Historischer Kontext Lisa Brunner Datenmodellierung Carina Koch Universität Salzburg, Kultur- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät, Fachbereich Geschichte Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY 4.0 2019 o:dipko.hbg Die Medialität diplomatischer Kommunikation: Habsburgische Gesandte in Konstantinopel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Projektleitung Arno Strohmeyer

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Habsburgisch-osmanisches Konfliktmanagement im 17. Jahrhundert Von Lisa Brunner

Von Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die 1660er Jahre hinein herrschte zwischen dem Habsburgerreich und dem Osmanischen Reich eine relative Friedensperiode, die in erster Linie durch kleinere Überfälle im ungarischen Grenzgebiet gestört wurde. Diese Friedenszeit fußte zum einen in den diplomatischen Bemühungen beider Großreiche, zum anderen in den innen- und außenpolitischen Rahmenbedingungen, welche jedoch erhebliche Aufmerksamkeit beanspruchten. Vgl. Arno STROHMEYER, Kategorisierungsleistungen und Denkschemata in diplomatischer Kommunikation: Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiserlicher Resident an der Hohen Pforte (1629–1643), in: Gunda Barth-Scalmani / Harriet Rudolph / Christian Steppan, Hg., Politische Kommunikation zwischen Imperien. Der diplomatische Aktionsraum Südost- und Osteuropa, Innsbruck 2013, 21–29, hier 23.

Die vorliegende Edition thematisiert also jenen Zeitraum relativen Friedens zwischen beiden Großreichen. Eine zentrale Figur in den zwischenstaatlichen Friedensbemühungen stellte dabei der erfahrene Diplomat Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn dar, der in den Jahren 1629–1643 das Amt des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel bekleidete und 1649 abermals als Internuntius Vgl. hierzu weiterführend: Lisa BRUNNER, Die Internuntiatur des Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn 1649. Historisch-kritische Edition des Geheimberichts und der Finalrelation, phil. Masterarbeit, Universität Salzburg 2019. sowie 1650/51 als Großbotschafter an die Hohe Pforte reiste. Vgl. Ernst Dieter PETRITSCH, Dissimulieren in den habsburgisch-osmanischen Friedens- und Waffenstillstandsverträgen (16.–17. Jahrhundert): Differenzen und Divergenzen, in: Arno Strohmeyer / Norbert Spannenberger, Hg., Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2013, 145–161, hier 156; Adam WANDRUSZKA, Das Haus Österreich und die Osmanen im 17. Jahrhundert, in: Otto Kresten / Adam Wandruszka, Hg., Römische Historische Mitteilungen, 26. Heft, Wien 1984, 243–251, hier 246. Im Fokus dieser Edition steht die Zeit der Internuntiatur im Jahr 1649, die durch einen umfassenden Quellenfundus in ihrer Medialität genau nachgezeichnet werden kann, einerseits durch den erhalten gebliebenen Reisebericht des für die Gesandtschaft beauftragten Wagen- und Küchenschreibers Johann Georg Metzger Johann Georg METZGER, Itinerarium oder rayss beschreibung von Wien in Österreich nach Constantinopel. Darinnen werden beschriben die durchgerayste länder, stätt, vestungen schlößer, märck unnd dörffer unnd deren inwohnenden völckher, arth unnd tracht, auch die audientzen, visitationes der pottschafter sambt anderen vihlen denckhwürdigen sachen. In drey underschidliche thail außgethailt unnd mit etlichen abgerißnen figuren geziert, beschriben und zusammengetragen durch Johann Georg Metzger auß dem Breyßgaw, iuris urtiusque studiosum, anno salutis 1650, Wien, 20.03.1650, Schlossarchiv Stiebar [SSt] der Familie Seefried, Gresten / Niederösterreich [NÖ], [keine Signatur]. Weiterführende Informationen über den Reisebericht und seinen Verfasser liefert der folgende Projekteinleitungstext der Homepage: Anna HUEMER, „Von Wien in Österreich nach Constantinopel.“ Das Reisediarium Johann Georg Metzgers aus dem Jahr 1650. Eine Einleitung, in: Arno Strohmeyer / Georg Vogeler, Hg., Quellen zur habsburgisch-osmanischen Diplomatie in der Neuzeit. Die Internuntiatur des Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1649): Reisebericht, Instruktionen, Korrespondenz, Berichte, Salzburg / Graz 2019, online unter: http://gams.uni-graz.at/dipko (12.2019). , andererseits durch die Berichte Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III., Geheimer Bericht, Wien, 11.10.1649, Österreichisches Staatsarchiv [ÖStA], Haus- Hof- und Staatsarchiv [HHStA], Staatenabteilung [StAbt] Türkei I, Karton [Kt.] 121/2, fol. 28r–64v sowie Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III., Finalrelation, Wien, 24.10.1649, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 121/2, fol. 112r–194v. und Briefe Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III. im Jahr 1649, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 121/1. des Internuntius selbst sowie seine vom Kaiser ausgestellten Instruktionen. Instruktion für Schmid, Wien, 17.12.1648, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 120/2, 267r–269v sowie Nebeninstruktion für Schmid, Wien, 17.12.1648, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 120/2, 270r–271r.

