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Illuminierte Urkunden: Niveaus

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de: Illuminierte Urkunden: Niveaus | en: Illuminated Charters: Niveaus | fr: Niveaus des chartes illuminées | it: Livelli di documenti illuminati

skos:note (de): Die Sammlung „Illuminierte Urkunden“ (mit einer Volltextsuche) bietet Zugang zu Urkunden, die neben dem Rechtsinhalt auch gemalten oder gezeichneten Dekor aufweisen.
Definition:
Illuminierte Urkunden im weitesten Sinn sind Urkunden mit graphischen oder gemalten Elementen, die nicht der Kontextschrift zuzuordnen sind. Eine so umfassende Definition erschwert den Umgang mit dem Material und erfordert in der Praxis eine Strukturierung. Daher gliedert das hier vorliegende kontrollierte Vokabular den Bestand in drei Hauptgruppen: Niveau 1, Niveau 2 und Niveau 3 und entsprechende thematische Untergruppen, die jeweils chronologisch durchgeblättert werden können.
Definition Niveau 1:
Niveau 1 umfasst illuminierte Urkunden im engeren Sinn, also Urkunden mit figürlicher (gegenständlicher) Ausstattung, die historisiert ist, also auf Inhalt, Aussteller, Empfänger oder Rezipienten Bezug nimmt. Weiters alle Urkunden, die Farbe(n) prominent in ihr Gestaltungskonzept einbeziehen.
Definition Niveau 2:
Niveau 2 umfasst Urkunden mit graphischem Dekor ohne Farbe, der entweder über das allgemein Übliche der Zeit hinausgeht oder einen speziellen Kanzleigebrauch dokumentiert. Etwaig vorkommende gegenständliche, figürliche (anthropomorphe) oder zoomorphe Motive sind rein dekorativ (ohne Bezug zu Inhalt).
Definition Niveau 3:
Niveau 3 umfasst Originalausfertigungen mit urkundenspezifischen graphischen Zeichen.
Martin Roland

  • Niveau 1 ()de: Niveau 1
    Niveau 1 umfasst illuminierte Urkunden im engeren Sinn, also Urkunden mit figürlicher (gegenständlicher) Ausstattung, die historisiert ist, also auf Inhalt, Aussteller, Empfänger oder Rezipienten Bezug nimmt. Weiters alle Urkunden, die Farbe(n) prominent in ihr Gestaltungskonzept einbeziehen.

    skos:narrower

    • N1: historisiert ()de: N1: historisiert | en: N1: historiated | fr: N1: historiée | it: N1: istoriata
      Dekor ist dann historisiert, wenn die dargestellten Motive auf Aussteller oder Empfänger, auf Rechtsinhalt oder Performanz (der Übergabe der Urkunde) Bezug nehmen. Die Buchmalereiforschung unterscheidet streng zwischen Motiven, die eine Bildaussage haben, also eine „Geschichte“ erzählen, und solchen Motiven, die rein dekorative Funktion haben (siehe Niveau 2). Beispiele historisierten Dekors sind in der Buchmalerei schon seit dem Frühmittelalter zu finden. Bei der Dekoration von Urkunden dominieren im Frühmittelalter jedoch urkundenspezifische Elemente (siehe Niveau 3). Historisierter Dekor aus vorgotischer Zeit ist daher extrem selten. Die Bildfreude des Spätmittelalters, die Tatsache, dass viele urkundenspezifische graphische Elemente aus der alltäglichen Kanzleipraxis weitgehend verschwinden, und neue Motive wie Wappen und herrschaftsspezifische Zeichen (z. B. die „Fleur de lys“ für Frankreich), die leicht in das Dekorationsprogramm aufgenommen werden können, können die explosionsartige Vermehrung des Materials ab ca. 1300 erklären. Im Juni 2018 sind über 700 Beispiele versammelt (die Nummerierung bis über 900 entsteht, da von lombardischen Urkunden sowohl eine italienische als auch eine deutsche Version existieren). Sie machen deutlich, welches Potential in der Erforschung illuminierter Urkunden für die Kunstgeschichte steckt. Martin Roland

