Lajos Katona an Hugo Schuchardt (37-05340)

von Lajos Katona

an Hugo Schuchardt

Graz

23. 12. 1885

language Deutsch

Zitiervorschlag: Lajos Katona an Hugo Schuchardt (37-05340). Graz, 23. 12. 1885. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2023). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10223, abgerufen am 18. 06. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10223.


|1|

Graz, 23/XII.85.

Hochgeehrter Herr Professor!

Wenn ich je die gebieterische Notwendigkeit längerer Muße zur gehörigen Sammlung empfand, so fühle ich es heute, dass eine solche zum Zwecke nur annähernd würdiger Beantwortung Ihrer herzlichen Zeilen unerlässlich wäre. Ob sie aber auch nach vielem Suchen und peinlicher Erwägung den richtigen Ausdruck meiner Gefühle mir erschließen würde: darüber ist meiner Unbehülflichkeit nicht der mindeste Zweifel erlaubt, wenn ich auf die arg verfehlte Form denke, in die gekleidet der ehrlich und treuherzig gemeinte Erguss meiner innigen Theilnahme Sie nur stören könnte.1|2| Ich glaubte aber damals, unter dem Banne der traurigen Nachricht von Ihrem so überaus schmerzlichen Verluste, – daß meine ihr unmittelbar folgenden Zeilen Sie noch vor Ihrer Abreise treffen könnten.

Wie oft griff ich seitdem zur Feder, um Ihnen, lieber guter Herr Professor, in schlichten Worten nur so viel zu schreiben, dass mir Ihre unermessliche Güte – so zu sagen – ein Anrecht auf einen Teil Ihres tiefen Schmerzes geschenkt hat! – Wer weiss aber, ob es nicht besser war, mich bescheiden zurück zu ziehn, bis Sie mir in Ihrem huldvollen Schreiben mit dem Recht auch die Pflicht auftrugen, solches mit innig gerührtem Herzen dankend zu beantworten.

|3| Auf Ihre gütige Frage nach meinem Befinden, kann ich nur so viel melden, daß mir eigentlich gar nichts – und doch alles fehlt, seitdem – – Nein, nach Ihren soeben empfangenen Zeilen darf ich dem egoistischen Gedanken keinen Ausdruck verleihen; – Sie geben ja in denselben den hochherzigen Beweis dessen, daß Sie nicht einmal in diesen, Ihrer heiligen Pflicht gewidmeten Tagen meiner vergessen haben. Wie soll ich es Ihnen danken; wie die volle rückhaltlose Hingebung meines Herzens Ihnen so beweisen, daß Sie nur dem geringsten Teile dessen nahekomme, was Sie, hochgeehrter Herr Professor, für mich getan! –

|4| Herrn Kónyi2 will ich noch heute Ihren Gruß übermitteln. Von mir über Ihren schmerzlichen Verlust unterrichtet, kamen wir seitdem nie zusammen, ohne in gemeinschaftlicher Teilnahme desselben zu gedenken.

Hatten Sie, guter Herr Professor, mit H. Ágai’s3 Schrift Ihre harte Mühe, so werden Ihnen meine heute noch über das gewöhnliche Mass verwutzelten Sätze keine geringere Plage auferlegen. Törs Kálmán’s4 liebenswürdige Bereitwilligkeit würde mich beinahe mit patriotischem Stolz erfüllen, wenn neben meiner unedlen selbstsüchtigen Freude ein solches Gefühl noch aufkommen könnte. Für Ihre untermüdlichen Bemühungen meinen tiefsten Dank. – Meine noble Gesellschaft ist schon so weit fortgeschritten, daß sie bereits an 2 wöchentlichen Stunden genug zu haben gedenkt.

Hochachtungsvoll ergebenst,

./. Bel Ami ist am 10. Dez. in der Tagespost erschienen. Hat bei meinen Schülerinnen viel Begeisterung gefunden. -5


1 Schuchardts Vater Eduard Ernst Julius (1809-1885) war am 2. Dezember (1885) in Gotha verstorben.

2 Manó Kónyi (1842-1917), ungar. Publizist; vgl. HSA 05755.

3 Adolf Agái (1836-1916), ungar. Schriftsteller und Mediziner; vgl. HSA 00022-00024,

4 Törs Kálmán (1843-1892), ungar. Journalist.

5 Nicht identifiziert; es handelt sich um einen Beitrag Katonas.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05340)