Es erscheint zunächst sinnvoll, die Internuntiatur in einen größeren historischen Kontext zu setzen, dabei soll auf die grundsätzlichen Friedensbestrebungen zwischen Habsburgern und Osmanen eingegangen und die Diplomatie als wichtiges Grundelement der Friedensfindung beleuchtet werden. Anschließend stellt ein kurzer historischer Abriss bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts grundlegende Informationen über die habsburgisch-osmanischen Beziehungen bereit, die auch die genauen Hintergründe der Gesandtschaft umreißen.

Wege zum Frieden – Diplomaten als Akteure der Friedensfindung

Obgleich die Beziehungen zum Osmanischen Reich von zahlreichen Gegensätzen geprägt waren, die mitunter in militärischen Auseinandersetzungen kulminierten, war das habsburgisch-osmanische Konfliktmanagement ebenso von einem intensiven Streben nach Frieden geprägt; dies spiegelt sich in den zahlreichen Waffenstillstandsverträgen wider. Zwischen 1526 und 1792 gab es acht größere Türkenkriege und mehr als 65 Friedensvereinbarungen zwischen Habsburgern und Osmanen. Vgl. Arno STROHMEYER, Die habsburgisch-osmanische Freundschaft (16.–18. Jahrhundert), in: Arno Strohmeyer / Norbert Spannenberger, Hg., Frieden und Konfliktmanagement in interkulturellen Räumen. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2013, 223–238, hier 223. Im neuzeitlich-christlichen Verständnis galt die Friedensstiftung als biblische Weisung und zählte somit zum Aufgabenbereich der christlichen Herrscher. Der Friede unter christlichen Souveränen wurde dabei grundsätzlich als Normalität angesehen. Diese Maxime galt allerdings keineswegs gegenüber nicht-christlichen Fürsten. Eine dauerhafte Einigung zwischen christlichen und insbesondere muslimischen Herrschern war demnach unmöglich, sondern lediglich zeitlich befristete Waffenstillstandsverträge, da ein „echter“ Friede auch immer eine religiöse Einheit voraussetzte. Von Seiten der Osmanen konnte es mit Angehörigen einer anderen Glaubensrichtung ebenso keinen „echten“ Frieden geben. Zudem prägte lange Zeit die islamische Rechtsauffassung maßgeblich die Ausgestaltung der Verträge, da in ihr zwischen dem sogenannten Haus des Islam (Dār al-Islām), als Haus des Friedens, und dem Haus des Krieges (Dār al-Ḥarb), also den nicht-muslimischen Ländern, unterschieden wurde. Vgl. Christoph KAMPMANN, Friede, in: Friedrich Jaeger u. a., Hg., Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 4: Friede–Gutsherrschaft, Stuttgart / Weimar 2006, 1–21, hier 3–5. Die geschlossenen Abkommen mit dem Osmanischen Reich symbolisierten aus osmanischer Sicht überdies die Unterwerfung des christlichen Herrschers unter den Machtbereich des Islam. Dieses Verständnis und die zeitliche Befristung der Verträge hielten sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Bereits im 17. Jahrhundert fanden mit dem Frieden von Zsitvatorok (1606) indessen einige Änderungen bezüglich der Ausverhandlung statt. Vgl. PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 146. Die genauen Änderungen, die der Friede von Zsitvatorok mit sich zog, werden im nachfolgenden Kapitel weiter ausgeführt.

Eine wichtige Form der Konfliktlösung bildete die Diplomatie, welche seit dem 16. Jahrhundert von habsburgischer Seite in Konstantinopel von großer Bedeutung war. Eine dauerhafte Vertretung durch Gesandte in einem anderen Land kann als spezifisch europäisches Phänomen gesehen werden, das sich ausgehend von Italien in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwickelte. Vgl. Arno STROHMEYER, Das Osmanische Reich – ein Teil des europäischen Staatensystems der Frühen Neuzeit?, in: Marlene Kurz u. a., Hg., Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien 22.–25. September 2004, Wien / München 2005, 149–164, hier 152. Durch eine Intensivierung der Kriege steigerten sich mit Beginn der Neuzeit das Informationsbedürfnis sowie die Bündnis- und Friedenspolitik, was zum Ausbau zwischenstaatlicher Beziehungen führte. Die diplomatischen Kontakte europäischer Mächte zum Osmanischen Reich starteten wegen der ständig anwachsenden „Türkengefahr“ relativ früh im 15. und 16. Jahrhundert. Jene intensive Form des diplomatischen Konfliktmanagements blieb jedoch lange Zeit asymmetrisch, da religiöse Vorbehalte und Hegemonialansprüche die Einrichtung osmanischer Botschaften bei christlichen Herrschern erschwerten. Vgl. Anuschka TISCHER, Diplomatie, in: Friedrich Jaeger u. a., Hg., Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 2: Beobachtung–Dürre, Stuttgart / Weimar 2005, 1028–1041, hier 1029.

