Lajos Katona an Hugo Schuchardt (164-05383)
von Lajos Katona
an Hugo Schuchardt
04. 10. 1891
Deutsch
Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (164-05383). Budapest, 04. 10. 1891. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10352, abgerufen am 10. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10352.
Budapest, Országház-uzca 19.
91.4.X. [=4.10.1891]
Hochgeehrter Herr Professor!
Einen Theil Ihrer Fragen will ich sofort beantworten, über den anderen kann ich aber erst morgen mit näherer Auskunft dienen. Hoffentlich trifft Sie mein ergänzendes Schreiben noch in Friedrichsroda.
Meines Wissens ist die Melas’sche P. Übers. die vollständigste von allen bisher erschienenen,1 und das schon darum, weil den früheren die älteren, seitdem um ein Beträchtliches ergänzten Originalausgaben zur Grundlage gedient haben. |2| Freilich ist mir die Opitz’sche Übers. ganz unbekannt,2 so daß ich mich in meiner Annahme insofern irren kann, als vielleicht die letztere auch die epischen Gedichte P.-s enthalten mag, welche bei Melas fehlen.3
Ob und wo Dóczy’s4 Übersetzungen (von denen ich nur einige zerstreute kenne) gesammelt erschienen sind: ist mir unbekannt. Möglicherweise werde ich Ihnen aber morgen auch hierüber berichten können. Die ausführlichste und – faute de mieux – die beste Petöfi-Biogra- |3| phie ist die von Alexander Fischer, erst vor einigen Jahren ursprünglich in deutscher5 und erst hernach in ung. Sprache erschienen. Es ist das ein dickleibiger Band und die Frucht schätzenswerten Dilettantenfleißes und einer wahrhaft rührenden Begeisterung für den Gegenstand. Der Verfasser hat darin so ziemlich Alles, was ihm zugänglich war, für eine von hierzu berufener Hand zu schreibende Biographie zusammengestellt. Das Buch ist durch jeden Budapester Buchhändler leicht zu beziehen. Ich kann es Ihnen auf |4| Ihren Wunsch sofort zusenden lassen. - -
Das Hunfalvy-Jubiläum wurde bereits heute in aller Stille durch Überreichung einer Begüßungsadresse vonseiten der Akademie gefeiert. Eine demonstrativere Begehung des Festes wird für den Zeitpunkt geplant, wenn das in Vorbereitung befindliche Hunfalvy-Album6 (für welches Beiträge von allen Verehrern und Schülern des Gefeierten7noch immer erwünscht sind) fertiggestellt sein wird. Hiebei wird auch die ethnogr. Gesellschaft (deren Präses der Jubilar ist)8 auf näher noch zu bestimmende Weise bethei- |5| ligt sein. Den beiden anderen, gleichzeitig mit H. jubilierenden Akademikern: dem alten Pulszky9 und dem noch älteren Grafen Vay10 wurden ebenfalls heute die üblichen Adressen übergeben.
Wenn in der Nationalitätenfrage etwas Beachtenswertes und Sie Interessierendes erscheinen sollte, so will ich Ihnen das Betreffende sofort notificieren resp. zusenden.
Besten Dank für das freundliche Gedenken, das Sie den Meinigen zu widmen die Güte hatten und hochachtungsvolle |6| Grüße und Handkuß an Ihre gnädige Frau Mutter.
Bleiben Sie, lieber Herr Professor, auch ferner so gesund, wie ich Sie nach vierjähriger Trennung unlängst wiederzusehen die Freude gehabt habe* (*Den Schnupfen natürlich abgrechnet, den Sie damals gehabt haben.), und lassen Sie – uns der Hoffnung leben, daß wir Sie – Ihrem erfreulichen Versprechen gemäß – recht bald wieder in unserer Mitte begrüßen können werden.
Ihr dankbar ergebener
Katona.
