Übersetzung |
Die Trachinier hatten mit ihren Nachbarn, den Oitaiern, viele Jahre hindurch im Krieg gelegen und dadurch die Mehrzahl ihrer Bürger verloren. Da ihre Stadt verödet war, hielten sie es für angebracht, daß die Lakedaimonier als Kolonisten von Trachis sich der Stadt annähmen. Und sowohl wegen ihrer Verwandtschaft als auch wegen der Tatsache, daß Herakles, ihr Urahn, sich in alten Zeiten zu Trachis aufgehalten hatte, beschlossen diese, den Ort zu einer großen Stadt zu entwickeln.
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Kommentar |
Diodor beschreibt hier die Gründung von Herakleia Trachinia durch die Spartaner im Jahr 426/425 v.Chr. Die Trachinier sind Dorer und Malier, auf erstere dürfte die hier erwähnte Verwandtschaft mit den Lakedaimoniern bezogen sein. Weiters wird die Abstammung der Lakedaimonier von den Herakliden betont, welche erstere abermals mit Trachis verbindet: Herakles findet nach seiner Flucht aus Kalydon Aufnahme bei dem trachinischen König Keyx, der auch den Nachkommen des Heros Aufnahme gewährt, sie jedoch aufgrund der Bedrohung durch den übermächtigen Eurystheus ziehen lassen muss (vgl. Diod. 4,57,2-4).
Ein Teil der Neusiedler von Herakleia kommt aus Lakedaimon und der Peloponnes, die restlichen werden lediglich als Hellenen bezeichnet (Diod. 12,59,4), nach Thukydides (3,92) sind Ionier und Achaier jedoch ausgeschlossen. Diese Stelle zeigt die Bedeutung von ethnischer Zugehörigkeit in der Realpolitik im Rahmen einer Koloniegründung, da zum einen vor allem Dorer die Bürgerschaft ausmachen sollen, zum anderen Achaier und Ionier explizit ausgeschlossen sind. Letzteres erklärt sich vermutlich durch die Entstehungszeit der Stadt, dem Peloponnesischen Krieg – Thuk. 3,92 erwähnt auch die taktischen Vorteile für Sparta durch die Anlage von Herakleia.
In diesem Krieg spielt Stammeszugehörigkeit in der Argumentation der Konfliktparteien und ihrer Verbündeten immer wieder eine Rolle. Vor allem bei seinen Beschreibungen der Ereignisse vor und während der Sizilianischen Expedition (Buch 6 und 7) spricht Thukydides immer wieder von der Instrumentalisierung von Stammverwandtschaft bei Ioniern/Athenern (vgl. 6,6,1-2; 9,1; 46,2; 50,4; 82,2-3; 84,2-3) wie Dorern/Lakedaimoniern (vgl. 3,86,2; 4,64,3-5; 61,2-4; 6,6,2; 76,2-4; 80,3; 7,5,4; 57,1-58,3), was vor allem in Reden der Protagonisten Ausdruck findet.
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