Lajos Katona an Hugo Schuchardt (53-05346)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Graz

19. 05. 1887

language Deutsch

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (53-05346). Graz, 19. 05. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10239, abgerufen am 17. 11. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10239.


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Graz, Heinrichstrasse 13.II.
19. Mai 1887.

Hochgeehrter Herr Professor!

Es wäre eben kein Wunder, wenn ich mich versucht fühlte mir darauf Etwas einzubilden, dass die flüchtigen Bemerkungen, mit denen ich in meinem Schreiben vom 12. d. M.1 die soi-disant Recension L.‘s begleitete, in manchen – und nicht den unwichtigsten Punkten mit dem Urteile übereinstimmen, das Sie, Herr Professor, in Ihrem schätzbaren Briefe vom 13.2 über die hohle Deklamation und die nichtigen Einwände des vorgeblichen vindex editorum3 und aufgeblähten Boccaccio-Menschen*) [*) man sagt doch „Schlangenmensch“ „Kautschukmensch“] fällen. Ja, die Übereinstimmung ist stellenweise so auffallend, dass man ohne Berücksichtigung der obigen Daten geneigt |2| wäre, in meinen damaligen Äusserungen Nichts als einen Widerhall Ihrer gründlichen Abwehr zu erblicken. Indem ich Ihnen meinen innigsten Dank für das mir in dieser leidigen Affaire geschenkte Vertrauen ausspreche, muss ich zugleich erklären, dass dieser überaus wertvolle Gewinn, den ich aus der sonst ganz erbärmlichen Veranlassung gezogen, meine Verstimmung über die letztere reichlich aufgewogen und mich dem Urheber derselben beinahe verpflichtet hat. Hieraus können Sie meinen krassen Egoismus am besten ersehn; doch dürfte Ihnen auch dieser insofern verzeihlich erscheinen als er mir einer der Beweggründe ist, die mich in meinem unverzagten Ringen um den hohen Preis Ihrer Anerkennung – stets mit neuem Mut beleben. |3| Es gereicht uns – ich rede von meiner Mutter und mir – zur grössten Freude, dass Sie Ihre südliche Lebenslust wiedergefunden haben, und wir wünschen aus vollem Herzen, dass dieselbe Ihnen eine treue Reisegnossin – und auch fürs Weitere unentwegt an Ihrer Seite bleibe. Mir geht’s leidlich. Allerdings ist mein ferneres Weilen in Graz stark in Frage gestellt und könnte – in Ermangelung neuer Erwerbsquellen – bald ein Ende nehmen, was ich nicht nur meinetwegen, sondern hauptsächlich im Hinblick auf mein Mütterchen sehr beklagen müsste, da dieselbe sich hier zusehends erholt hat und ebenso ungern wie ich nach Ungarn zurückkehren würde. Eine schöne Vaterlandsliebe das, nicht wahr? Doch wenn Sie wüssten, was wir beide dort gelitten haben, so würden Sie die Atrophie und nahezu gänzliche Erschlaffung dieses Teiles unsrer Gefühlsskala begreiflich finden. |4| Bei dieser Gelegenheit muss ich Ihnen, leider, auch eine sehr traurige Mitteilung machen, die ich Ihnen vielleicht lieber vorenthalten sollte. Doch würden Sie dann wahrscheinlich von andren Seiten davon zu lesen bekommen. Janotta hat sich den 16. erschossen.4 Über den Beweggrund hat man bisher im engeren Kreise seiner besten Bekannten keine Ahnung. Ich habe erst unlängst mit ihm gesprochen und er hat sich bei dieser Gelegenheit Ihrer bewussten Empfehlung in sehr liebenswürdiger Weise erinnert. Mir ist damals nicht das Mindeste in seinem Betragen aufgefallen. – Prof. Meyer werde ich über seinen Pariser Aufenthalt und die darauf bezügliche Lücke seiner Correspondenz interpellieren.

Ich hoffe, daß dieser Brief Sie zu Bayonne in bester Gesundheit und fröhlicher Stimmung antreffen – und nebst seinen Vorläufern vom 12. zu einer gelegentlichen Antwort veranlassen wird, um die ich Sie ergebenst bitte. Meine Mama fühlt sich durch Ihre freundliche Erinnerung sehr geehrt und lässt Sie mit ergebenstem Danke herzlichst grüssen. Alles Schöne von der Frau Baronin Villecz und ihrem Herrn Bruder.5

./. Seien Sie, Herr Professor, meiner treuen Ergebenheit versichert und bleiben Sie mir auch ferner gewogen. In dankbarer Hochachtung:

L. Katona.


1 HSA 05345.

2 Vgl. hier Ms 5067/230.

3 „Beschützer der Herausgeber“.

4 Nicht identifiziert. Sollte der Grazer Musikwissenschaftler L. Janotta gemeint sein? Oder der Verleger J. Janotta?

5 Keine näheren Angaben.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05346)