Onlineportal Alte Geschichte und Altertumskunde

PDF« zurück

Diod. 9 frg. 36,2-3

TitelBiblioteke
AutorDiodorus Siculus
Zeitangabe1. Jh.v.Chr.
Originaltext Ὅτι Λακεδαιμόνιοι τὴν Ἀρκαδίαν μέλλοντες καταστρέφειν ἔλαβον χρησμόν,   Ἀρκαδίαν μ’ αἰτεῖς; μέγα μ’ αἰτεῖς· οὔ τοι δώσω.   πολλοὶ ἐν Ἀρκαδίᾳ βαλανηφάγοι ἄνδρες ἔασιν,   οἵ σ’ ἀποκωλύσουσιν· ἐγὼ δέ τοι οὔτι μεγαίρω.   δώσω σοι Τεγέαν ποσσίκροτον ὀρχήσασθαι   καὶ καλὸν πεδίον σχοίνῳ διαμετρήσασθαι. Ὅτι οἱ Λακεδαιμόνιοι ἔπεμψαν εἰς Δελφοὺς περὶ τῶν ὀστέων Ὀρέστου τοῦ Ἀγαμέμνονος, ἐν ποίῳ τινὶ τόπῳ κεῖνται. καὶ ἔχρησεν οὕτως,   ἔστι τις Ἀρκαδίας Τεγέη λευρῷ ἐνὶ χώρῳ,   ἔνθ’ ἄνεμοι πνείουσι δύω κρατερῆς ὑπ’ ἀνάγκης   καὶ τύπος ἀντίτυπος καὶ πῆμ’ ἐπὶ πήματι κεῖται.   ἔνθ’ Ἀγαμεμνονίδην κατέχει φυσίζοος αἶα·   τὸν σὺ κομισσάμενος Τεγέης ἐπιτάρροθος ἔσσῃ. ἦν δὲ χαλκεῖον, καὶ δηλοῖ τὰς φύσας, τύπον δὲ τὸν ἄκμονά φησι καὶ τὰς σφύρας, πῆμα δὲ ἐπὶ πήματι τὸν σίδηρον ἐπὶ σιδήρῳ· πῆμα γὰρ εἴρηται διὰ τὸ ἐπὶ κακῷ τῶν ἀνθρώπων εὑρῆσθαι.
Quelle F. Vogel (nach I. Bekker, L. Dindorf), Diodori bibliotheca historica, Bd. 2, Buch V-XII.
Übersetzung Als die Lakedaimonier Arkadien unterwerfen wollten, empfingen sie den Orakelspruch: „Ist Arkadien dein Wunsch? Ein großes Verlangen, doch muß ich Dir es versagen. Dort wohnen viel eichelverzehrende Männer; Diese halten dich ab, aber ich will dir nichts missgönnen: Und seine herrliche Flur, die sollst du mit Seilen vermessen.“ Die Lakedaimonier schickten Gesandte nach Delphi, um nach dem Platze zu forschen, wo die Gebeine des Orestes, des Sohnes Agamemnons, ihre Ruhestätte hätten. Und das Orakel gab folgende Antwort: „Liegt ein gewisses Tegea im weiten Gefilde Arkadiens, Wo unter heftigem Zwang erbrausten doppelte Winde, Schlag erfolgt dort auf Schlag und Leiden häuft sich auf Leiden; Hier hält die nährende Erde den Sohn Agamemnons umschlungen. Hol’ ihn von dort zu dir und du wirst Tegea beherrschen!“ Es war eine Schmiede (auf die hier Bezug genommen wird), und das Orakel meint (mit den Winden) die Blasebälge, bezeichnet mir dem „Schlag“ den Amboß und die Hämmer und mit „Leid auf Leid“ das Eisen auf Eisen; denn Eisen heißt „Leid“, weil es zum Übel der Menschheit entdeckt worden ist.
Quelle der ÜbersetzungG. Wirth, O. Veh, Diodoros: Griechische Weltgeschichte, Bd. 1/II, Buch I-X.
Kommentar IDieses Diodor-Fragment hat den Orakelspruch der Pythia anlässlich der Anfrage der Lakedaimonier bezüglich der Eroberung Arkadiens zum Inhalt. Das Orakel von Delphi rät ihnen, die Gebeine des Orestes nach Sparta zu holen und gibt diese verschlüsselte Ortsangabe, die sich auf eine Schmiede in Tegea bezieht. Die Überführung der Überreste geschieht zur Beistandssicherung des Heroen aber auch zur Legitimation der Suprematieansprüche der Spartaner auf der Peloponnes. Mit Hilfe der Gebeine dieses Heros stellt Sparta die dorische Abstammung seiner Bewohner in den Hintergrund und strebt eine Verbindung zur königlichen Dynastie von Mykene an, welche in mythischer Zeit die Peloponnes regiert hat (vgl. Hdt. 1,67,2-3; E. Baltrusch, Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, 44). Denselben Zweck verfolgt wohl auch die Aussage des Kleomenes auf der Akropolis, als er sein Dorertum verneint und sich als Achaier bezeichnet (Hdt. 5,72,3-4). Ein weiteres prominentes Beispiel stellt die Überführung der Gebeine des Theseus unter Kimon dar (vgl. Plut. Kim. 8,3-5; Aristot. frg. 8,611,1), die zur Legitimation der Suprematieansprüche Athens im Ersten Attisch-Delischen Seebund dienen (vgl. J. von Ungern-Sternberg, Das Grab des Theseus und andere Gräber, in: W. Schuller (Hrsg.), Antike in der Moderne, 325).
BelegstellenHdt. 1,67,2-3; Hdt. 5,72,3-4; Aristot. Frg. 8,611,1 (Rose) bei Herkleid. Lemb. 1 (=FGrH 2 F 167)
SchlagwortHerrschaftslegitimation, Orakel
Geographische ZuordnungArkadien
Ethnische GruppenArkader
BearbeiterInAnna Trattner-Handy
Permalinkhttps://gams.uni-graz.at/o:ethnos.150