deine Vaterstadt in einem |4| Kreise anderer ähnlicher Städtchen steckend, auch Du trotz äusserlicher Einsamkeit umgeben bist von einer großen Zahl Dich herzlich verehrender hoch schätzender, gleichgesinnter Freunde – nur mit dem Zusatz aber möchte ich diesen in manchem Knochen gewiss gebrechlichen Vergleich schließen, daß Du dabei auch an Freunde in größerer Entfernung denken mögest.
In unwandelbarer Verehrung auch meiner Frau herzliche Glückwünsche übermittelnd
Dein dankbar ergebener
Otto Zwiedineck
Karlsruhe 2.II 1912.
