Lajos Katona an Hugo Schuchardt (156-05382)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Budapest

28. 06. 1891

language Deutsch

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (156-05382). Budapest, 28. 06. 1891. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10344, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10344.


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Budapest, 1891 VI. 28

Hochgeehrter Herr Professor!1

Gleichzeitig mit diesen Zeilen erhalten Sie die einzige bisher erschienene ung. Recension der Melas’schen Petöfi-Übersetzung,2 die ich selbst noch nicht kenne. Da aber „Élet“3 in den allernächsten Tagen gewiss ein Rec. Exemplar davon bekommen wird, so dürfte es mir vielleicht baldigst vergönnt sein, Ihnen einige Randglossen darüber zur beliebigen Verfügung zu stellen.

Und nun meinen besten Dank dafür, daß Sie sich, hochgeehrter Herr Professor, |2| noch ab und zu meiner erinnern und mir dann und wann Gelegenheit bieten, ein bescheidenes Lebenszeichen zu geben. Freilich wäre es mir viel lieber, wenn dies etwas häufiger geschehen würde, doch soll hiermit um alles in der Welt nicht gesagt sein, daß ich Sie mit einer lästigen Correspondenz behelligen möchte, die doch kaum etwas Interessantes und Anregendes für Sie haben dürfte. Was könnte ich Ihnen auch von hier berichten, was von Ihnen zur Kenntnis genommen zu werden verdiente? Bei mir ist es wieder ganz Anders. So oft Sie mir auch nur einige |3| wortkarge Zeilen schreiben, so finde ich in denselben irgendeine Aneiferung zu fruchtbringender Arbeit. Und solcher bin ich besonders in der letzten Zeit mehr als bedürftig. Es ist nämlich etwas Fürchterliches um die Budapester sog. geistige Atmosphäre. Nirgends auf der weiten Welt dürfte so viel Stickstoff in der Luft zu finden sein, in der sich die litterarische Taglöhnerarbeit vollzieht, wie hier bei uns, wo Keiner das sein will und kann, was er sein sollte und vermöchte, sondern ein jeder ein Dutzend Nebenbeschäftigungen betreiben muß, unter deren Last die eigentliche Berufsthätigkeit |4| nahezu ganz lahmgelegt wird. Und wenn noch was Ordentliches auch bei einem der verschiedenen Nebengewerbe herauskäme!

Leiblich befinde ich mich im Ganzen noch erträglich, nur dass ich sehr gealtert bin und ein bereits ziemlich anspruchsvoll auftretendes Verlangen nach Ruhe und Bequemlichkeit verspüre, was im Alter von kaum 29 Jahren vielleicht doch etwas verfrüht sein dürfte.

Auf Wiedersprechen, wenn Sie mir einen nächsten, ausführlichen Brief nicht versagen.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr dankbar ergebener

Katona

Gehen Ihnen die „Élet“-Hefte pünktlich zu? Es soll mir ein Vergnügen sein, dieselben auch weiterhin zu Ihrer Verf. zu stellen.


1 Katona antowrtet auf Schuchardts PK vom 24. Juni d. J.

2 Gedichte von Alexander Petöfi . Aus dem Magyarischen übertragen von Heinrich Melas, Hermannstadt: W. Krafft, 1891.

3 Katona gab diese Zeitschrift von 1891-92 gemeinsam mit dem Ethnographen Béla Vikár (1859-1945) heraus. Ihr genauer Titel lautet: ÉLET. Iródalmi, Müvészeti, Társadalmi Ès Kózgazdasági Folyoírat , Budapest: Lampel Robert, 1891f. [dt. etwa: Leben. Zeitschrift für Kunst, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte].

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05382)