    • N1: mit zusätzlichen Farben ()de: N1: mit zusätzlichen Farben | en: N1: with Additional Colours | fr: N1: avec couleurs additionnelles | it: N1: con colori addizionali
      Während die Verwendung von Farben für Kunsthistoriker und Buchmalereiforscher selbstverständlich ist, ist deren Verwendung – abgesehen von seidenen Siegelfäden und dem farbigen Wachs der Siegel – bei Urkunden höchst ungewöhnlich. Das Auftreten von Farben, die über die das Schwarz oder Braun der Tinte des Schreibers hinausgehen, wird daher als herausragendes Motiv erfasst. Die Beispielreihe beginnt mit Purpururkunden und Chrysographie (Goldschrift) und setzt sich mit roten „Unterschriften“ und Monogrammen fort. (In Byzanz ist die rote Unterschrift des Kaisers hingegen notwendig; sie als besonderes Merkmal in die Sammlung illuminierter Urkunden aufzunehmen, macht keinen Sinn.) Nachdem im 13. Jahrhundert jene Beispiele zahlreicher werden, die sich regelrechter Deckfarbenmalerei bedienen, werden die illuminierten Urkunden so bunt wie die Produkte der Buchmalerei. Martin Roland

    • N1: Initiale ()de: N1: Initiale | en: N1: Initials | fr: N1: Initiales | it: N1: Iniziali
      Neben der technischen Differenzierung (Farbe / keine Farbe – gemalt / gezeichnet) und der Unterscheidung, ob die Darstellungen sich auf den Inhalt beziehen (historisiert / bloss dekorativ [siehe N2]), gibt es auch Kriterien, die sich darauf beziehen, wo der Dekor angebracht ist: Initiale, Bildfeld, Randdekor. Hauptort für „illuminiert“ sind die Initialen, also der erste, durch Dekor, Grösse und/oder Buchstabenform hervorgehobene Buchstabe eines Textes, eines Abschnittes eines Satzes oder eines hervorzuhebenden Wortes. Initialen sind eine ganz spezifische Formgelegenheit, bei der sich künstlerischer Wollen und Schrift berühren. Die Initialgestaltung bei illuminierten Urkunden kennt all jene Formen, die auch aus dem Buchwesen bekannt sind. Wenn die Initialen weder „bunt“ noch „historisiert“ sind, sind sie unter Niveau 2 (siehe dort) eingeordnet. Martin Roland

    • N1: Bildfeld ()de: N1: Bildfeld | en: N1: Panels | fr: N1: Miniatures | it: N1: Miniature
      Neben der technischen Differenzierung (Farbe / keine Farbe – gemalt / gezeichnet) und der Unterscheidung, ob die Darstellungen sich auf den Inhalt beziehen (historisiert / bloss dekorativ), gibt es auch Kriterien, die sich darauf beziehen, wo der Dekor angebracht ist: Initiale, Bildfeld, Randdekor. Viel seltener als Initialen (siehe dort) und dem von diesen ausgehenden Randdekor (siehe dort) ist – so wie auch bei Buchhandschriften – Dekor, der Bildfelder füllt (Miniaturen; kolorierte Federzeichnungen). Die Bildfelder können figürlich – das ist der Normalfall – oder ornamental gefüllt sein. Die Bildfelder können mit malerischen Mitteln (in der Regel bunt) oder mit zeichnerischen Mitteln (in der Regel ohne zusätzliche Farben) gefüllt sein. Die Bildfelder können gerahmt sein, sie können einen farbigen Hintergrund haben, oder einfach so auf dem Pergament / Papier stehen. Bei den Miniaturen (Bildfelder, die mit Deckfarbenmalerei gefüllt sind) gibt es bei illuminierten Urkunden manche überraschende Gestaltungen: Die Dotalurkunde für Theophanu ( 972 April 14) macht mit ihrem zoomorphen Mustergrund das ganze Pergamentblatt zur Miniatur. Eine Hochzeitsurkunde aus Bari ( 1028 Dezember) zeigt erstmals eine Darstellung des vollzogenen Rechtsaktes. Zwei Sammelablässe aus Avignon füllen die Fläche für die Initiale nicht mit einer solchen, sondern mit einer Miniatur, neben der – ganz klein – die Initiale U(niversis) steht: siehe z. B. 1335 Juli 5 oder 1347 Juli 5. Auch das Standardlayout für Wappenbriefe bedient sich der Miniatur, die eben mit einer Darstellung des verliehenen Wappens gefüllt wird. Im Heiligen Römischen Reich ist diese Wappenminiatur mittig im Schriftspiegel platziert. Martin Roland

