Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (125-s.n.)
von Hugo Schuchardt
12. 02. 1911
Deutsch
Schlagwörter: Revue internationale des études basques Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung (Kuhns Zeitschrift) Französisch Finnisch Baskisch Deutsch Romanische Sprachen Spanisch Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Menéndez Pelayo, Marcelino Charencey, Hyacinthe de Eys, Willem Jan van
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (125-s.n.). Graz, 12. 02. 1911. Hrsg. von Bernhard Hurch und Maria José Kerejeta (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1004, abgerufen am 17. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1004.
Graz 12. 2. '11
Hochgeehrter Freund.
Mit dem gestern eingetroffenen Heft der Rev. habe ich mich sofort beschäftigt und diese Beschäftigung hat mich in der Influenza, an der ich gerade leide, angenehm zerstreut.
Vor allem hat mich natürlich das Lelo-lied interessiert. Daß Sie bei dieser Gelegenheit sich auch über Gutmans Phantasieen ausgesprochen haben, ist sehr zweckdienlich.1Er mag ja wirklich sein, was sein Name besagt, ein guter Mann [warum schreibt er sich auf französischGoutman? soll ich mich etwa Choukhart schreiben?], aber er ist ein “schlechter Musikant”, ohne Methode und Kritik, der nun überall hier seine finnisch=baskischen Eier zu legen bemüht ist. Ich habe vor kurzem an die Zeitschr. für vergl. Sprachf. die Berichtigung eines Artikels von ihm eingeschickt, in welchem er finnische, baskische, deutsche und romanische Wörter durcheinander wirft.
Sollte das was dem Liede vorauf geht und folgt, nicht zur Erklärung desselben herangezogen werden können? Mir freilich ist der Sinn von Peruchos Worten nicht völlig klar, z.B. was ist “que amo ronda amigas“? Handelt es sich um rondas en las cuales se cantan las amigas? Und Sigeril, versteht er denn den Perucho? Was meint er mit den Worten: "no dexaré de responder a algunos vocablos comunes que en bizcuence1) [1)Kommt dieses Mischwort (bizcaino + vascuence) sonst vor?] dice"? Wenn er von Perucho sagt: "dize estar desesperado, so bezieht sich das meines Erachtens nicht, wie Sie meinen (S.578) auf das Lied (y penas...) |2|sondern auf Peruchos Klagen über seinen Dienst. Es scheint mir nun aber zweierlei festzustehen
1) daß in dem Liede spanische Wörter (die sonst im Bask. nicht üblich sind) eingemengt sind, und
2) daß wenn darin von einem Sperber (gavilán), einer Taube und dem Kummer (penas) der Liebenden die Rede ist, wir dieses auf den in den Liedern aller Völker vorkommenden Vergleich der Geliebten mit einer Taube die von einem Raubvogel entführt worden ist, beziehen müssen.
Ich nehme daher keinen Anstand astor mit dem span. aztor (nicht bloß im Soul. ist aiztore bekannt; Axular hat aztore; und das Verb: astoratu, aztoratu ist guip.) zu identifizieren. Dazu kommt der deutliche Parallelismus zwischen V. 5 und 8
ay joat gauiraya]
astor usua
[ayt joat gauiraya]
azto biçarra
Aztor und azto würden sich verhalten wie hirur und hiru, barur und baru usw. (vor Vokal bleibt r, vor Konsonant fällt er ab). Biçarra wäre das spanische, nicht das bask. Wort, also kein ungeeignetes Beiwort für einen Sperber oder Falken. Usu = bizk. us̃u|3|(s. Azkue). Dadurch würde auch esso im Sinne von uso "Taube" weniger unwahrscheinlich. Aber nach dem was ich angenommen habe, müßten wir nun erwarten: “[es ist fortgegangen der Sperber, der Falke] mit der Taube". Davon ist nichts zu finden: amorari läßt sich nicht in amorahi verbessern. Ebensowenig ist Hoffnung das joat mit dem joan No4 bei Azkue = " llevar" zusammenzubringen, ganz abgesehen davon daß es dann gabiraya-c usw. heißen müßte. Übrigens, ist amorari im Sinne von amorosa unbedenklich? Könnte man es nicht irgendwie als Dativ fassen?2
Nicht verständlich ist mir was Sie über F im V.12 sagen. Es steht ja, dem Facsimile zufolge, gar nicht f, sondern j im Texte.
jator ganz wie vorher trabajo und gajona.3Hat Sie die Umschrift von Menéndez y Pelayo irregeführt?
Wegen zoegia = " prudente" möchte ich bemerken daß Azkue zogi hat, und das e sich schwer erklären läßt. Vgl.
zogi [tepe] - prudente
zohi [tepe] - maduro
zoli - maduro, agil, perspicaz
zor(h)i [tepe] - maduro.
|4|Dürfte man an ein zo-egi (zu klug, reif) denken, oder an niedernav. sohegia, "die Klugheit"? "Ich war die Klugheit selbst"? Aber dieses Wort scheint jenseits der Pyrenäen nicht vorzukommen.