|7| PS. Ich erinnere mich während unseres Spazierganges auf der Margarethen-Insel der italienischen Petöfi-Übers. erwähnt zu haben, deren Autor mir damals nicht einfallen wollte. Er heißt Pietro Cassone und hat erst neulich wieder der Kisfaludy-Ges.11 (deren corresp. Mitglied er ist) neuere Übersetzungen eingesandt, wie ich in den Tageblättern gelesen habe.12 Ich werde bestrebt sein, Ihnen seine Übersetzungen so bald als möglich vorlegen zu können
|8|Mily szép a világ! 4e Str.: | Entschieden ich. |
A bizodalom, kit | Eluzék kann hier nur 1. Pers. sing. des Praet. |
Oly ruful elüzék | narrat. In der subj. Conjug. sein. Sonst |
Str. II, 143 „Das Vertrauen, das manu | könnte es noch 3. Pers. plur. ders. Zeit |
Roh von mir vertrieben“. | n der obj. Conjug. sein |
Nicht ich? Man wäre doch elüzeneh. |
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Lérel Arauy I.-hoz: V. 26:
Mert ne is írj inkább, hogysem | |
M. II,171 „Schreibe lieber recht viel, | |
als“. Ist es nicht: „Denn schreibe | Ihre Übers. ist die richtige |
lieber gar nicht als“ |
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A Költészet gegen Ende: | Gewiss + und nicht x. |
boldog-boldogtalannak | Boldok-boldogtalamek |
M. II, 176 „dem seligen Beladenen“ | ist ein Idiotismus, der eigentlich nur „jedem |
Nicht vielmehr „dem Glück- | Menschenkinde“ (ob gl. ob |
Lichen wie dem Unglücklichen“ | ungl.) bedeuten will. |
sodass eine +, keine x: Zusammen- setzung vorliegt? |
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A kís beres Str. 3 cseló, csákó, cselö | Hier hat sich Melas wieder geirrt. Cselö ist eine die Ochsen an treibende Interjection und kein Ochsenname wie Czákó. |
M. II, 197 Tschelö, Tschako – | |
Im Deutschen nimmt sich | Das aus als ob Tschelö ebenso |
gut ein Ochs wäre wie Tschako. |
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Ist szöke habok in Homér | Bei magy. „szölke“ od. |
és Oszian ebenso kühn wie | szöke habok und „szöke |
unser: blonde Wogen? Interes- | Duna“ etc. ist vielleicht auch |
sant für die Geschichte der | an die Identität von |
Farbenbezeichnungen; blond und | szölke und szürke (grau) |
blau vertauschen sich öfter | zu denken. |
harom a tanc, „Hui im Dreischritt: „M. I. 26. Heisst es nicht: „Von Neuem!“ „Da capo!“ eig. „Zum dritten Male“, etwa unserem „Aller Guten Dinge sind drei“ (= Három a szám) entsprechend? | Ihr Auffassung ist entschieden die richtige. Hier hat sich M. recht arg vergriffen. – Man sagt auch im Magy. „ harom a magyar szín“ mit Anspielung auf die ung. Tricolore. |
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Die Tendenz des Gedichtes A régi jó Gvadányi ist mir nicht ganz klar, oder vielmehr ich weiss nicht mit welcher Absicht solche veral- tete Ausdrücke und zwar Latinismen wie constructio fundamentomos, appet- titusorn, calamus aufge- nommen worden sind, durch welche doch Könyvének igazi magyar beszédje nicht veranschaulicht wird. | Erklärung folgt morgen nach! |
In der letzten Strophe von A munkácsi rázban verstehe ich nicht ganz: Hát ha még benu colnék M. II,165: „Ha wenn ich Erst unten wäre“; das Erst unten wäre“; das müsste doch magy. heissen „hát ha csak benu colnék már“. Was | Hát ha még benu colnék würde auch ich mit: „und wenn ich erst drunten wäre übersetzen, aber damit keinen Wunsch, sondern vielmehr die Befürchtung vor einer schlimmen Möglichkeit ausdrücken. Den Wunsch würde man magy. mit „Volnék csak lenn! Wiedergeben. |
1 Gedichte von Alexander Petöfi. Aus dem Magyarischen übertragen von Heinrich Melas, Hermannstadt: W. Krafft, 1891.
2 Alexander Petöfi , hrsg von Theodor Opitz, Bern: Haller'sche Verlagshandlung. 1868; 2 Bde.
3 Schuchardt, „[Rez. von:] Alexander Petõfi, Gedichte. Aus dem Magyarischen übertragen von Heinrich Melas“, Deutsche Literaturzeitung 12, 1891, 1923-1927. - In der Besprechung wird Katona nicht erwähnt.
4 Lajos Dóczi (1845-1918), auch: Ludwig Dux, Louis Dux, Ludwig von Dóczi, ungar. Dichter und Dramenautor; erster deutscher Petöfi-Übersetzer, den er im deutschen Sprachraum bekannt machte. Seine Petöfi-Übersetzungen erschienen 1845 in den Sonntagsblättern (Pest).
5 Alexander Fischer, Petöfi's Leben und Werke: Mit den Porträts von Alexander und Julia Petöfi, drei Handzeichnungen von Petöfi, einem autobiographischen Blatte in Facsimiledruck und einer Copie der „Zwölf Punkte", des ersten censurfreien Preßerzeugnisses in Ungarn , Leipzig: Friedrich Wilhelm, 1889, 628 S.; ungar. Petöfi élete és müvei … Elöszóval-ellátta Jokai M. Németbäö forditotta Tolnai L., Budapest 1890.
6 Hunfalvy-album; félszázados akadémiai tagsága emlékére , Budapest: Hornyánszky Viktor, 1891; darin Katona, A mesevizsgálat legközelebbi feladatairól [= Zukünftige Aufgaben des Geschichtenerzählens].
7 Pál Hunfalvy (1810-1891), ungar. Sprachwissenschaftler und Ethnograph; vgl. HSA 04915-04919.
8 Hunfalvy war am 12. März 1890 achtzig Jahre alt geworden.
9 Ferenc Pulszky (1814-1897), Sekretar der Geisteswiss. Klasse der Budapester Akademie.
10 Miklos Baron Vay de Vaja (1802-1894),Vorstandsmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
11 Sándor Kisfaludy (1772-1844), ungarischer Dichter und Dramatiker.
12 Petöfi, Nuvole (Felhok) , prima traduzione italiana di G. Cassone, Noto: Zammit, 1891. - Giuseppe Cassone (1842-1910) hat auch andere Texte Petöfis übersetzt.