    • N1: Randdekor ()de: N1: Randdekor | en: N1: Borders | fr: N1: Illustrations marginales | it: N1: Illustrazioni marginali
      Neben der technischen Differenzierung (Farbe / keine Farbe – gemalt / gezeichnet) und der Unterscheidung, ob die Darstellungen sich auf den Inhalt beziehen (historisiert / bloss dekorativ [siehe N2]), gibt es auch Kriterien, die sich darauf beziehen, wo der Dekor angebracht ist: Initiale, Bildfeld, Randdekor. Neben Initialen (siehe dort) und Miniaturen (siehe „Bildfelder“) ist jener spannende Bereich zu beachten, bei dem von Initialen (seltener von Miniaturen) Fortsätze ausgehen, die den Randbereich, also die leere Fläche um den Schriftspiegel (dort steht der Urkundentext), teilweise oder ganz füllen. Randdekor kann gezeichnet und nicht historisiert sein (siehe Niveau 2), in der Regel ist er jedoch gemalt und bunt, häufig bedienen sich der Maler floraler Motive (Rankendekor). Randdekor kann auch figürliche Motive enthalten. Diese können alleine stehen oder durch (floralen) Dekor verbunden sein. Bei besonders aufwendig ausgestalteten Urkunden umschliesst eine drei- oder sogar vierseitige Bordüre den Schriftspiegel. Bei der Gruppe der Sammelindulgenzen bildet sich sogar ein fester Typus heraus, der den Text an drei Seiten umgibt: http://monasterium.net/mom/index/IllUrkGlossar/Rahmentyp. Dabei ist die Bordüre in der Regel aus einzelnen Bildfeldern zusammengesetzt. Bordüren sind auch besonders charakteristisch für hebräisch geschriebene Hochzeitsurkunden (Ketubbot). Spitzenstück sind Fragmente von 1391-92. Ebenfalls aus Österreich stammt die Gründungsurkunde des Chorherrenstifts Dürnstein von 1410 Februar 17. Eine besonders üppige Tradition, bei der Randdekor sehr häufig zentraler Teil des (auch inhaltlichen) Konzepts ist, entwickelt sich in der Lombardei im 15. Jahrhundert: vgl. z. B. 1414 Juli 28. Absoluter Höhepunkt ist eine ursprünglich Giovan Pietro Birago zugeschriebene Urkunde von 1494 Jänner 28, die derzeit dem Maestro delle Ore Sforza zugeschrieben wird. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Gruppe der Kardinalsammelindulgenzen, die ab den 1470er Jahren verstärkt Ausfertigungen mit dreiseitiger Bordüre zeigt (ein frühes Beispiel: 1472 November 3). Martin Roland

    • N1: Wappen ()de: N1: Wappen | en: N1: Coat of arms | fr: N1: Blasons | it: N1: Stemmi
      Wappen sind Bildzeichen, die Personen oder personengruppen (in der Schlacht) erkennbar machen. Ab etwa 1300 werden Wappen durch Urkunden verliehen. Bei Wappenbriefen ist das Bildzeichen der zentrale Rechtsinhalt; fast immer ist daher eine Wappenminiatur Teil des Layout-Konzepts: erstes Beispiel von 1316 März 11. Die ersten Darstellungen von Wappen finden sich aber an anderer Stelle; zuerst ganz bescheiden ( 1295), dann im Randdekor ( 1315 und 1319). Den bemerkenswertesten Fall ist wohl der illuminierte Urfehdebrief von 1361 November 12, auf dem die Wappen von 106 Rittern dargestellt sind. Die Kanzlei der Herzoge von Mailand hat viele ihrer prächtigen Urkunde mit einem Wappen „markiert“, das, oft gemeinsam mit Bilddevisen, den oberen Rand des Pergaments füllt: vgl. ein frühes Beispiel von 1412 Dezember 8. Martin Roland

