Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Komponisten:
Zeitraum Entstehung: 1750 +/- 5
Hauptvariante (Musik):
Musikvarianten:
Textvarianten:
Kommentar:

Wann dä Baur Händl hat und Keyerey zählt zweifellos zu den frühesten Arbeiten Lindemayrs, wie nicht nur aus dem Überlieferungskontext und der sprachlichen Gestaltung mit auffälligen Archaismen ersichtlich ist. Auch thematisch verweist es auf seine erste Schaffenszeit, die noch in der Tradition der barocken Bauerndarstellungen zur Unterhaltung der oberen Schichten stand. Realistische Armutsschilderungen und einprägsame Milieuskizzen gingen hier noch Hand in Hand mit einer Verlachkomik, in der sich reale Herrschaftsverhältnisse der Zeit widerspiegeln. Die harten Bedingungen des bäuerlichen Alltags entsprachen im Verständnis einer höheren Gesellschaftsschicht letztendlich der rohen Lebensform des Bauern, der – das war ein Erinnerungserbe der noch nicht so lange zurückliegenden Bauernkriege – auch nicht davor zurückschreckte, sich durch rohe Gewalt sein Recht zu verschaffen.

Auch in Lindemayrs Lied ist diese latente Aggression noch deutlich zu vernehmen, auch wenn sich das Rollen-Ich zumindest bei den Nachbarschaftsstreitigkeiten widerwillig für den gerichtlichen Weg entschieden hat. Denn die Umgebung meint es nicht gut mit ihm: Zum Streit mit den Anwohnern, die – wie auch er selbst – stets bereit zum Prozessieren sind, kommen die Betrügereien auf dem Viehmarkt, die Diebstähle der Dorfjugend und die Unfähigkeit der teuer bezahlten Sauschneider, um ihn in Rage zu bringen. Das Mitleid aber des Rezipienten hält sich in Grenzen, scheint das streitsüchtige und gewaltbereite Ich doch um keinen Deut besser zu sein als seine Kontrahenten. Vielmehr gewinnt es durch das Inversionsverhältnis des sich selbst als Täter dekuvrierenden Opfers noch zusätzlich an Lächerlichkeit.

Vielleicht auch aufgrund dieses negativen Bilds scheint diese frühe Bauernklage trotz ihrer eingängigen metrischen Gestaltung – paargereimte, männlich endende Vierheber mit Doppelsenkungsfüllung – und den kräftigen Bildern letztendlich nicht so recht im Volksgesang aufgegangen zu sein.

1 Melodie

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.433
Zuletzt geändert: am: 6.9.2016 um: 11:57:09 Uhr