In der Stadt Konstantinopel, die als „Hotspot“ europäischer Diplomatie galt, differenzierten sich bald unterschiedliche Formen diplomatischer Kommunikation aus. Es waren Residenten verschiedenster Herrscher anwesend, Internuntien, Botschafter, Großbotschafter, Dolmetscher oder auch Spione sowie Personal für den ständigen Briefverkehr zu den europäischen Fürstenhöfen. Vgl. Gábor ÁGOSTON, The Ottoman Empire and Europe, in: The Oxford Handbook of Early Modern European History 1350–1750, Oxford University Press 2 (2015), 612–637, hier 627. Die Aufgaben der genannten Personengruppen waren breit gefächert und nicht nur politischer Natur. Den Abgesandten oblagen auch die Vertretung von Handelsinteressen, die Informationsbeschaffung und Agentendienste, je nach deren Stellung im diplomatischen Gefüge. Vgl. Arno STROHMEYER, Die Habsburger Reiche 1555–1740: Herrschaft–Gesellschaft–Politik, Darmstadt 2012, 102. Da Diplomaten aber grundsätzlich lange Zeit keinen eigenen Berufszweig darstellten, dauerte ihre Professionalisierung und Institutionalisierung verhältnismäßig lange. Vgl. TISCHER, Diplomatie, 1031 f.

Residenten gehörten in der diplomatischen Hierarchie zur niedrigsten Stufe; zu ihren Hauptaufgaben zählten etwa die Sammlung von Informationen, die Vertretung politischer und wirtschaftlicher Interessen, die Abwicklung des finanziellen Zahlungsverkehrs oder auch seltener die Verhandlungsführung. Der mittleren Stufe gehörten die sogenannten Internuntien an, die beispielsweise den Wechsel eines Herrschers bekannt gaben, die Beglückwünschungen bei einem Thronwechsel überbrachten oder auch die zu ratifizierenden Waffenstillstandsverträge bei sich trugen. Die ranghöchste Diplomatengruppe bildeten die Großbotschafter, sie vertraten die Person ihres Herrschers im Gastland – erfüllten also höchste Repräsentationszwecke – und überbrachten die ratifizierte Friedensurkunde feierlich. Im Verlauf der wechselseitigen Entsendung von Großbotschaften versuchten Habsburger und Osmanen immer wieder, sich an Pracht, Ausstattung und Aufwand zu übertrumpfen, da das Zeremoniell eine bestimmte Über- oder Unterlegenheit der jeweiligen Großmacht abbilden konnte. Vgl. Peter MEIENBERGER, Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn als kaiserlicher Resident in Konstantinopel in den Jahren 1629–1643. Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1973, 34 f.; PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 151; TISCHER, Diplomatie, 1038 f.

Die frühneuzeitliche Diplomatie erreichte im 17. Jahrhundert einen Höhepunkt und legte zugleich den Grundstock für moderne Instrumente und Methoden zwischenstaatlicher Friedensstiftung. Vgl. KAMPMANN, Friede, 12. Ihr darf dementsprechend im Bereich des habsburgisch-osmanischen Konfliktmanagements ein wesentlicher Beitrag zur Friedensfindung beigemessen werden, welche durch gut funktionierende Netzwerke und Verhandlungen oftmals militärische und politische Schwächen in der Rivalität des Kaisers und des Sultans ausgleichen konnte. Das Forschungsprojekt verdeutlicht diesen Umstand und ermöglicht angesichts der vorhandenen Quellenvielfalt einen umfassenden Einblick in die frühneuzeitliche Diplomatie sowie den zeitgenössischen Informations- und Wissenstransfer.

Das 17. Jahrhundert als Wendepunkt habsburgisch-osmanischer Beziehungen

Ausgehend von der Expansion des Osmanischen Reiches ab dem frühen 14. Jahrhundert wuchs die Angst vor den Türken in etlichen Teilen Europas stetig an und machte somit auch die Unterhaltung diplomatischer Beziehungen zu dieser – aus europäischer Sicht – fremdartigen Macht notwendig. Vgl. STROHMEYER, Freundschaft, 225. Erste diplomatische Kontakte zwischen dem Habsburger Reich und den Osmanen ergaben sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts durch osmanische Einfälle in Südosteuropa, also in Nachbargebiete, die unmittelbar unter dem Einflussbereich der Habsburger standen. Das Konfliktpotenzial war dabei vielgestaltiger Natur und umfasste den Weltherrschaftsanspruch beider Souveräne, Religionsgegensätze, divergente ökonomische Ziele, Feindbilder und das Überlegenheitsgefühl gegenüber der jeweils anderen Kultur. Vgl. STROHMEYER, Habsburger Reiche, 94. Die erste Epoche der Türkenkriege, und damit der eigentlichen Konfliktzeit beider Reiche, begann jedoch im 16. Jahrhundert mit den Angriffen der Osmanen im ungarischen Raum und endete nach der Schlacht von Mohács (1526) mit der Dreiteilung Ungarns 1540. Den Habsburgern blieben lediglich Gebiete in Oberungarn, die ungarische Tiefebene fiel an das Osmanische Reich und Siebenbürgen konnte sich als eigenständiges, jedoch von den Osmanen beeinflusstes Fürstentum behaupten. Mit Ungarn verloren die Habsburger ihren Pufferstaat zum Osmanischen Reich; ebendiese Entwicklung machte die verfeindeten Großreiche zu Nachbarn. Vgl. Karl VOCELKA, Die kaiserlichen Erblande. Erblande gegen Erbfeinde. Die österreichischen Länder und das Osmanische Reich in der Frühen Neuzeit, in: Gabriele Haug-Moritz / Ludolf Pelizaeus, Hg., Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, Münster 2010, 41–54, hier 43 f. Die Intensivierung der diplomatischen Beziehungen wurde dadurch unabdingbar und führte dazu, dass das Habsburger Reich ab 1547 durch ständige Vertreter an der Hohen Pforte präsent war. Zudem mussten Sonderbotschaften den seit 1545 zu entrichtenden Tribut und Geschenke nach Konstantinopel befördern. Vgl. Ernst Dieter PETRITSCH, Fremderfahrungen kaiserlicher Diplomaten im Osmanischen Reich (1500–1648), in: Michael Rohrschneider / Arno Strohmeyer, Hg., Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert, Münster 2007, 345–366, hier 349 f. Die diplomatischen Beziehungen verliefen damit allerdings eher einseitig, denn türkische Gegenbotschaften erfolgten lediglich zu wichtigen Ereignissen wie etwa der Ratifikation von Friedensurkunden oder der Beglückwünschung eines neuen Herrschers. Eine ständige Vertretung am Kaiserhof gab es hingegen nicht. Vgl. Markus KÖHBACH, Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich. Vom Frieden von Zsitva Torok bis zum 1. Weltkrieg, in: Osmanli arastirmalari 4 (1984), 237–260, hier 237.