    • N1: gezeichnet ()de: N1: gezeichnet | en: N1: drawn | fr: N1: à la plume | it: N1: a penna
      Neben Kriterien, die sich darauf beziehen, wo der Dekor angebracht ist (Initiale / Bildfeld bzw. Miniatur / Randbereich) und der Unterscheidung, ob die Darstellungen sich auf den Inhalt beziehen, gibt es auch der technischen Differenzierungen: Wurde Farbe verwendet oder nicht, wurde mit der Feder oder einem Stift gearbeitet (also gezeichnet) oder mit dem Pinsel (also gemalt). Bei Beispielen vor 1300 überwiegt die Zeichnung, nach 1300 überwiegt die Malerei deutlich. Im Binnenfeld einer Initiale eines Sammelablasses von 1363 September 6 hat sich eine gezeichnete Heiligenfigur „verirrt“, die sowohl im Musterbuch einer Meisterwerkstatt als auch als frühe autonome Künstlerzeichnung gute Figur machen würde. Ganz bewusst auf Malerei und Farbe verzichten die Papsturkunden, die ab Sixtus IV. auch mit Wappen und anderem historisierten Elementen ausgestattet sein können: vgl. z. B. 1472 März 15. Wie Zeichnung von Malerei zu unterscheiden ist, ist in den grossen Linien offensichtlich. Mit welchen Kriterien jedoch bei einer Definition gearbeitet werden soll, wird kontrovers diskutiert. Hier wird aus rein pragmatischen Gründen, nach dem Werkzeug des Auftragens der Farben unterschieden: Pinsel => Malerei bzw. Feder/Stift/Kreide => Zeichnung Vielfach sind die Techniken nicht klar zu scheiden; es wird vorgezeichnet und koloriert bzw. auch fein und malerisch laviert; auch bei Darstellungen, die auf Farbe verzichten, kommt durchaus auch der Pinsel zum Einsatz und es wird „en grisaille“ gearbeitet. Martin Roland

    • N1: gemalt ()de: N1: gemalt | en: N1: painted | fr: N1: peinte | it: N1: dipinta
      Neben Kriterien, die sich darauf beziehen, wo der Dekor angebracht ist (Initiale / Bildfeld bzw. Miniatur / Randbereich) und der Unterscheidung, ob die Darstellungen sich auf den Inhalt beziehen, gibt es auch der technischen Differenzierungen: Wurde Farbe verwendet oder nicht, wurde mit der Feder oder einem Stift gearbeitet (also gezeichnet) oder mit dem Pinsel (also gemalt). Bei Beispielen vor 1300 überwiegt die Zeichnung, nach 1300 überwiegt die Malerei deutlich. Die im Juni 2018 unter den gemalten Urkunden erstgereihte, markiert einen Höhepunkt, eine „Einzelminiatur“ im schönsten rheinischen Zackenstil ( 1258, vor), deren „Urkundencharakter“ freilich einer genauen Prüfung nicht standhält. In den 20 Jahren von 1328 bis 1347 finden sich im Juni 2018 187 gemalte Urkunden, ein Drittel des Gesamtbestandes (nicht 674 wie angezeigt, sondern weniger, da bei lombardischen Urkunden sowohl der deutsche als auch der italienische Eintrag gezählt wird). Eine Werkstatt in Avignon, die Ablassplakate massenweise herstellt (siehe Bischofsammelindulgenzen), ist für die dichte Produktion dieser Jahre verantwortlich. Auch die zweite „Massengruppe“, die Wappenbriefe, weist vor allem gemaltes Material auf. Ein weiterer sowohl qualitativer als auch quantitativer Schwerpunkt ist – auch wegen der ziemlich vollständigen Aufarbeitung – bei den illuminierten Produkten der Lombardei (Urkunden der herzoglichen Kanzlei) zu suchen: frühestes Beispiel derzeit von 1407 August 22. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Gruppe der Kardinalsammelindulgenzen. Sie werden mit bloss konturiertem Namen des Erstausstellers und breiten Rändern behändigt. Ab den 1470er Jahren malen unterschiedliche (vornehmlich römische) Werkstätten vielfach prunkvolle, oft dreiseitige Bordüre um den Text: ein frühes Beispiel: 1472 November 3. Martin Roland

  • Niveau 2 ()de: Niveau 2
    Niveau 2 umfasst Urkunden mit in der Regel graphischem Dekor (also ohne Farbe), der entweder über das allgemein Übliche der Zeit hinausgeht oder einen speziellen Kanzleigebrauch dokumentiert. Initial- und Randdekor werden vom Fleuronnée, einem spezifisch gotischen Liniendekor dominiert. Als „Besonderheiten“ treten gegenständliche, figürliche (anthropomorphe) und zoomorphe Motive hinzu, die rein dekorative Funktion haben, also ohne Bezug zu Inhalt sind. Ein weiteres bemerkenswertes Spezifikum sind Zierschriften.

