Hugo Schuchardt an Julien Vinson (28-HSJV11)

von Hugo Schuchardt

an Julien Vinson

Graz

20. 11. 1897

language Deutsch

Schlagwörter: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien)language Baskisch Dodgson, Edward Spencer Linschmann, Th. Leizarraga, Joanes

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julien Vinson (28-HSJV11). Graz, 20. 11. 1897. Hrsg. von Bernhard Hurch (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.10106, abgerufen am 24. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.10106.


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Graz 20 Nov. 97.1

Hochgeehrter Herr Kollege,

Ich theile Ihnen mit dass ich jeden Verkehr mit Herrn Dodgson abgebrochen habe.2 Als er vor einiger Zeit von mir erfuhr dass Pfarrer Linschmann und ich das N.T. von 1571 facsimile-artig, also mit allen Druckfehlern wieder abzudrucken begonnen hätten, schrieb er mir, das dürfe nicht sein: I warn you; als ich ihn bat mir seine Gründe anzugeben, begnügte er sich mit einer einfachen Wiederholung dieses I warn you, und schickte zugleich an den Generalsekretär unserer |2|Akademie der Wissenschaften eine lächerliche Korrespondenzkarte, in welcher er vorgibt, dass ich auf seine Anregung hin den Neudruck Liçarragues in Angriff genommen habe und welche mit den Worten schliesst:

But I must warn you that a grave mistake will be made if you allow him to carry out his intention of reproducing all the misprints of the original edition. These are very numerous as I could demonstrate to you or to him [als ob ich die Druckfehler nicht selbst wahrnähme]. Reverence for Leiçarraga, for the Basque language, for the New Testament, |3| for scientific truth & for posterity compels me to implore your honoured Academy not to permit this disastrous plan. [Die Akademie hat mir nämlich in diesem Sommer die Mittel zur Herausgabe des N.T. bewilligt]. 3

Ich bedaure sehr dass als ich vor Jahren die Korrespondenz mit Dodgson abgebrochen hatte, sie auf sein Drängen doch wieder aufgenommen habe. Er verdächtigte und beschimpfte damals so ziemlich Alle die sich für das Baskische interessirten; ich erklärte ihm, ich wünschte nicht in dieser Weise über Leute reden zu hören mit denen ich in gutem Einvernehmen stünde, |4| und müsste überdies glauben dass er Andern gegenüber über mich sich in entsprechender Weise äusserte. Neuerdings ist er wiederum in diesen Fehler verfallen, und ich habe, obwohl er mir dabei zu schmeicheln suchte, mir das ernstlich verbeten. Wenn ich Dodgsons Briefe an mich mit gleicher Indiskretion benutzen wollte wie er die meinigen an ihn, so würden recht hübsche Ueberraschungen heraus kommen. Ich bin, nachdem ich so lange, grossentheils wider Willen mit ihm im Briefwechsel gestanden bin, zur Ueberzeugung gelangt, dass es ein gemeinschädlicher Mensch ist.4

Mit besten Grüssen

Ihr ergebenster

H Schuchardt


1 Handschriftlich von Vinson hinzugefügt: “rép.”

2 Dies passiert im Brief HSA 239-70.

3 Die eckigen Klammern dieses Absatzes finden sich im Original. Es sind Zusätze Schuchardts zum Text von Dodgson. Der Brief Dodgsons an den Generalsekretär der Akademie findet sich im HSA unter 236-02590.

4 Der Briefwechsel zwischen Schuchardt und Dodgson ist sehr umfangreich, er umfasst insgesamt 225 Schreiben. Der Kontakt ist, wie der briefliche Kontakt von Dodgson mit anderen Baskologen sehr konfliktreich, und Schuchardt ist nicht der einzige, der den Briefwechsel einstellt. Das Verhältnis zwischen Dodgson und Vinson ist mindestens ebenso problematisch.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung von: Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia) (Sig. HSJV11)