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VERFOLGUNG UND WIDERSTAND
IM NATIONALSOZIALISMUS
DOKUMENTIEREN UND VERMITTELN

Digitale Erinnerungslandschaft



Geisteswissenschaftliches Asset Management System



Paulustorgasse 8, 8010 Graz
Beschreibung: Die Schülerinnen beschäftigen sich mit der Biografie Franz Baranyais und bearbeiten Arbeitsaufträge basierend auf einem Quellentext
Ort: Stadt Graz (8010)
Zeitbedarf: 15–30 Minuten
Alter: 13–18 Jahre
Vermittlungsort: Klasse oder außerschulischer Ort in der Region


Verbundene Orte:




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2013 wurde vor dem Gebäude der ehemaligen Landespolizeidirektion, in dem während der NS-Zeit auch die Gestapo untergebracht war, in Erinnerung an Franz Baranyai ein Stolperstein verlegt. Franz Baranyai wurde als sogenannter „Zigeuner“ von den Nationalsozialisten ermordet. Franz Baranyai wurde am 23. 12. 1891 in Zahling, im heutigen Bezirk Jennersdorf im Burgenland geboren. Er war mit Anna verheiratet und lebte seit 1908 als Arbeiter und Musiker in Graz. Mitte Februar 1941 rückte er zum Sicherheits- und Hilfsdienst , Sanitätsbereitschaft II in Andritz ein. Damit war er Mitglied einer Hilfspolizei, die sich ab 1940 um den Luftschutz kümmerte. Im Februar 1942 richtete er an Gauleiter Uiberreither ein Bittgesuch, da er sich bei der Zuteilung von Kleiderkarten für seine Ehefrau vom Landrat des Kreises Fürstenfeld benachteiligte fühlte. Als Grund für die Benachteiligung vermutete er seinen Familiennamen, der von den Nationalsozialisten als Hinweis für eine Zugehörigkeit zur Gruppe der „Zigeuner“ gesehen wurde. Sein Schreiben löste jedoch eine Reihe von behördlichen Erhebungen zu seiner Familiengeschichte aus. Die Untersuchungen ergaben, dass er in seinem Heimatort in der sogenannten „Zigeunerevidenz“ geführt wurde und seine Brüder im Rahmen der sogenannten „Zigeuneraktion“ bereits nach Litzmannstadt deportiert worden waren. Diesbezüglich schrieb der Landrat des Kreises Fürstenfeld am 25. 3. 1942 an den Reichsstatthalter der Steiermark: „Auf Ihr Schreiben RSt 61/10/1942 vom 12. März 1942 hin habe ich sofort die nötigen Erhebungen über den Obengenannten angestellt. Dieselben haben ergeben, dass Baranyai zweifelsohne Vollzigeuner ist und samt seiner Frau schon für die in nächster Zeit in Aussicht genommene weitere Abschiebung von Zigeunern vorgesehen war. Hiernach muss es als eine Dreistigkeit bezeichnet werden, dass sich Baranyai persönlich an den Herrn Gauleiter und Reichsstatthalter wendet, wie es auf der anderen Seite erstaunlich ist, dass Baranyai beim SHD Dienst verrichtet. Dies wird auch in der Bevölkerung von Deutsch-Kaltenbrunn, wie aus dem vorletzten Absatz des betreffenden Gendarmerieberichts hervorgeht, lebhaft kritisiert. Ich trete der Ansicht des Gendarmeriepostens Rudersdorf, dessen Bericht vom 20. d. M. ich zur gefälligen Kenntnisnahme in Abschrift beifüge, voll und ganz bei, wonach der Ahnennachweis Baranyai’s bis zum Jahre 1837 noch lange nicht als Nachweis gelten kann, dass er deutschblütiger Abstammung ist, da eben in den betreffenden Dokumenten erfahrungsgemäss das Wort „Zigeuner“ nicht vorkommt“ (StLA, Reichsstatthalterei, 61/10/42). Als Folge der Erhebungen wurde Franz Baranyai schließlich im April 1942 aus seiner Dienststelle in Graz entlassen und er versuchte in weiterer Folge unterschiedliche Tätigkeiten anzunehmen. Erneut richtete er sich in einem Schreiben, das undatiert ist, an Reichsstatthalter und Gauleiter Uiberreither: „An meinen Herrn Reichstatthalter u. Gauleiter in Graz. Ergebenstgefertigter S.H.D. Mann Franz Baranyai, geb. 23. XII. 1891 in Zahling, zuständig Deutsch Kaltenbrunn, Kreis Fürstenfeld, eingerückt zum Sicherheits- und Hilfsdienst am 10. II. 1941 in Graz, bittet ergebenst seine Bitte entgegen [zu nehmen] und anhören zu wollen. Schon seit meinem 17. Lebensjahr bin ich zum Großteil hier in der Landeshauptstadt Graz als Arbeiter u. Musiker beschäftigt und hatte mein ehrliches Fortkommen so dass ich bis heute von keiner Behörde beanstandet wurde. Es war mein Fühlen und Denken ‚geh immer im Leben ehrlich deine Wege durch die Welt‘. Meine Schulbildung war gering, da man sich bei dem Magyarischen Staat sich wenig kümmerte. Durch Fleiß und Streben hab ich mich in der deutschen Heimat empor gearbeitet dass ich heute in allem Kenntnisse besitze. Das danke ich meiner deutschen Heimat, meinem Vaterland. Arbeit, Fleiß u. Ehrlichkeit brachten mir Segen, so daß ich mir ein kleines Heim schaffen konnte. Und ich will dem Staat, meinem Führer und Vaterland danken und dienen. Mein ganzes Denken ist und war deutsch sein, deutsch bleiben. Kämpfen und Opfer bringen und das will ich für meine Heimat, für Führer, Volk und mein Heimatland treu bis zum Tod. Ich habe viel überwunden und will mehr und bin bereit für jeden Einsatz, wenn mich mein Vaterland ruft. Es lebe unser edler Führer. Ewig wird Deutschland bestehen und seine starke Nation.“ Doch all die Versuche der NS-Verfolgung zu entgehen scheiterten, da der Landrat des Kreis Fürstenfeld stets bei seinen neuen Arbeitgebern intervenierte, auf seine „Zigeuner-Abstammung“ hinwies und seine Verhaftung vorantrieb. Letztlich wurde Franz Baranyai verhaftet, deportiert und im Juli 1943 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.



Literatur

  • Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht, Nationalsozialismus in der Steiermark. Opfer – Täter – Gegner. Innsbruck-Wien-Bozen 2015.
  • StLA, Reichsstatthalterei, 61/10/42