Lange Zeit war auf dem Land eine enorme militärische Überlegenheit der Osmanen gegenüber europäischen Mächten gegeben. Dies begann sich jedoch Ende des 16. Jahrhunderts bzw. im Verlauf des 17. Jahrhunderts langsam zu wandeln und kehrte sich endgültig nach der zweiten Belagerung Wiens im Jahr 1683 um. Jene Entwicklung zeichnete sich bereits deutlich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert ab: Vgl. Martin WREDE, Türkenkriege, in: Friedrich Jaeger u. a., Hg., Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 13: Subsistenzwirtschaft–Vasall, Stuttgart / Weimar 2011, 827–839, hier 829. Nach der Dreiteilung Ungarns verliefen die Grenzen beider Großmächte quer durch Ungarn, wodurch es in diesem Gebiet immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. Die Konflikte eskalierten in den Jahren 1592/93 und gipfelten im bis 1606 anhaltenden Langen Türkenkrieg Vgl. weiterführend zu den Bündnisplänen christlicher Mächte mit den Safawiden zur Zeit des Langen Türkenkriegs: Jan Paul NIEDERKORN, Zweifrontenkrieg gegen die Osmanen. Iranisch-christliche Bündnispläne in der Zeit des „Langen Türkenkriegs“ 1593–1606, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 104/3 (1996), 310–323. , der im Wesentlichen durch die Belagerung der bestehenden Befestigungen im Grenzraum gekennzeichnet war, welche im 16. Jahrhundert zur Türkenabwehr erbaut worden waren und sich von der Adria bis nach Oberungarn erstreckten. Vgl. STROHMEYER, Habsburger Reiche, 96. Obwohl die kaiserliche Haltung während der Kämpfe weiterhin eher defensiver Natur war, zeichnete sich erstmals eine militärische Pattstellung ab, bei der keine der beiden Kriegsparteien größere Gewinne erzielen konnte. Vgl. WANDRUSZKA, Haus, 246; WREDE, Türkenkriege, 831. Nach jahrelangen Kämpfen verlagerten sich schließlich die Kriegsschauplätze beider Konfliktparteien, was mitunter eine gewisse Kriegsmüdigkeit nach sich zog. Aufstände in Siebenbürgen und Oberungarn führten letztlich auf habsburgischer Seite zu ernsthaften Waffenstillstandsbemühungen und das Osmanische Reich stand einem Friedensschluss letztlich ebenso wenig abgeneigt gegenüber, da es sich durch den aufstrebenden safawidischen Schah Abbas I. und wegen Aufständen in Ostanatolien wichtigeren Konfliktherden zuwenden musste. Der 1606 geschlossene Friede von Zsitvatorok beendete nicht nur den seit Jahren andauernden Krieg, sondern leitete zudem eine Wende in der Gestaltung der habsburgisch-osmanischen Beziehungen ein. Erstmals wurden die Verhandlungen nicht in Konstantinopel, sondern im Grenzgebiet unter Einbezug einer dritten Vermittlerpartei (ungarische Delegation unter der Leitung von István Illésházy) geführt. Vgl. PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 152. Der Friede brachte zwar keine bedeutenden Gebietsveränderungen mit sich, die Machtposition der Herrscher zueinander veränderte sich allerdings nachhaltig. Die Tributpflicht der Habsburger gegenüber dem Sultan ersetzte man durch eine einmalige Zahlung und der Sultan akzeptierte seine Gleichrangigkeit mit dem Kaiser. Vgl. PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 152. Wenngleich einige Differenzen bezüglich der ausgefertigten Vertragstexte zu weiteren Konflikten führten, erfolgte die Ratifizierung des Friedens schließlich 1610 auf 20 Jahre und bestätigte seine weitere Gültigkeit im Falle eines Herrscherwechsels. Dieser Waffenstillstand begründete eine fast sechs Jahrzehnte andauernde Friedensphase zwischen den ansonsten verfeindeten Großmächten. Vor Ablauf der Frist wurde der Friede mehrfach auf 20 Jahre verlängert, so auch im Jahr 1649. Vgl. PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 153–155; PETRITSCH, Fremderfahrungen, 351.

