Hugo Schuchardt an Julien Vinson (32-HSJV13)

von Hugo Schuchardt

an Julien Vinson

Graz

12. 12. 1897

language Deutsch

Schlagwörter: Académie des inscriptions et belles-lettres Dodgson, Edward Spencer Abbadie, Antoine d' Jena

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julien Vinson (32-HSJV13). Graz, 12. 12. 1897. Hrsg. von Bernhard Hurch (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10110, abgerufen am 26. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10110.


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Graz 12 Dez 97.1

Hochgeehrter Herr Kollege,

Da der Bube dem Sie die beifolgenden Briefmarken zuzusenden gedachten, wahrscheinlich ungeduldig darauf wartet, so schreibe ich Ihnen heute schon wieder.

Ich danke Ihnen dafür dass Sie den postillon d’amour (!) zwischen mir und Dodgson gemacht haben. Aus der Länge dieser Auseinandersetzungen werden Sie ersehen haben dass es sich um ein Finale handelte. |2| Leider hat mir inzwischen seine einstige Gouvernante Miss McVeigh Ferrar2 von Neuem geschrieben, und ich habe ihr aus Höflichkeit antworten müssen. Bitte ihm Nichts davon zu verrathen; am Liebsten wäre es mir wenn er von mir, und ich von ihm Nichts hörte – nur wenn er mich in irgend einer Zeitung und Zeitschrift angreifen sollte, wünschte ich das zu erfahren. Ich bin satt, übersatt von Dodgson, in jeder Art der Zubereitung, gekocht, gebraten, als Ragout.

Ihr anerkennendes Urtheil über unsere Ausgabe ist mir sehr werthvoll. Die Verhandlungen mit der Druckerei hat Pfarrer L.3 geführt – sie befindet sich in Jena, also nicht weit von ihm. Man hätte vielleicht noch Manches thun können (an ct, st4 hatte auch ich gedacht), aber das hätte den Druck sehr vertheuert. Mehr liegt mir, offengestanden, an der Beschleunigung des Drucks, und man hätte bei einer noch grösseren Druckerei in dieser Beziehung mehr erreichen können. Da jeder Bogen für sich gedruckt wird unabhängig von den andern, so liessen |3| sich, bei einer genügenden Anzahl von Setzern, verschiedene Partieen des Werkes zu gleicher Zeit in Angriff nehmen. Mit der Korrektur geht bei den Entfernungen viel Zeit verloren; und unsere Druckerei kann nicht den Druck von vielen Bogen stehen lassen. Dazu kommt noch dass ich während des Jahres öfter und auf längere Zeit verreise; das Original kann ich nicht gut mit mir führen – anderseits ist eine Durchsicht seitens zweier Personen absolut nothwendig[.] Zudem lebe ich stets in der Sorge dass mir das Leipziger Exemplar wieder abgenommen werde. Kurz, es ist vielerlei Sorge mit dieser Ausgabe verbunden. Ich hätte mir noch vor wenigen Jahren nicht träumen lassen, dass ich bei der Neuherausgabe des N.T. selbst betheiligt sein würde. Ich hoffte früher, die Académie des Inscr. et Belles-l. würde sich der Sache |4| annehmen, und ich habe auch einige Fühler in dieser Richtung ausgestreckt, indem ich zunächst an Sie, sodann auch – aber nicht als alleiniges Exekutivorgan – an Dodgson dachte (und dieser Narr bildet sich ein, er habe mir die Idee der reeditio suggerirt!); aber ich merkte dass dort, oder im Institut überhaupt keine rechte Stimmung dafür war – übrigens hätte ja d’Abbadie wenn er gewollt hätte, auf eigene Hand den Neudruck ins Leben rufen können.

Es freut mich dass Sie sich bereit erklären uns zu helfen. Pfarrer L. spricht sich in demselben Sinne aus: und schreibt mir, ich möge Sie bitten „den Kalender möglichst genau abschreiben und dieser Abschrift eine sorgfältige Durchsicht angedeihen zu lassen“. Ich setze hinzu dass Sie dabei die Ihnen nun bekannten Prinzipien (Seite für Seite, Zeile für Zeile, u.s.w.) in Anwendung zu bringen hätten und dass die Kosten |5| für die Abschrift, falls Sie einen Schreiber damit betrauen, von uns bestritten werden würden. Die Korrektur würden Sie dann vornehmen – womöglich eine doppelte. Das übrige Beiwerk ist ja in dem Stuttgarter, dem Berner u.a. Exemplaren, da käme es nur auf die Mittheilung der Varianten an, um die wir Sie auch angehen müssten. Sie sprechen übrigens jetzt von 4 bekannten Exemplaren, in Ihrer Bibliographie nur von 3; wer besitzt das vierte?

Über die Länge der Einleitung oder Einleitungen ist noch gar nichts bestimmt; das hängt zum grossen Theil vom Kostenpunkt ab. Ihre Note wäre da sehr am Platze, aber sie ist sehr ausgedehnt. Nun qui vivra, verra. Zu S. 7, Z. 2 Ihrer Bibl. bemerke ich dass ich statt 66: 77 gefunden habe: 67: 78; Z. 7 lies bnedicatua für bndicatua.

Mit besten Grüssen

Ihr ergebenster

H. Schuchardt


1 Von Vinson handschriftlich hinzugefügt: “rép.”.

2 Von diesen Schreiben findet sich im Nachlass keine Spur.

3 Theodor Linschmann, der Mitherausgeber.

4 Beide mir zusätzlichen Ligaturen im Original.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung von: Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia) (Sig. HSJV13)