Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Zeitraum Entstehung: Mitte 17. Jh., mindestens 1677
Hauptvariante (Musik):
Textvarianten:
Kommentar:

Sehr populäres Rollenlied, dessen Protagonist zum Inbegriff des jähzornigen Raufbolds wurde; bereits aus dem 17. Jahrhundert in der Sammlung "Ehrliche Gemüths-Erquickung" belegt (siehe Hauptvariante ).
Die älteren Belege sind zumindest im Druck stärker standardsprachlich überformt, das Lied ist aber auch zumindest in einer Flugschrift (Zwey schöne Lustige Lieder) deutlich dialektal gestaltet überliefert (siehe die Variante "Herzu ihr Buemä hat ainä än Lust" ).
Dass auch die ältere, standardnähere Version in diesem Fall möglicherweise eher Normen von Niederschrift und Druck geschuldet sein mag als einer tatsächlich standardsprachlichen Konzeption, wird dadurch nahegelegt, dass die Formulierungen in der Flugschrift ohne bedeutende Veränderungen in Dialekt übertragen werden konnten.

Der gewalttätige Raufbold, wie er in diesem Lied vorgestellt wird, fand auch an anderer Stelle seit dem 17. Jahrhundert Erwähnung: Bereits der Barockautor Matthias Abele beschreibt in seinem Werk "Metamorphosis Telae Iudiciariae, Das ist: Seltzame Gerichtshändel [...]", Band 2 1661, S. 90f :

"Im Land ob der Enns gibt es wackere und starcke, wie sie sich selbsten nennen: Räiffinger oder frische Buben, welche oft einem zu Gefallen, so ihres Gleichens seyn will, 1. 2. 3. ja 4. Mailwegs, auf die Täntz oder Hochzeiten, nachgehen, und als dann Gelegenheit suchen, mit dem anderen, vermittels der Fäustwechslung, bekand zu werden.
Im Land Steyr, sonderlich in Ober-Steyr-Marck, tragen dergleichen Fäust-Helden oder Räiffer auf ihren Hüten eine Kranich-Feder, alsdann muß er sich auf zween seiner Gegner wagen und ihnen, wie sie es nennen, Bescheid thun. [...]"

Auch in späteren volkskundlichen Beschreibungen, wie sie etwa in der Edition von Mautner (1920, S. 93ff.) zusammengestellt sind, wurde ein faszinierter Blick auf diese volkstümlichen Raufereien geworfen, die auf einem differenzierten System aus Rangfolgen, Signalen und Herausforderungsgesten beruhten. Als nicht zu duldende Beleidigung konnte so etwa schon die Missachtung einer vorgegebenen Reihenfolge beim Tanzen sein, ein falscher Blick oder eine unangemessene Handbewegung.
Diese ständige Überempfindlichkeit gegenüber tatsächlichen oder angeblichen Herausforderungen und die Bereitschaft, sich mit jedem zu messen, verbunden mit einer exzessiv erscheinenden Gewalt werden in diesem Lied – wiewohl es die ich-Perspektive einnimmt – durchaus mit einer gewissen spöttischen Distanz beschrieben. Die Mehrzahl der Raufereien mag in Wirklichkeit freilich weniger blutig und zumindest nicht tödlich verlaufen sein (wie hier insbesondere in Str. 6, 10f., 13 und 14). Die übertriebene Schilderung des "steyermarckischen Rauffjodels" in diesem Lied ist daher wohl eher als Teil der literarischen Typisierung zu lesen denn als authentischer Beleg.

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.588
Zuletzt geändert: am: 6.10.2015 um: 10:44:14 Uhr