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Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Komponisten:
Zeitraum Entstehung: 1778 +/- 5
Hauptvariante (Musik):
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Textvarianten:
Kommentar:

Dieses bislang unbekannte satirische Lied aus der späteren Schaffenszeit Lindemayrs wirft einen aufschlussreichen Blick auf die Kehrseite der nach merkantilistischen Prinzipien durchgeführten Reformen des absolutistischen Staats, die allerdings erst spät tatsächlich zu einer Verbesserung der Lebensumstände der österreichischen Bauern beitrugen. Ziel dieser Reformbemühungen unter Maria Theresia und vor allem Joseph II. war es ja, dem Bauernstand, dessen große Bedeutung für die Nahrungs- und Rohstoffproduktion, für den Staatshaushalt und die Armee erkannt worden war, eine verbesserte Rechtsstellung gegenüber den Grundherrschaften und günstigere wirtschaftliche und soziale Bedingungen zu verschaffen. Ein wesentlicher Schritt war, öffentliche Funktionen der Herrschaftsbesitzer dem Beamtenapparat der neu geschaffenen Kreisämter zu übertragen, um auf diese Weise juridische Willkürakte und Übergriffe weitgehend zu unterbinden.

Verlierer bei diesem allerhöchsten Interesse am Wohlergehen des Bauernstands waren nicht nur die Grundherren, sondern auch Teile ihres Personals, die Amtleute. Sie waren die unterste Instanz der Herrschaftsbeamten, die bei den Abgaben und Diensten im direkten Kontakt mit den Bauern standen und sich auf diese Weise den einen oder anderen Zuverdienst hatten sichern können. Für Bestechungen zugänglich und im Umgang mit den Untertanen nicht selten ausgesprochen grob, erhöhten sie oft die einzufordernden Abgaben eigenmächtig oder erfanden gar neue.

Wie bedrängend dieses Problem war, zeigt etwa eine äußerst scharfe Streitschrift mit dem reißerischen Titel Frag: Was Bedeuten die Heuschrecken? Eccho: Schröcken! aus dem Jahr 1750, die sich vehement gegen die Reformen der jungen Königin richtet. Im vierten Teil geht der anonyme Verfasser dabei auch auf die unredlichen Beamten ein, die aufgrund ihrer schlechten Bezahlung „per singularem industriam, auf Teutsch, durch sonderbar ausgesonnene Diebstähl um Mittel sehen.“ Noch eine kurz nach dem Regierungsantritt Josephs eingereichte ‚Relation’ kritisierte den Eigennutz der Herrschaftsbeamten, die sich nicht selten bestechen ließen oder sich am Zwischenhandel bereicherten.

Zum Entstehungszeitpunkt des Lieds war dies aber offensichtlich bereits um einiges schwieriger geworden. Nicht nur dass die Geschenkannahme gesetzlich unterbunden worden war, auch die Möglichkeiten dazu waren weniger geworden. Das Einheben der Mautgebühren unterlag nicht mehr dem grundherrschaftlichen Bereich, die Schätzung und Begutachtung des Leinens wurde von eigens dafür geschultem Personal vorgenommen und mit den Namenslisten, die bei der Seelenbeschreibung 1771 angelegt und jährlich aktualisiert wurden, war auch bei der Rekrutierung eine einträgliche Intervention kaum noch möglich. Darüber hinaus war auch das ausdifferenzierte Taxensystem, mit dem sich die Herrschaftsbeamten verschiedenste Kanzleidienste bezahlen ließen, zusammengestutzt worden und erübrigte sich z.T. durch die behördliche Arbeit der neuen Kreisämter. Dass die Amtleute auf diese Weise ihre Schlüsselfunktion in wesentlichen Bereichen des öffentlichen Lebens verloren hatten, wirkte sich auch auf den ihnen entgegengebrachten Respekt aus. Es war nun nicht mehr so notwendig, sich mit den Amtmännern gut zu stellen und ihnen mit Ehrerbietung zu begegnen.
    
Auffällig bei diesem reizvollen Lied, das in den späten 1770ern, vielleicht auch in den frühen 1780er Jahren entstanden sein wird, ist die ungewöhnliche siebenzeilige Strophenform mit dem interessanten Reimschema a/b/b/c/c/a/a: Ein dreihebiger, männlich endender Vers wird gefolgt von einem dreihebigen und einem vierhebigen Verspaar mit klingender Kadenz, um mit einem abschließenden dreihebigen Verspaar zu reimen.     

3 Melodien, 3. (Kremsmünster) überprüfen!

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.313
Zuletzt geändert: am: 5.9.2016 um: 20:33:41 Uhr