Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Zeitraum Entstehung: 1783
Hauptvariante (Text):
Kommentar:

Satire über den Druckschriftenmarkt in Wien in Folge der "erweiterten Preßfreiheiheit" unter Joseph II (seit 1781). Blumauer kritisiert auf spöttische und ironische Weise die in großer Zahl kursierenden, seiner Einschätzung nach wertlosen oder gar schandhaften Druckschriften, die auch den Markt verdärben, sowie die herabgesunkene Moral der Schreibenden (gemeinsam mit einem allgemeinen Verkommen der Werthaltungen).
Auch die Rezipienten, bei denen die - gemäß Blumauers Urteil - mehr als entbehrlichen Schriften ("Makulatur", "Käsekram" (S. 6), "Schmiererei" (S. 10)) offenbar Anklang finden, werden angesprochen: "Ihr Wiener, seid ihr denn behext, / Daß jeder Wisch zum Buch getauft / Von euch begierig wird gekauft?" (S. 6). Deutlich dringt im Text der Vorwurf hervor, dass die verblendeten Verfasser der wertlosen und stupiden Produkte ausschließlich von wirtschaftlichen Erwägungen wie von Eitelkeit getrieben werden (man verspreche sich, "vornehm, glücklich und reich" (S. 8) zu werden), dabei moralische Gesichtspunkte außer Acht lassen und geistige Ansprüche scheinbar verwerfen. Darüber hinaus wird die nach Blumauers Darstellung verbreitete Gepflogenheit des Plagiierens kritisiert und auch Mäzene sowie Rezensenten bleiben nicht verschont.
Blumauer endet den Rundumschlag gegen die herrschenden Zustände am und um den Buchmarkt mit der auf die Spitze getriebenen Empfehlung: "Nun bei dieser Zeit wärs sehr wohlgethan, / Man baute ein paar Flügel dran [an das Spital zu St. Marx - zu dieser Zeit das Spital für 'Blödsinnige'] / Und sperrte die Herrn Büchl’schreiber ein…! / Voran – ich will der letzte sein." (S. 16).

In Zusammenhang mit dem dezidierten regionalen Bezug sind auch die dialektalen Ankänge im Text zu verstehen, die allerdings nicht sehr deutlich ausgestaltet sind: Der Text scheint in seiner schriftlichen Gestalt zwar einen im Mündlichen wienerischen Ton nahezulegen, allerdings ist das Bild dennoch meistenteils standardsprachlich. Eine Ausnahme bilden jedoch einzelne Passagen und Elemente, die mundartlich sind ("schlekken" für 'essen', "Fanscheln", "Nems", "ninterst" (S. 11), "g'schupt" (S. 12)) und deren regionale Einschränkung hinsichtlich ihrer Verständlichkeit offenbar auch bewusst ist, da Fußnoten gemeinsprachlichere Äquivalente liefern; darüber hinaus wird zwei Mal explizit auf eine sprachliche Einstufung Bezug genommen: zum Begriff "Auszügel" heißt es: "Oder Rechnungen, nach Wienerischem Dialekte" (S. 8); und gleich zu Beginn wird zur Zeile "(Nach Landesmundart) mancher Naar" (S. 3) - wohl auch zur Bedeutung der ev. auffälligen Schreibung - vermerkt: "In Oesterreich wird das a sehr lange ausgesprochen."

Der anonym erschienene Text, der von Aloys Blumauer stammen soll, wurde in zwei Texten vom Berliner Aufklärer Friedrich Nicolai lobend erwähnt: Viele Wiener Schriftsteller würden hier "ziemlich nach dem Leben geschildert" (Nicolai, Beschreibung einer Reise, 1784, S. 920). Er erwähnt außerdem, das Gedicht sei "zuerst im deutschen Museum [in Leipzig] gedruckt, aber in Wien heimlich nachgedruckt worden; denn öffentlich würde es die Censur vielleicht doch nicht erlaubt haben" (Nicolai, Allgemeine deutsche Bibliothek 57/1 1784, S. 590).

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.531
Zuletzt geändert: am: 9.9.2016 um: 10:18:47 Uhr