Hugo Schuchardt an Lajos Katona (60-05067_233)

von Hugo Schuchardt

an Lajos Katona

Sare

09. 07. 1887

language Deutsch

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Lajos Katona (60-05067_233). Sare, 09. 07. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10246, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10246.


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[CARTE POSTALE,
Sarre, 9.VII.87]

Bester Herr Doktor!

Wenn Sie von Ihrer folkloristischen Arbeit Abzüge erhalten haben, so schicken Sie doch einen an Baron Andrian1 in Aussee (der volle Name ist mir nicht gegenwärtig, und etwaige Titel finden Sie in den Schriften der Wiener anthropol. Gesellsch., deren Präsident er ist, und zwar ohne Weiteres; er ist schon avisirt. – Ich hatte neulich an Ujfalvy2 geschrieben und zwar u. A., daß mir das Material auf welchem Broca’s3 Untersuchungen beruhen, ein zu beschränktes auch zu unsicheres sei, um seine Ergebnisse als absolute zu betrachten, und zwar schrieb ich das nur damit es gelegentlich in seinen Pariser Kreisen die Anregung gäbe, die Sache weiter zu verfolgen, die Akten zu revidiren, sich nicht völlig über die baskische Anthropologie zu beruhigen. Er antwortete mir: „Was ihr Urtheil über Broca’s Arbeiten betrifft, so muß ich Verwahrung dagegen einlegen. Broca ist und bleibt der Altmeister der Anthropologie und die neuen Anthropologen, die an seinem ehernen Werke schütteln, sind nicht im Stande dasselbe vergessen zu machen, geschweige denn zu ersetzen“. Bum! Bum! So sympathisch mir Ujfalvy ist und so sehr ich ihn wegen seines Augenleidens und anderer mißlicher Umstände bedaure, so habe ich das doch nicht ohne Erwiderung lassen dürfen; es ist an sich nicht völlig richtig, paßt aber zu dem was ich gesagt hatte, wie die Faust aufs Auge und ich wünschte nicht, im kommenden Winter in irgend einem Pariser Salon zum Gegenstand einer angenehmen Causerie zu werden. – Ich denke daß nun doch endlich der feierliche Akt Ihrer Promotion vollzogen worden ist.4 – Wenn Sie bei Lubensky vorbeigehen, so bitte sagen Sie, daß ich Volapük-Baskisch5 (gestern) erhalten habe.

B. Gr. Ihr
HS.


1 Ferdinand L. von Andrian-Werburg (1835-1914), österr. Anthropologe; vgl. HSA 001080-00117.

2 Karl Eugen von Ujfalvy (1842-1904), ungar. Orientalist u. Anthropologe; vgl. HSA B 11999-12001.

3 Paul Broca (1824-1880), französischer Mediziner und Anthropologe; Verf. von Sur l’origine et la répartition de la langue basque: Basques français et Basques espagnols, Paris 1875.

4 Dazu schreibt Prof. Anton Herrmann, der Hrsg. von Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn. Zeitschrift für die Volkskunde der Bewohner Ungarns und seiner Nebenländer 1, Juni 1887, S. 1 (Redaction, „Zur Notiz“): „ Auszeichnung. Ludwig Katona, aus Vácz in Ungarn, einer unserer Hauptmitarbeiter, hat bei Gelegenheit seiner an der Grazer Universität am 13. Juli sub auspiciis Imperatoris erfolgten Inauguration zum Dr. phil. eine gehaltvolle Dissertation über eine noch ziemlich junge Disciplin: ,Zur Bestimmung des Begriffes und Umfanges einer Folklore-Wissenschaft‘ verlesen und erhielt dann vom Statthalter das Geschenk des Monarchen, einen prachtvollen Ring mit dem Monogramm des Kaisers in Brillanten. - Wir gratulieren unserem unermüdlichen, berufenen Mitstreiter auf dem Felde heimischer Ethnologie zu dieser ungewöhnlichen, aber wolverdienten Auszeichnung, die zufolge der Fachstudien des Ausgezeichneten und des Gegenstandes seiner Inaugural-Dissertation auch von eminentem ethnologischen Interesse ist“. - Katona legte sie am 12. Mai 1887 vor. Gutachter: Hugo Schuchardt, Gustav Meyer. Am 16. Mai 1887 fand das erste Rigorosum aus den Fächern Romanische Philologie (Prüfer Schuchardt), Vergleichende Sprachwissenschaft (Prüfer Gustav Meyer), Klassische Philologie (Prüfer Theodor Ritter von Karajan) und Alte Geschichte (Prüfer Adolf Bauer) statt. Das zweite Rigorosum aus Philosophie bestand Katona am 22. Mai 1887. Prüfer: Alexius Meinong und Hugo Schuchardt.

5 Schuchardt, Auf Anlass des Volapük, Berlin: Oppenheim, 1888; „Romano-baskisches I.“, Zeitschrift für romanische Philologie 11, 1887, 474-512.. Offenkundig wurden beide Titel über die Universitätsbuchhandlung Leuschner & Lubensky zugestellt.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung von: Bibliothek und Informationszentrum der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung für Handschriften und Alte Bücher. (Sig. 05067_233)