Lajos Katona an Hugo Schuchardt (180-05386)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Budapest

08. 01. 1893

language Deutsch

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (180-05386). Budapest, 08. 01. 1893. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10368, abgerufen am 26. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10368.


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I. Orzágház-u. 19.
den 8. Jänner 1893

Hochgeehrter Herr Professor!

Es ist schon eine Ewigkeit, daß ich gar nichts von Ihnen höre. Und doch vergeht hier keine Woche, daß wir Ihrer wenigstens an einem Tage nicht gedachten, wo wir nämlich unter dem Präsidium des liebenswürdigen Simonyi1 – dem Andenken des seligen Prof. Budenz2 treu huldigend – unsere Kruzsok-Konventikel3 halten. Da hörte ich neulich, daß Sie auch Simonyi’s Ersuchen, die „Nyelvtod. Közlemények“4 gelegentlich mit einem Beitrag zu beehren, unbeantwortet ließen, |2| und da konnte ich mich der bösen Ahnung nicht erwehren, daß Sie sich vielleicht nicht ganz wohl fühlen, oder wenigstens zur Zeit des Empfanges jenes Briefes unwohl waren. Zudem hatte ich die verflossene Nacht einen bösen Traum, und da man nicht ungestraft im düsteren Urwalde der Überlieferungen wandeln kann, so schäme ich mich gar nicht es einzugestehen, daß ich hie und da, wenn ich durch Stimmung und sonstige Dispositionselemente bereits einigermaßen zu atavistischen Rückfällen geneigter gemacht bin, auch auf dgl. Omina etwas gebe. Es wäre mir also nichts angenehmer, als |3| wenn Sie, hochgeehrter Herr Professor, diese meine bösen Ahnungen durch ein paar beruhigende Worte Lügen strafen wollten. Thun Sie das, wenn es Ihnen nicht allzu viel Mühe macht und Sie noch Ihres treuen und dankbaren Schülers und Schützlings wohlwollende gedenken.

Sollten Sie auch über mein Befinden etwas zu hören wünschen, so kann ich Ihnen nur Gutes melden. Meine Gesundheit ist – einige unbedeutende Schwankungen abgerechnet – in der letzten Zeit eine ziemlich gute gewesen, was ich auch zu recht ausgiebige Arbeit ausgenutzt habe. Ich habe in den letzten vier Monaten für ungefähr 40 Druckbogen Manuskripte geliefert. Größtenteils freilich nur Überlegungen, aber auch einige |4| nicht ganz wertlose (?) Vorarbeiten zu meinem Folklore-Handbuch, das – post tot discrimina rerum – im laufenden Jahre denn doch zustande kommen soll. Demnächst soll im Verlag der Akademie der III. Band der Gesch. d. röm. Dichtung von Ribbeck5 in meiner Übersetzung erscheinen, womit ich ein nettes Sümmchen verdiente. Die oesterr.-ungar. Monarchie und das Pallas-Lexikon6 versehn mich hinlänglich mit Arbeit. Aber es heißt auch tüchtig schmieren,7 bei dieser teueren Zeit und bei unserem ärmlichen Gehalt. Sofern ich aber nur gesund bleibe, habe ich nunmehr keinen Grund besorgt und unzufrieden zu sein, wenn sich auch manches nicht so in meiner Carrière gestalten will, wie ich es vielleicht erwünscht hätte. Hochachtungsvoll ergebenst

Ihr getreuer
Katona


1 Zsigmond Simonyi (1853-1919), ungar. Sprachwissenschaftler; vgl. HSA 10594-10691.

2 Josef (Joszef) Budenz (1836-1892), deutsch-ungar. Finnougrist; vgl. HSA 01439.

3 Vgl. HSA 05471 (20.3.1908).

4 Nyelvtudományi Közlemények, Magyar Tudományos Akadémia Nyelvtodomány Bizottságának Megbizásaból [= Sprachwiss. Veröffentlichungen. Im Auftrag der Linguistikabt. der Ungar. Akad. d. Wiss.].

5 Otto Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung , 3 Bde., Stuttgart-Berlin: Cotta, 1887-1913; ung. A római költészet története, Budapest: Magyar Tudományos Akadémia, 1891-1893. Der Mitübers. war Csiky Gergely (1842-1891).

6 A Pallas nagy lexikona war die erste große ungar. Enzyklopädie, die im Verlag A Pallas Irodalmi és Nyomdai Rt. in den Jahren 1893 bis 1897 herausgegeben wurde.

7 i.S. von „schreiben“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05386)