Die Internuntiatur Johann Rudolf Schmids zum Schwarzenhorn (1649) im historischen Kontext

Bereits im Jahr 1647 drängte der Hofkriegsrat auf die Entsendung eines Internuntius nach Konstantinopel, um dem vertraglich vereinbarten Gesandtenaustausch mit der Hohen Pforte nachzukommen. Als geeigneter Kandidat wurde dafür der ehemalige kaiserliche Resident Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn erachtet, der mit den Vorbereitungen für die diplomatische Mission betraut wurde. Vgl. MEIENBERGER, Resident, 116. Aus dem zeitgenössisch entstandenen Reisebericht des Gesandtschaftsteilnehmers Johann Georg Metzger geht allerdings hervor, dass Unstimmigkeiten die Gesandtschaftsabreise zunächst verzögerten: Man spargierte länger alß ein ganzes iahr von dißer internunciatur, bis endtlichen ein wirckhlicher effect ervolgt ist. METZGER, Itinerarium, 3. Mehrere politische Ereignisse im Jahr 1648 beschleunigten dann aber die Entsendung der Gesandtschaft: Nach einer Palastrevolte wurde Sultan Ibrahim I. 1648 zunächst abgesetzt und dann erhängt; ihm folgte sein erst sechs Jahre alter Sohn Mehmet IV. in der Sultanswürde nach. Vgl. Josef MATUZ, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, 3. Auflage, Darmstadt 1994, 167. Dieser Regierungswechsel machte eine Neuverhandlung des Friedens notwendig. Zudem war nach dem plötzlichen Tod des kaiserlichen Residenten Alexander von Greiffenklau zu Vollrads die Residentenstelle in Konstantinopel vakant. Da der Hofkriegsrat die Kosten für die Ausstattung einer Doppelbotschaft nicht aufbringen wollte, verzögerte sich Schmids Abreise abermals bis zur Auswahl eines neuen Residenten, welche schließlich auf den aus der Steiermark stammenden Simon Reniger von Renningen fiel. Vgl. Zsuzsanna CZIRÁKI, Zur Person und Erwählung des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel, Simon Reniger von Renningen (1649–1666), in: Zsuzsanna Cziráki u. a., Hg., Wiener Archivforschungen. Festschrift für den ungarischen Archivdelegierten in Wien, István Fazekas, Wien 2014, 157–164, hier 157 f. Neben den bereits genannten Faktoren beeinflusste auch der Tod des siebenbürgischen Fürsten György I. Rákóczi im selben Jahr die Abreise der Gesandtschaft.

Vor dem Aufbruch von Wien nach Konstantinopel erhielt Schmid mit einigen Gefolgsleuten am 27. Dezember 1648 in einer Audienz mit dem Kaiser in der Wiener Hofburg letzte Unterweisungen und Instruktionen. Seine primären Aufgaben lagen demnach in der Erneuerung des Friedensvertrages sowie in der Amtseinführung des neuen Residenten. Den Neujahrswechsel verbrachte man noch auf dem Margaretner Schloss in Wien und in einigen umliegenden Wirtshäusern, bevor die Gesandtschaft

„Anno 1649, den 2. Ianuarii, […] zeitlich zu Margreten auf den landtgutschen wägen, die umb gelt unß unnd zur reiß notwendig sachen biß auf Raab zuführen bestelt waren, aufgebrochen […].“ METZGER, Itinerarium, 15.

Nach acht Tagen erreichte die Gesandtschaft den ersten wichtigen Zwischenstopp Ofen, wo bereits der Verhandlungsrahmen für Konstantinopel abgesteckt wurde. Die schwierigen Wetterverhältnisse erschwerten die Weiterreise und so musste man über Umwege den unpassierbaren Straßen ausweichen. Die habsburgische Delegation durchreiste Griechisch Weißenburg (Belgrad), Sofia, Adrianopel (Edirne) sowie weitere größere und kleinere Städte und Dörfer und erreichte Konstantinopel schließlich im März. Vgl. Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III., Finalrelation, Wien, 24.10.1649, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 121/2, fol. 127v.

