Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Drama
Genre:
Zeitraum Entstehung: 1740er
Hauptvariante (Text):
Textvarianten:
Kommentar:

Stegreifburleske, die für das Adelstheater in Krumau verschriftlicht wurde und in zwei handschriftlichen Belegen aus Krumau und Wien erhalten ist.
Edition bei Neuhuber 2015.

Typische Lustspielhandlung mit starken Commedia dell'arte-Einflüssen: Lucinda liebt Clitander, doch der Vater von Lucinda, Odoardo, der kürzlich in den Adelsstand erhoben wurde, will sie in seinem Dünkel nun nur einem Edelmann verheiraten. Abhilfe schafft die Intrige von Clitanders Diener, Scapin, und der Kammerjungfer Colombine: Sie gaukeln dem (uneingeweihten) Hanswurst - einem weitgereisten Strohschneider, der ein Kauderwelsch-Französisch beherrscht - vor, er werde durch einen geheimen Schatz zum Adeligen und führen ihn in das Haus Odoardos ein. Odoardo verspricht dem Hanswurst als "Baron Wurstelsprung" auch sogleich seine Tochter, die mitspielt. Als bereits der Hochzeitsvertrag unterschrieben ist, lässt Colombine den Hanswurst auffliegen und er muss - auch vor seinem Vater, dem er Geld gestohlen hat - flüchten. Am Ende werden Lucinda und Clitander vereint, und auch Hanswurst bekommt - trotz seiner Untreue - Colombine.

Dem Odoardo, als Karikatur eines dünkelhaften 'Emporkömmlings', der, soeben erst zum Adeligen geworden, gleich alles Bürgerliche verschmäht, wird in diesem Stück der Hanswurst seinerseits als Karikatur eines Edelmanns vorgesetzt, die alle bis auf Odoardo als solche durchblicken. Am Ende dient diese Karikatur in typischer Lustspiel-Manier auch dazu, Odoardo zu bekehren. Die lächerlich hochgestochene, mit Französisch durchsetzte Sprache des Hanswurst in seiner Rolle als Baron ist zentrales Element der Komik im Stück und spiegelt zugleich die zeitgenössische bürgerliche Kritik am Französisch-Dünkel des Adels wider.
Der Hanswurst ist im Stück nicht selbst Urheber Intrige, sondern bleibt unwissend und wird von den Drahtziehern - Scapin und Colombine - für ihre Zwecke eingesetzt, wobei das 'rusticus-imperans'-Motiv aufgegriffen wird, d.h.dem dummen Bauern (hier: Strohschneider) wird vorgespielt, er sei plötzlich Adeliger; am Schluss fällt er eher unsanft wieder auf den Boden der Realität.

Als bestimmendes Element von Sprachkomik steht in diesem Stück weniger der Dialekt als das Französisch-Kauderwelsch des "Barons Wurstelsprung" im Vordergrund. Dialekt wird aber von allen 'niedrigen' Figuren der Handlung gesprochen: von Scapin und Stopherl (dem Vater des Hanswurst); auch von Hanswurst, wenn er nicht gerade Französisch spricht; schließlich spricht auch Colombine, wenn auch in geringerem Ausmaß, Dialekt.

Das Stück ist in zwei Handschriften (Krumau/Český Krumlov und Wienbibliothek) überliefert. Aufgrund von fehlenden Aufführungsbelegen in Wien, lokalen Anspielungen und der Analyse des Papiers hat Schindler (1995, 2003) geschlossen, dass die Stücke tatsächlich aus Krumau stammten und dort für das "Liebhabertheater der österreichisch-böhmischen Feudalaristokratie" geschaffen worden seien. Allerdings sprechen die inhaltliche Gestaltung und die Figurenkonstellation des Stücks, die bereits für Wiener Stegreifstücke belegten Gesangseinlagen sowie die ostmittelbairische Prägung der dialektalen Passagen letztlich eher dafür, dass das Stück ursprünglich in Wien entstand und nur für eine Aufführung in Krumau vollständig festgehalten wurde (vgl. dazu insbesondere Neuhuber 2015, S. 15 und 21ff.).
Gerade dass hier aber die Figurenrede der sonst nur fragmentarisch erhaltenen Stegreifburlesken vollständig ausformuliert erhalten ist, macht dieses Stück für die theatergeschichtliche Forschung besonders relevant.

Die Figur des "Baron Wurstelsprung" wurde auch im Stück "Winter Recreation des Baron Wurstelsprung" noch einmal aufgegriffen, von dem nur die Arien überliefert sind (Edition: Pirker 1929, S. 181-186).

Enthält als erstes Lied die Arie "Strohschneider seyn ma halt braue Leuth" .

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.1347
Zuletzt geändert: am: 19.11.2015 um: 12:35:09 Uhr