Lajos Katona an Hugo Schuchardt (407-05465)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Budapest

02. 11. 1905

language Deutsch

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (407-05465). Budapest, 02. 11. 1905. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10594, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10594.


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Budapest, 1905. 2. Nov.

Hochgeehrter Freund!

Ich hatte die Absicht, Ihnen einen Sonderabdruck meiner Rezension Ihrer schönen Festschrift zu verehren;1 aber die Druckerei hat mir die Abzüge noch immer nicht geliefert, vielleicht auch vergessen, meinen auf die Korrektur geschriebenen Wunsch zu berücksichtigen; und so kommt es nun, dass Sie mit Ihrem, meinerseits unverdientem Danke mir vorangeeilt sind. Dies ist aber zugleich ein für uns sehr erfreuliches Zeichen dessen, dass Sie noch immer ein recht fleißiger Leser ungarischer Zeitschriften sind. Wäre doch in diesem Falle mein Verständnis und auf Grunde desselben die meritorische Würdigung der Sache meiner Liebe für sie (und auch für Sie), wenn auch nicht gleich, so doch wenigstens nahe gekommen. Es tut mir umso wohler, daß Sie, hochgeehrter Freund, die herzinnige Wärme, womit ich das Ganze geschrieben habe, so wie die stille Wehmut, die aus |2| den Schlusszeilen klingt, herausgefühlt und Ihrerseits mit sympathischem Echo beantwortet haben.

Was nun mich und meine Angelegenheiten anbelangt, so ist es bei diesem trüben Herbstwetter wirklich nicht geraten, darüber etwas zu schreiben. Es könnte davon vielleicht noch düsterer werden, oder habe ich Ihnen diesen nicht mehr ganz neuen Concetto nicht schon einmal geschrieben? Möglich; wenn er aber auch nicht mehr ganz inédit ist, so bleibt er darum nicht weniger wahr. Gewiss wollen wir aber einen sonnigeren Tag abwarten, wo wir vielleicht mit mehr philologischer Ruhe und heiterer Ironie auf die Dinge sehn können werden, als jetzt, wo ihre Dornen noch zu tief in unserer Seele sitzen. Diesmal nur soviel, dass meine Lebenserfahrungen mich noch immer nicht genügend gewitzigt und gewappnet haben, und dass ich noch immer blöd genug bin, mich ab und zu in vertrauens- |3| seliger Stimmung optimistischen Hoffnungen hinzugeben, auf die dann recht bald ein ernüchternder Sturzbach der Enttäuschung fällt. Eine solche Kaltwasserkur ist aber für Neurastheniker gar nicht so ungesund, wenn auch nicht ganz angenehm; und wenn sie gar zu drastisch verabfolgt wird, so kann sie auch böse Folgen haben. Gegen solche wird mich aber hoffentlich das heitere Lebensglück, das mir noch einstweilen aus den unschuldig frohen Augen unserer Kleinen entgegenleuchtet, solange bewahren, bis mir das sonst nicht allzu freigiebige Schicksal wenigstens diese Tröstung nicht missgönnt. Ich will mich aber gegen die Vorsehung nicht versündigen, und dieses Geschenk nicht geringer schätzen als Alles, was mir sonst im Leben versagt geblieben ist, denn ich bin auch dessen, was es mir in seiner Güte gewährt, nicht würdig. Und zu diesen un- |4| verdient erhaltenen Geschenken meiner Feenpatin rechne ich in allererster Reihe auch die väterliche Freundschaft und das rege Mitgefühl, das Sie mir und den Meinigen nun schon seit zwei Jahrzehnten mit unerschöpflicher Liebe entgegenbringen. Womit soll ich Ihnen dafür nur danken, wenn nicht mit dem unentwegten Glauben an etwas Edleres und Höheres in der Menschennatur, das neben so vielem Niedrigen in unserer Rasse doch liegen muss, wenn es ausnahmsweise auch solche edle Menschen wie Sie gibt; und wenn auch ein so geringer Wurm, wie ich einer bin, der Freundschaft eines solchen edlen Mannes gewürdigt werden konnte.

Mit herzlichen Grüßen auch von den Meinigen,
Ihr treu ergebener
LKatona.


1 Ethnographia 16, 1904, 1-4; vgl. aber auch Katona, „ [Rez. von:] Hugo Schuchardt an Adolf Mussafia. Graz im Frühjahr 1905. (41 legnagyobb ívrétü lap, 65 ábrával s egy kezdő- és záróképpel. A gráczi „Styria" cs. kir. egyetemi nyomda nyomása, Leuscliner és Lnbensky egyetemi könyvárus kiadása.)“, A Magyar nemzeti muzeum néprajzi osztalyanak ertesitöje 6(1), 1905, 240-243.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05465)