Mehrere Faktoren sorgten dort für ein schwieriges Verhandlungsklima: anhaltende Tributforderungen der Osmanen, häufige Wechsel der osmanischen Amtsträger, die kaiserlichen Forderungen bezüglich Oberungarns Im 1645 geschlossenen Frieden von Linz erhielt Rákóczi jene sieben Komitate, welche zuvor auch Bethlen erhalten hatte auf Lebzeiten. Bereits 1644 hatte Rákózci in einem Feldzug in Oberungarn Kaschau eingenommen. Nach Rákóczis Tod im Jahr 1648 gelangten Teile Oberungarns wieder in den Besitz der Habsburger, seine Erben mussten aufgrund der im Frieden von Linz geschlossenen Vereinbarungen 1650 auf Kaschau verzichten. Vgl. István György TÓTH, Von Bocskai bis Zenta. Ungarn im Habsburgerreich im 17. Jahrhundert (1606–1697), in: István Fazekas, Hg., Kaiser und König 1526–1918, Wien 2001, 51–54, hier 51–53. sowie die unklare Haltung des Kaisers im türkisch-venezianischen Krieg. Vgl. MEIENBERGER, Resident, 117; Fritz RIPPMANN, Johann Rudolf Schmid Freiherr von Schwarzenhorn (1590–1667). Ein Lebensbild. Vom Bürger von Stein am Rhein zum Botschafter des Kaisers an der türkischen Pforte, Stein am Rhein 1938, 26; Harald ROTH, Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. Auflage, Köln / Weimar / Wien 2003, 52–64. Die politischen Ereignisse überschatteten Schmids Verhandlungen mehrmals. So wurde etwa nach einer Niederlage der Osmanen gegen Venedig die Absetzung des Großwesirs beschlossen, dem der Janitscharen-Aga Murat ins Amt folgte. Dieser Umstand machte die bis dahin erzielten Verhandlungserfolge des Internuntius zunichte, zudem sah Schmid im neuen Großwesir kein sonderliches Regierungspotenzial, folgt man seinen Ausführungen in einem der beiden Abschlussberichte, in dem Schmid über Murat Pascha anführte, dass er […] auch weder lesen noch schreiben kann, gleichfahlß nit lang beständigen governo führen möchte […] Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III., Finalrelation, Wien, 24.10.1649, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 121/2, fol. 145r. . Ein positiver Ausgang der Verhandlungen wurde ferner von der Tributleistung des Kaisers abhängig gemacht, welche man zuvor im Frieden von Zsitvatorok (1606) ausgesetzt hatte. Durch Drohungen, dem Einsatz von Bestechungsgeldern und der Vergabe von Geschenken erreichte Schmid letztlich nach mehrmaligen Verzögerungen die erneute Verlängerung des Friedens. Genauere Angaben zur Gesandtschaft, den Verhandlungen, den Abschlussberichten Schmids sowie seiner Korrespondenz mit dem Kaiserhof und zur Person des Internuntius selbst folgen im weiteren Projektverlauf in einem spezifischen Einleitungstext. Über die Methoden zur Durchsetzung seiner Forderungen wussten wohl nur wenige Personen Bescheid, denn der Internuntius berichtete von einer Unterredung mit dem Kanzler folgendes:

„[…] er halte mich für einen rechten schwartzkünstler, der die türckische ministros so verzaubere, daß nach meinen willen man alles thuen müße, aber der guete Panioti [ksl. Dolmetscher] undt andere so dis gehört auch mir wider referirt, wusten nit, daß mein zauberey in lauter duggaten bestunde.“ Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn an Ferdinand III., Finalrelation, Wien, 24.10.1649, ÖStA, HHStA, StAbt Türkei I, Kt. 121/2, fol. 48v.

Schmid trat am 5. August mit dem türkischen Gesandten Hasan Aga schließlich die Rückreise nach Wien an und erreichte die Stadt Ende September. Noch während seiner Heimreise organisierte Schmid bereits seine in den Jahren 1650/51 stattfindende Großbotschaft, in der er dem Sultan die ratifizierte Friedensurkunde überbringen sollte. Vgl. MEIENBERGER, Resident, 118–121. Wenngleich Schmids diplomatische Fähigkeiten eine Friedensverlängerung auf weitere zwei Jahrzehnte gewährleisteten, so können trotz der aktiven zwischenstaatlichen Bemühungen auch andere Zusammenhänge identifiziert werden, die den anhaltenden Friedenszustand begünstigten. Vgl. PETRITSCH, Friedens- und Waffenstillstandsverträgen, 156; WANDRUSZKA, Haus, 247.

Die Abwehr der ständigen Gefahr vor dem „Erbfeind der Christenheit“ zählte zu den Reichsangelegenheiten und stärkte für lange Zeit den Zusammenhalt der verschiedenen Reichsglieder über politische und konfessionelle Unterschiede hinaus. Durch die Friedensschlüsse mit den Osmanen fiel dieses reichssolidarisierende Element, welches zunächst noch mäßigend auf kritische Stimmen gewirkt hatte, weg und erhöhte folglich das Konfliktpotenzial innerhalb des Reiches. Zudem konnten die Habsburger nun ihre politische und militärische Autorität an anderer Stelle geltend machen. Vgl. Christoph KAMPMANN, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart 2008, 16.

Seit 1618 standen sich die europäischen Mächte im Dreißigjährigen Krieg gegenüber. Daher war es die dringlichste Aufgabe der kaiserlichen Diplomaten, einen Zweifrontenkrieg zu verhindern. Vgl. PETRITSCH, Fremderfahrungen, 351. Das Osmanische Reich war zwar nicht vollständig in das europäische Mächtesystem eingebunden; dennoch wurden die Osmanen als potenzielle Verbündete erachtet. Dieser Umstand wirkte sich auch auf die Pfortendiplomatie europäischer Gesandter aus: Bereits zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges versuchte etwa Friedrich V. von der Pfalz den Sultan zum Kriegseintritt zu bewegen. Dieser nahm jedoch zunächst eine abwartende Haltung ein. Als sich 1629 unter dem protestantischen König Gustav II. Adolf immer deutlicher der Kriegseintritt Schwedens abzeichnete, kam es bald darauf zum ersten diplomatischen Vorstoß Schwedens in Konstantinopel. Dieses Ansuchen hatte zum Ziel, um osmanische Unterstützung bezüglich der Expansionspolitik Gustav II. Adolfs zu werben, mit der Zusicherung, den Machtbereich des Sultans in Ungarn unangetastet zu lassen. Der Sultan unternahm jedoch keine Maßnahmen, sich am Dreißigjährigen Krieg gegen den Kaiser zu beteiligen. Überdies forderte Sultan Ibrahim den siebenbürgischen Fürsten György I. Rákóczi, der mit Schweden und Frankreich 1643 ein Bündnis gegen den Kaiser geschlossen hatte, zum Kriegsaustritt auf. Vgl. Suraiya FAROQHI, Geschichte des Osmanischen Reichs, 6. Auflage, München 2015, 66; KAMPMANN, Europa, 71; KÖHBACH, Beziehungen, 238–240; MEIENBERGER, Resident, 109; STROHMEYER, Osmanische Reich, 153.

