Lajos Katona an Hugo Schuchardt (436-05474)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Budapest

11. 01. 1909

language Deutsch

Schlagwörter: Kongresse und Versammlungen

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (436-05474). Budapest, 11. 01. 1909. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10622, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10622.


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Hochgeehrter Freund!

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie unangenehm mich die urplötzliche und ganz unerklärliche Trübung Ihres freundschaftlichen Verkehrs mit Prof. Meringer berührt hat. Ohne den allzuleicht reizbaren und nahezu krankhaft empfindlichen Herrn zu kennen, ist mir aus der objektiven Darstellung des Sachverhaltes, soweit er sich aus Ihren Mitteilungen beurteilen lässt, soviel klar, dass er stark im Unrechte ist.1 Anders |2| kann ich mir auch die Sache gar nicht denken, wo ich doch aus einem langjährigen Verkehr mit Ihnen die schonungsvolle Art kennen, mit der Sie nicht nur aus Höflichkeit, sondern aus innigstem Zartgefühl jeder Empfindlichkeit und Susceptibilität stets Rechnung tragen. Sie können also ganz gewiss keine Veranlassung dazu gegeben haben, dass Ihnen in so schroffer Weise „gekündigt wurde“. Ich sehe aber aus dem – eines wehmütigen Anhauches zwar nicht entbehrenden – Humor Ihrer lieben Zeilen, dass Sie bereits zu jener beneidenswerten Ataraxie, der wertvollsten Errungenschaft abgeklärter Lebensweisheit gelangt sind, wo man auch solche Verluste zu verschmerzen hinlänglich gelernt hat und geübt ist.* (* Humor ist übrigens das schönste Kind der Weisheit und des Schmerzes, wenn anders die Beiden im Grunde nicht eins sind.)

|3| Einigermaßen geht auch mich die Sache an, nicht nur wegen des persönlichen Momentes, das ich selbstverständlich nur Ihretwegen tiefstens bedaure, sondern auch wegen der Angelegenheit des Kongresses für sachliche Volkskunde,2 an dem ich sonst teilgenommen hätte, wie ich – noch vor dem Eintreffen Ihrer Mitteilung – meine Bereitwilligkeit hierzu der Ung. Ethnogr. Gesellschaft angemeldet habe. Selbstverständlich werde ich nun aber meine diesbezügliche Erklärung zurückziehn und es der Ges. anheimstellen, ob sie sich überhaupt und dann durch wen vertreten lassen will. Natürlich wird mich aber dieser Umstand keineswegs daran hindern, eventuell am Grazer Neuphilologentage3|4| teilzunehmen, besonders wenn ich annehmen darf, dass Sie zu jener Zeit daselbst weilen werden. Ich möchte Sie nämlich schon allzu gerne in Ihrem neuen Palazzo aufsuchen, um den ich einen jeden Andern als Sie so recht herzlich beneiden möchte. Wirklich sind Sie der Einzige, dem ich diese Herrlichkeit so ganz neidlos wie einem meiner allernächsten Angehörigen gönne, denn ich bin davon fest überzeugt, dass niemand desselben mehr wert ist, als Sie – sogar meine eigene Wenigkeit eingerechnet. (Hieraus können Sie sehen wie bescheiden ich bin!)

Die meinigen sind Ihnen für Ihr liebevolles Gedenken aus ganzem Herzen dankbar und schließen sich innigst meinen wärmsten Grüßen an, mit denen ich stets in unentwegter Treue der Ihrige bin
L. Katona.
11./I. 1909


1 Das komplexe Verhältnis Schuchardt-Meringer wird einlässlich in der Wiedergabe der Korrespondenz Meringers mit Schuchardt beleuchtet.

2 Vgl. den von Hugo Schuchardt und Rudolf Meringer unterzeichneten Aufruf (Graz, im Januar 1908) „Erster Kongreß für sachliche Volkskunde, September 1909 in Graz“ (z.B. in Mitteilungen des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde 7, 1908, 5): „Im September 1909 findet in Graz die 50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner statt. Dieser wichtige Gedenktag gibt Veranlassung, den Blick auf Vergangenheit und Zukunft zu lenken“ usw. (HSA Postkarte 12/07503).

3 50. Versammlung deutscher Philologen and Schulmänner, Graz 1909.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05474)