Hugo Schuchardt Archiv

[GRAZ 9 – 20.X.03]

Aber, bester Freund, nun machen Sie mir Vorwürfe wegen Nichtschreibens! Sie versprachen mir im Sommer wiederholt zu schreiben, ich meine einen Brief; und um nicht missdeutet zu werden, bemerkte ich dass es sich allerdings um die Beantwortung einiger mir nicht mehr ganz erinnerlichen Anfragen handelte, dass ich aber überhaupt einen solchen Brief erwartete wie Sie mir deren so manche ehedem zukommen liessen, in denen Sie mir von sich und Ihrem Thun und Absichten, von den Ihrigen, von Budapester Dingen und Personen ausführlich und in schönem Stile, mit humoristischen Wendungen redeten. Ich erwartete den Brief vergebens; und vergebens auch Sie. Denn da Sie mich im vorigen Jahre mit falschen Hoffnungen hingehalten hatten, glaubte ich heuer um so sicherer Sie zu Gesicht zu bekommen; Ihre Absicht nach Graz zu kommen war allerdings nicht ganz fest ausgesprochen worden, aber Sie schrieben doch wiederholt davon, zuletzt dass Sie wahrscheinlich von Wien aus, im Aug. oder Sept., einen Abstecher hierher machen würden. Doch nitschewo! Was soll ich Ihnen denn von mir schreiben? Si vive. Nachdem ich 5 Monate fern war,¹ denke ich – ausser dass ich zu einer Badekur gezwungen worden wäre, nicht sofort wieder ans Reisen!

In Treuen Ihr und der Ihrigen erg.
H. Sch.