Die Zurückhaltung Konstantinopels im Dreißigjährigen Krieg Weiterführende Literatur zur Stellung des Osmanischen Reiches im Dreißigjährigen Krieg siehe z. B.: Maria BARAMOVA, Non-splendid Isolation: The Ottoman Empire and the Thirty Years' War, in: Olaf Asbach / Peter Schröder, Hg., The Ashgate research companion to the Thirty Years' War, Farnham 2014, 115–124; Arno STROHMEYER, Der Dreißigjährige Krieg in der Korrespondenz des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1629–1643), in: Michael Rohrschneider / Anuschka Tischer, Hg., Dynamik durch Gewalt?: Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) als Faktor der Wandlungsprozesse des 17. Jahrhunderts, Münster 2018, 315–335, Georg WAGNER, Österreich und die Osmanen im Dreissigjährigen Krieg. Hermann Graf Czernins Grossbotschaft nach Konstantinopel 1644/45, in: Oberösterreichisches Landesarchiv, Hg., Beiträge zur Neueren Geschichte. Festschrift für Hans Sturmberger zum 70. Geburtstag, Linz 1984, 325–392. Zur Thematik der Türkenkriege und seiner finanziellen und politischen Folgen bis ins Jahr 1618 siehe z. B.: KAMPMANN, Europa, hier vor allem 15 f.; Peter H. WILSON, Der Dreißigjährige Krieg. Eine europäische Tragödie, Darmstadt 2017, hier vor allem 107–155. ist nicht nur auf intensive diplomatische Bemühungen zurückzuführen, sondern ebenso auf die schwierige innen- und außenpolitische Situation der Macht am Bosporus. Die innenpolitische Instabilität des Großreiches zeichnete sich bereits Ende des 16. Jahrhunderts immer mehr ab und gipfelte in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Führungskrise auf allerhöchster Reichsebene. Körperlich wie geistig schwache Herrscherpersönlichkeiten standen zu Beginn des 17. Jahrhunderts an der Spitze des Osmanischen Reiches. Das daraus resultierende Machtvakuum wurde wiederum von verschiedenen Interessensgruppen ausgenutzt, um Privilegien, Macht und Geld anzuhäufen. Das Ansehen und die Machtfülle des Sultans übertrugen sich somit immer weiter auf verschiedene Amtsträger und die Sultansmutter, als weibliches Oberhaupt des Harems. Vgl. FAROQHI, Geschichte, 63; MATUZ, Osmanische Reich, 165 f. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erlangte der Harem seine größte Machtausdehnung. Zugleich sank die Bedeutung des Großwesirs; symptomatisch dafür kam es zwischen 1604 und 1656 zu 44 Wechseln im Amt des Großwesirats - so auch während Schmids Internuntiatur. Die politischen Entscheidungen aus dieser Zeit wie auch die Besetzung wichtiger Ämter gingen mehrfach auf höhergestellte Haremsdamen zurück. Aus diesem Grund wurde in der Historiographie über das Osmanische Reich der Begriff der „Zeit der Weiberherrschaft“ verwendet. Vgl. MATUZ, Osmanische Reich, 169 f. Die osmanische Militärelite der Janitscharen konnte ebenso Vorteile aus dem Machtverlust des Sultans und des Großwesirs ziehen: Immer wieder kam es zu Janitscharenaufständen, die nur mäßig unter Kontrolle gebracht werden konnten. Seit 1645 erhielten die führenden Janitscharen-Agas zudem den Rang eines Wesirs und hatten demnach einen Sitz im Diwan, dem wichtigsten Regierungsgremium des Reiches. Ende der 1640er Jahre besetzten Janitscharen auch das Amt des Großwesirs. Der osmanische Verwaltungsapparat geriet so mehrmals in Krisen. Nepotismus und Korruption bildeten einen festen Bestandteil der Verwaltung; eine fachgerechte Ausbildung und Kenntnisse über politische Angelegenheiten gerieten in den Hintergrund. Vgl. ebd., 168, 171.

