Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Zeitraum Entstehung: um 1690 oder 1751
Textvarianten:
Kommentar:

1751 gedrucktes Lied, das das beliebte Motiv des 'Bauern in der Kirche' bzw. des 'Bauern in der Stadt' aufgreift.
Geschildert wird eine feierliche Prozession und Messe des Füsterzbischofs von Salzburg - samt Beschreibungen der Domkirche, des liturgischen Geschehens, des geistlichen Hofstaats und der Musik - in den Augen eines Bauern, der dem Geschehen mit Bewunderung, aber weitgehendem Unverständnis folgt. Im Zentrum steht in diesem Text nicht vorwiegend die Verspottung des Bauernstandes, sondern eher allgemeine komisch-belustigende Effekte (vgl. Pörnbacher 1990, S. 1201). Dabei scheint die Darstellung, die den Pomp und die aufwändig hergestellte Würde der barocken Zeremonie mit einer gewissen Distanziertheit schildert, durchaus auch ironisch-spöttische Effekte zu erzielen: Gerade der Aufputz und das Benehmen der Geistlichen erscheinen im Lied als Theater, für das der einfache, ungekünstelte Bauer kein Verständnis hat.
In dem Zusammenhang ist interessant, dass der Text laut Titelblatt zwar 1751 gedruckt wurde, allerdings als Erzbischof den zu dem Zeitpunkt bereits 40 Jahre verstorbenen Johann Ernst, Graf von Thun (1687 bis 1709) nennt. Dies mag, wie Hartmann (1892b, S. 230f.) vermutet, Hinweis auf eine frühere Entstehung des Liedes sein. - Es könnte aber auch eine bewusste Historisierung des Geschehens sein, das aus nunmehr stärker aufgeklärter Perspektive das barocke Zeremoniell bereits mit skeptischerem Blick sieht.

Formal ist das Lied durch die typischen Charakteristika des Bauerngesprächs gekennzeichnet, wie schon die Eingangsformel " Loß Riepel, i muß da was wunderliß sogen " zeigt -- auch wenn es sich hier formal gesehen um einen Monolog handelt. Doch die Anwesenheit des stillen, dem Bericht lauschenden Gesprächspartners wird immer wieder vergegenwärtigt: " Loß Riepel " (1,1), " mein oad Riepel i thue di nit voppen " (12,3), " Mei Riepel wans ebba hatst selba betracht " (32,1) etc. Dabei wird Riepel nicht nur direkt angesprochen, sondern auch als Dialogpartner indirekt eingebunden, indem Jodel auf vermutete Einwände bzw. Zweifel reagiert.

Insgesamt offenbaren sich bei der Schilderung der für den Bauern imposanten Impressionen immer wieder sein Unverständnis und seine missverständlich-naive Sicht der Dinge, die der für das Bauerngespräch charakteristischen Typisierung der Figur entspricht. Ebenso typisch sind der wiederholte Ausdruck großer Verwunderung und Bewunderung der beschriebenen Ereignisse. Humoristisch-unterhaltsame Effekte entstehen dabei nicht zuletzt durch die typisch bäuerliche Ausdrucksweise. Diese ist nicht nur durch Dialekt gekennzeichnet, sondern auch durch mangelnde Kenntnis der gebräuchlichen Bezeichnungen und Ausdrücke insbesondere in Hinblick auf die sakrale Umgebung.
So bemerkt er etwa in Bezug auf das Deckenfresko in zwar bewunderndem Ton, aber wohl ganz nicht der Würde des Gegenstandes angemessen: „Gantz obn an da Dilla hostma machti wohl gfollen, Send Manndl und ollahond Gfraß oni gmohlen“ (7,1f.). Auch ein Verständnis für die Ernsthaftigkeit, die der sakralen Atmosphäre angemessen wäre, zeigt der Bauer nicht und wundert sich über die trockenen Gesichter im Geleit des Erzbischofs: „Leicht übä 20. Manna mit Spitz doher gehn, Sie mochten a so ernsthaffti durmische Fressen, Als hätten sie s’Lachen auf uamahl vergessen“ (10,2ff.). -- Jodel dagegen gibt sich erheitert und belustigt angesichts der ihm sonderbar und offensichtlich kurios anmutenden Gestalten, die er in die Kirche einziehen sieht („ Birschel mit zottleten Har “ (11,2), „ gspazige Narrl “ (11,4)).
Auch der Part der Beschreibung der musikalisch Beteiligten wie der Instrumente veranschaulicht gut die kreativ (miss-)interpretierende Geschehenswahrnehmung des Bauern und zielt auf humoristische Erheiterung ab, verstärkt durch die von den Rezipienten hier geforderte Re-Interpretation, bei der die verzerrte bäuerliche Darstellung zurücktransformiert werden muss in ein Vorgehen, das tatsächlich dem Ablauf und Geschehen einer derartigen Messe entsprechen kann. - Siehe dazu etwa. Str. 25:

Darneben stundt oaner der war a nit faul,
Nam strox oan Wurch-stichinga Brigel ins Maul,
That alleweil tro sutzla und schlecka so lang,
Biß endla si höra hot lossa a Klang. Typisch für das Bauerngespräch ist zuletzt auch das Beteuern, dass das Berichtete, obwohl es doch so wunderlich klingen mag, der Wahrheit entspreche (vgl. Strophe 34).

Der Themenkreis des 'Bauern in der Kirche' umfasst darüber hinaus eine Reihe weiterer Lieder, die teilweise bereits seit dem 17. Jahrhundert und großteils aus Bayern bzw. Salzburg belegt sind: das Lied "Votta! y musz die wundä sogn" , das unter dem Titel "Relation Eines Pauren Sohn" bzw. "Die Vesper von Landshut" bekannt ist bzw. das damit verwandte "Votta! Lass dir wunder sag’n" ;
von der Mitte des 18. Jahrhunderts sind die Texte "Gott gseng enckh Essn!" und "Gott g'segn enk's, alli Herrn!" überliefert, eine vergleichsweise späte Variante stellt schließlich Blumauers Lied "Der evangelische Bauernjunge in der katholischen Kirche" dar ( "Vater, hörts nur Wunder an!" ).

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.47
Zuletzt geändert: am: 19.2.2016 um: 14:50:20 Uhr