Hugo Schuchardt an Lajos Katona (306-05067_390)

von Hugo Schuchardt

an Lajos Katona

Palermo

30. 04. 1901

language Deutsch

Schlagwörter: Archivio per lo Studio delle Tradizioni Popolari Katona (1901)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Lajos Katona (306-05067_390). Palermo, 30. 04. 1901. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10493, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10493.


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[PALERMO FERROVIA, 30-4-1901]1

L. Fr.!

Ihr Nachruf ist sehr gelungen;2 wie ich übrigens nicht anders erwartet habe; ich danke Ihnen bestens. Pitré3 selbst hatte keinen Wunsch danach äussern können, weil er nichts davon wusste; er kam gerade gestern wieder einmal zu mir und nahm diese Arbeit von Ihnen, sowie die über das Fiat piscis4 (diese Überlieferung war ihm im Allgemeinen bekannt) mit vielem Dank und Interesse entgegen. Er ist ein sehr liebenswürdiger angenehmer Mensch, mit dem ich schon auf dem freundschaftlichsten Fusse stehe. Ich redete gestern mit ihm sehr lebhaft und längere Zeit hindurch besonders über die Gründung eines sizil. ethnolog. Museums; ich fand dass er diesen Gedanken selbst schon längst gehegt hatte, die Sache ist bisher an der Lokalfrage gescheitert. Er ist, da er noch als Arzt thätig ist (wir sind im Alter ganz gleich), ausserordentlich in Anspruch genommen, präsidirt allen möglichen Vereinen, fehlt in keiner Gemeinderathssitzung, erfreut sich aber auch einer Popularität, wie ich das kaum irgendwo bei einer Privatperson gesehen habe. – Wer, ausser wie Sie zu Studienzwecken oder weil er sonst keine Zeit hat, im März nach Italien geht, ist im höchsten Grad unvernünftig; wer im April, wie ich, der hasardirt; der Mai scheint wirklich in den letzten Jahrzehnten der beste Monat für Italien zu sein, und dann Sept. und Okt.. Das Wetter ist zwar nach unsern Begriffen für mich grösstentheils schön gewesen, aber dass ich den Sommer über sicher auch hier noch trage, mag Ihnen zeigen, wie wenig noch sommerliche Wärme herrscht. Ich habe drei Wochen an einem Kehlkopfkatarrh gelitten, dann an den Nerven, jetzt an einer Magenverstimmung; ich hoffe ich bin bald beim Dessert dieser Speisekarte angelangt.

Herzlichst Ihr und der Ihrigen getreuer
HSch

Baloghy Dezsö5 meldet mir dass er mir seinen Magyar Olymp6 geschickt habe; was ist das? unrekommandirte Kreuzbandsendungen werden mir nämlich von Graz aus nicht nachgesandt. Ich bleibe noch längere Zeit hier.


1 Poststempel nicht genau lesbar, Eingangsstempel Budapest 3.5.1901.

2 Katona, Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 20, 1900, 219-222.

3 Giuseppe Pitré (1841-1916), ital. Volkskundler, gründete 1880 den Archivio per lo studio delle tradizioni popolari; vgl. HSA 08864-08871.

4 Lajos Katona, Fiat piscis, [Budapest]: Hornansky, 1901.

5 Baloghy Dezsö (1843-1916), ungar. Schriftsteller.

6 Ungar. Kultur-Zeitschrift: Balassa-Gyarmat: Nyomatott a B.-Gyarmati könyonyomda r.t.; 1901.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung von: Bibliothek und Informationszentrum der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung für Handschriften und Alte Bücher. (Sig. 05067_390)