Außenpolitisch sah sich das Osmanische Reich mit zahlreichen Konfliktherden konfrontiert. So gefährdeten etwa wiederkehrende Rebellionen in Anatolien, bekannt unter dem Begriff „Celalî-Aufstände“, die Autorität des Sultans. Auch Schmids Verhandlungen im Jahr 1649 wurden infolge solcher Aufstände in Ostanatolien unterbrochen. Zudem befanden sich die Osmanen in ständiger Konfrontation mit Polen, etwa um die Ansprüche auf das Vasallenfürstentum Moldau. Bis 1639 führte das Osmanische Reich außerdem mit dem Safawidenreich Krieg. Vgl. ÁGOSTON, Ottoman Empire, 629 f.; FAROQHI, Geschichte, 58 f.; MATUZ, Osmanische Reich, 165 f. In den Jahren 1644/45 kam es schließlich zu einer Auseinandersetzung, die das Reich bis ins Jahr 1669 in Kampfhandlungen mit der Republik Venedig um die Insel Candia (Kreta) verwickeln sollte. Nach dem Verlust Zyperns und einiger anderer Häfen der Handelsrepublik an die Osmanen gegen Ende des 16. Jahrhunderts blieb Candia (Kreta) die letzte bedeutende venezianische Insel im östlichen Mittelmeer. Die Insel spielte eine Schlüsselrolle für die Ernährung Konstantinopels, da sich von hier aus der Seeweg zwischen Konstantinopel und Ägypten kontrollieren ließ. Eroberungsmotive der Osmanen waren also die günstige geografische Lage Candias sowie die Schwächung Venedigs als See- und Handelsmacht. Vgl. Ekkehard EICKHOFF, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645–1700, 3. Auflage, Stuttgart 2008, 22–30; FAROQHI, Geschichte, 65; WREDE, Türkenkriege, 832 f. Auslöser für den über zwei Jahrzehnte andauernden Krieg war ein Überfall der Malteserflotte auf einen türkischen Konvoi im September 1644, der von Alexandria an die Hohe Pforte segelte. Bereits im April 1645 lief die osmanische Flotte von Konstantinopel aus, um Candia einzunehmen. Eine vollständige Eroberung und damit das Ende der kriegerischen Handlungen gelang jedoch erst 1669. Vgl. EICKHOFF, Venedig, 22–30; FAROQHI, Geschichte, 65; WREDE, Türkenkriege, 832 f. Im Vorfeld der Internuntiatur Schmids gab man dem venezianischen Botschafter in Wien mehrfach zu erkennen, den Diplomaten als Friedensvermittler zwischen der Republik und Konstantinopel einsetzen zu wollen. Venedig reagierte allerdings sehr zurückhaltend auf das kaiserliche Vermittlungsangebot, was Schmid dazu bewog, wenig Einfluss auf die venezianisch-türkischen Beziehungen zu nehmen. Vgl. Christian LACKNER, Johann Ferdinand Portia als kaiserlicher Botschafter in Venedig 1647–1652, in: Sabine Weiss, Hg., Historische Blickpunkte. Festschrift für Johann Rainer. Zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern, Innsbruck 1988, 373–382, hier 377 f.

Die fast sechs Jahrzehnte anhaltende Friedensphase in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen war also ein Umstand, der durch vielfältige Faktoren beeinflusst wurde. Erst 1663/64 kam es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und dem Sultan, ausgelöst durch Ansprüche beider Großmächte auf das Fürstentum Siebenbürgen. Die Kampfhandlungen dauerten lediglich ein Jahr und endeten mit der Niederlage der Osmanen bei St. Gotthard. Obgleich sich das Kräfteverhältnis abermals zugunsten der Habsburger verschob, wurde die militärische Unterlegenheit nicht ausgenutzt, da sich Kaiser Leopold I. zu dieser Zeit bereits in einer erneuten Konfrontation mit Frankreich befand. Der auf 20 Jahre geschlossene Friede von Eisenburg 1664 beendete schließlich den kurzen Krieg. Vgl. FAROQHI, Geschichte, 66; KÖHBACH, Beziehungen, 240 f.; WREDE, Türkenkriege, 833. Für weiterführende Informationen zur Schlacht von Mogersdorf oder zum Frieden von Eisenburg vgl.: Karina SPERL / Martin SCHEUTZ / Arno STROHMEYER, Hg., Die Schlacht von Mogersdorf / St. Gotthard und der Friede von Eisenburg / Vasvár 1664. Rahmenbedingungen, Akteure, Auswirkungen und Rezeption eines europäischen Ereignisses, Eisenstadt 2016. Die militärische Unterlegenheit der Osmanen wurde erst nach der zweiten Belagerung Wiens 1683 in ihrem vollen Ausmaß sichtbar. Im weiteren Verlauf gerieten weite Teile Ungarns unter habsburgische Oberhoheit. Im Frieden von Karlowitz 1699 musste Sultan Mustafa II. schließlich fast das gesamte historische Gebiet des Königreichs Ungarns an die Habsburger abtreten. Dieser Friede kennzeichnete eine erneute Zäsur in den habsburgisch-osmanischen Beziehungen und drängte die zuvor gefürchtete Macht am Bosporus von der Offensiv- in die Defensivhaltung. Vgl. KÖHBACH, Beziehungen, 242 f.; WREDE, Türkenkriege, 833. Die Entwicklungen im 17. Jahrhundert stellten also in den zwischenstaatlichen Verhältnissen der beiden Großreiche einen bedeutenden Einschnitt dar, welcher durch zwei Friedensverträge zu Beginn und am Ausgang des Jahrhunderts gekennzeichnet wurde.