Ein wenig aus Langeweile habe ich S. 55-76 von Axular, mit der zweiten Ausgabe verglichen, und teile Ihnen das Ergebnis mit, vielleicht daß es irgend eine Anregung gewährt.
Verbesserungen in 2. | Verschlechterungen in 2 |
55 epiʃtol. [c] | gutças [z] |
oagui [n] | |
56 garcel [le] | eriotcera [he] |
lehenbicioco [ci] | |
p. 57 baitcioen erratentcioëla [fehlt]> | ∫inac [fi] |
lartu [r] | |
p. 58 | etsicen [tc] |
p. 59 garcela [le] | pia [b] |
Baba [d] | |
babillan [d] | |
hanhitz [a] | |
p. 60 baiño [fi] | aitcinera [at] |
p. 61 biotan [a] | estugula [z] |
p. 62 | hogor [y] |
p. 63 defectus [ff] | haitce [ah] |
p. 64 etçarete [r] | huzʃesco [t] |
p. 65 | icuʃʃiz [cc] |
p. 67 baiña [fi] | |
p. 68 arteiño [fi] | |
eguiteric [t] | |
p. 69 ventura [r] | ceraneçan [ u] |
aitcinera [at] | |
p. 70 mehatchat [i] | çaincanz [i] |
venturaz [s] | alatan [ha] |
p. 71 | eztella [l] |
hirrurgaren [r - rr] | |
p. 72 | parabisuoren [a] |
orhitcen [hoi] | |
bertea [tc] | |
|5| | |
p. 73 | guitenean [ti] |
p. 74 | guerhatcen[th] |
duditatio [b] | |
dioatçula [ho] | |
eduquiceco [te] | |
p. 76 beccaturic [tuta] | repeten [nt] |
eguenean [u] | |
ditchireac [ch] |
Also mindestens doppelt so viele Verschlechterungen als Verbesserungen in 2! Verschiedenes von Obigem (wie garcel, -le - la oder -at, -a) müßte erst durch das ganze Buch hin untersucht werden um feststellen zu können was als das Richtige anzusehen ist. Manche Druckfehler sind beiden Ausgaben gemeinsam, so estaquigu S. 58 und gleich drei dicht nebeneinander S. 70: gustia, penitenciatam, gustiac. Da die Setzer von 1 Mangel an ç und ñ hatten, so wurden ę und fi ausgefeilt: ? und ?, um auszuhelfen; aber beide, besonders das letztere haben manchmal die alte Gestalt ganz oder fast ganz bewahrt.
Über Charenceys Etymologieen4wäre viel zu sagen; aber den alten Herrn, er ist gerade ein Jahrzehnt älter als ich, will ich nicht kränken, es würde auch nichts nützen. Er hat sich zeitlebens mit dem Baskischen abgegeben ohne sich darum zu kümmern was andere zu seinen Studien sagen. Freilich hat er manche Leute z.B. den G[o]utman auf dem Gewissen. Nur einen Irrtum, der aber im Grunde auf die Rechnung von Van Eys kommt, sollte in der RIB berichtigt werden: embor, ampor, “ivrogne” (S. 509). So hat Van Eys, |6|aber er setzt hinzu: "syn. de moskor". Moskor bedeutet aber nicht nur "ivrogne", sondern auch "cime d'arbre", und in dieser zweiten Bedeutung stimmt ambor, ampor mit moskor überein. Azkue kennt das Wort nur in dieser letzteren: "tronco".5
Ich habe auch den Aufsatz über V. de Olano6gelesen, und die Bruchstücke seiner Rede haben sogar bei mir einen sympathischen Wiederhall gefunden.
Mit herzlichem Gruß
Ihr
HSch.
1 J. de U. (1910a) , en las pp. 582-586 de „La Tercera Celestina y el Canto de Lelo“, critica algunas ideas expresadas por R. Gutman en „Lelo“ en RIEV 4 (1910): 305-318 .
2 V. comentario a todas estas cuestiones en Michelena 1964a: 104s.
3 Estas tres palabras están en el original en negrita e intentando imitar la letra gótica.
4 C. Charencey, „Etymologies euskariennes“, RIEV 4 (1910): 504-513.
5 J. de U. transcribe literalmente esta rectificación a Charencey en una nota „A proposito de una etimología“ ( J. de U. 1911b: 160 ).
6 C. Echegaray, „D. Valentín de Olano. Rectificaciones necesarias“, RIEV 4 (1910): 485-503.
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Koldo Mitxelena Kulturunea - Liburutegia (Fondo Urquijo). (Sig. s.n.)