Lajos Katona an Hugo Schuchardt (57-05349)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Graz

23. 06. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: Ethnologische Mittheilungen aus Ungarn Schuchardt, Hugo (1887)

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (57-05349). Graz, 23. 06. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10243, abgerufen am 05. 12. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10243.


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Graz, Heinrichstr. 13.II.
23.VI.87.

Hochgeehrter Herr Professor!

Votre silence ne dit rien de bon qui vaille, – oder Sie haben meine letzten Briefe nicht bekommen. Ich bitte Sie ergebenst, haben Sie doch die auserlesene Güte, den gegenwärtigen baldmöglichst zu beantworten.

Herr Firmery in Rennes schickt mir soeben die Fortsetzung der Korrekturen Ihrer Keltischen Briefe1 und in der Anlage die Handschrift einer ebenfalls von ihm herrührenden Übersetzung |2| Ihres Aufsatzes: Englisch und Französisch, den er mit Ihrer durch mich einzuholenden Erlaubnis in der Revue des langues vivantes2 abdrucken lassen möchte.

Schreiben Sie auch gefälligst einige Worte zu meiner Beruhigung über Ihr wertes Befinden. – Die Tage war Prof. Vámbéry3 hier auf der Durchreise nach Gossensass. Meine Ohren sausen noch heute von den unzähligen £ Sterling, die dem „faux derviche“ von der Times u. a. englischen Zeitungen mit unerhörter Freigebigkeit ausbezahlt werden. Sein Rustem ist ein strammer Bursch4 und hat |3| wie sein glücklicher Vater mich versichert, gar nichts Jüdisches in sich.

Denken Sie sich nur das fabelhafte Meisterstück bureaukratischer Gebahrung, dem ich es zu verdanken habe, dass mein Majestäts-Gesuch noch immer nicht erledigt ist. Nach aller Wahrscheinlichkeit werden Sie, hochgeehrter Herr Professor, bei meiner Promotion zugegen sein können. – Am 7./VII. geh ich nach Barcstelep,5 hoffe Ihnen aber bis dahin noch auf einen Brief antworten zu dürfen.

Wenn mein Schreiben, in dem |4| ich auf Herrn Prof. Meyers wiederholte Sollicitation die Liste Ihrer Vorlesungen im Wintersemester zu reklamieren mir erlaubte, verloren gegangen sein sollte, – so bitte ich Sie hiermit, das Verzeichnis jener Vorlesungen ehemöglichst an Herrn Prof. Meyer oder eventuell an mich gelangen zu lassen. – Die einmal erwähnte folkloristische Plauderei ist im Magazin bereits abgedruckt6 und ich werde mir nach Entgegennahme der Beleg-Exemplare erlauben, Ihnen eines derselben zuzusenden. Mit Max Koch und der Zschr. f. vgl. Litteraturgeschichte7 hatte ich leider ein kleines Pech; |5| Sein Verleger – Hettler8 in Berlin – hat skandalösen Bankrott gemacht und wollte mich zum Überfluss beschwindeln. Unteressen ist es Koch gelungen, die Zschr. in einen anderen soliden Verlag herüberzuretten9 und das Erscheinen meines Aufsatzes ungefähr für August sicherzustellen. Vederemo!10 Ich habe wenig Vertrauen dazu – und auch Sie werden meiner pessimistischen Auffassung beipflichten, wenn Sie das Unglaubliche gehört haben, dass von nun an die Zschr. f. vgl. Litteraturgeschichte mit Geiger’s (ebenfalls aus dem kläglich zerschellten Hettler’schen Verlag herübergeretteter) Zschr. für |6| Kultur und Litteratur im Gemisch-Gemasch weiter leben soll! Warum nicht gleich mit einem Organ für Bienenzucht oder Thierarzneikunde? – Die „ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn“ wollen auch nicht von der Stelle. Indessen wird das erste Heft doch bald ans Tageslicht treten,11 – um ebenso bald eines unbeweinten sanften Todes zu sterben, wie ich denke.

Seien Sie, hochgeehrter Herr Prof. von meiner Mutter und mir in treuer Ergebung gegrüsst – und verzeihen Sie es mir, dass ich mich so arg gegen Ihre Zeit versündigt habe.

Hochachtungsvoll
Ihr dankbarer

Katona


1 Joseph Firmery, „Lettres Celtiques“, Annales de Bretagne 2, 1887, 299-345; 602-647.

2 In der Zeitschrift Revue de l’enseignement des langues vivantes 4, 1887/88, 246 ff. findet sich diese Übers. (der Wortlaut war mir nicht zugänglich).

3 Hermann Vámbéry (1832-1913), ungar. Turkologe [eigentlicher Name „Bamberger“]; vgl. HSA 1230-12341.

4 Rustem Vámbéry (1872-1948), Richter, Politiker und Kriminologe von internationalem Rang.

5 Barcs (Barcstelep), Stadt im Südwesten Ungarns, an der kroatisch-ungarischen Grenze, an der Drau gelegen.

6 Katona, „ Aus allen Zonen (Folkloristische Neuigkeiten) “, Magazin für die Literatur des Auslandes Jg. 56, Bd. 111, 1887, 442-445.

7 Max Koch (1855-1931), deutscher Germanist, Herausgeber der Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte (1887-1910) sowie der Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte (1901-1909).

8 Über den Verlag August Hettler in Berlin und Leipzig konnten keine genauen Informationen gefunden werden; 1900/01 wurde gegen den Verleger wegen Majestätsbeleidigung ermittelt.

9 Bereits für das erste Heft firmiert der Berliner Verlag A. Haack.

10 Richtig: „Vedremo“!

11 Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn, zugleich Anzeiger der Gesellschaft für Völkerkunde Ungarns. Begründet und herausgegeben von Prof. Dr. Anton Herrmann. Redigiert von Anton Hermann und Ludwig Katona, Kolozsvár: Actiendruckerei der Gesellschaft „Közmüvelödés, Bd. I, 1 (Juni 1887); I, 2 (Februar 1888). Die Zeitschrift verfolgte das Ziel, alle Nationalitäten (Volksgruppen) Ungarns zu erforschen.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05349)