    skos:narrower

    • N2: Fleuronnée ()de: N2: Fleuronnée | en: N2: Penwork(Fleuronnée) | fr: N2: Décor à filigranes (filigrané, fleuronné) | it: N2: Decoratione filigranata
      Fleuronnée bezeichnet eine spezifische Form von Liniendekor der Gotik, der vollfarbig ausgemalte Initialen umgibt. Einem Prinzip des Schriftwesens der Gotik folgend wurde Buchstabenkörper und Ornament klar getrennt und damit die Lesbarkeit des Buchstaben im Vergleich zur Romanik deutlich gesteigert. Fleuronnée hat Vorstufen in der westeuropäischen Initialgestaltung des 12. Jahrhunderts, ist aber ein Phänomen, das ab dem 13. Jahrhundert prägend wirkt. Die Formen des Fleuronnée sind je nach Entstehungsregion und Entstehungszeitpunkt unterschiedlich. Die Untersuchung von Fleuronnée, das auf fest datierten Urkunden auftritt, gibt der Forschung viele neue Fixpunkte, die vor allem auch für die Frühzeit neue Erkenntnisse ermöglichen. Die folgende Liste zeigt Beispiele beinahe im Jahresrhythmus, mitunter sich die Abfolge deutlich dichter und ermöglicht eine gute Auswertung. Eine Sonderphänomen sind figürliche Einsprengsel innerhalb des Ornaments. Diese treten bei Urkunden erstaunlich früh auf (z. B. Papst Gregor IX von 1229 April 5): siehe gegenständliche Motive, figürlich, zoomorph. Sowohl Buchstabenkörper als auch graphischer Dekor können auch farbig gestaltet sein: siehe Niveau 1: mit zusätzlichen Farben. Für weitere Informationen siehe http://monasterium.net/mom/index/IllUrkGlossar/Fleuronnee

    • N2: Initiale ()de: N2: Initiale | en: N2: Initials | fr: N2: Initiales | it: N2: Iniziali
      Dekor konzentriert sich im Zusammenhang mit Schrift in der Regel auf den ersten Buchstaben des Textes, die Initiale. Seltener sind auch Abschnitte im Text formal hervorgehoben. Wenn zusätzlich in und um die Initiale graphischer Dekor auftritt, spricht man in der Regel von Fleuronnée (siehe dort). Martin Roland

    • N2: Ornamentfelder ()de: N2: Ornamentfelder | en: N2: Panels | fr: N2: Tableaux | it: N2: Panelli
      Während die Verwendung von Farben für Kunsthistoriker und Buchmalereiforscher selbstverständlich ist, ist deren Verwendung – abgesehen von seidenen Siegelfäden und dem farbigen Wachs der Siegel – bei Urkunden höchst ungewöhnlich.

    • N2: Randdekor ()de: N2: Randdekor | fr: N2: Bordures | it: N2: Prolungamenti marginali | en: N2: Borders
      Graphischer Dekor konzentriert sich in der Regel auf die Initiale (siehe dort) und auf deren Umfeld (vgl. Fleuronnée – siehe dort). Wenn sich der (Fleuronnée-)Dekor weiter entlang des Schriftspiegels ausbreitet, spricht man von Randdekor. Einen Ornamentrahmen kann man zuerst bei zwei spanischen Urkunden beobachten, die jeweils Ketubbot (Heiratsurkunden der jüdischen Gemeinde) überliefern: 1300 August 18 und 1309 Mai 15. Martin Roland

    • N2: Gegenständliche Motive (nicht historisiert) ()de: N2: Gegenständliche Motive (nicht historisiert) | en: N2: Depictive motives (not historiated) | fr: N2: Motifs objectif (pas historié) | it: N2: Motivi concreti non istoriati
      Die Buchmalereiforschung unterscheidet streng zwischen Motiven, die eine Bildaussage haben, also eine „Geschichte“ erzählen – diese werden unter Niveau 1 abgehandelt – und gegenständlichen, figürlichen (anthropomorphen) und zoomorphen Motiven, die rein dekorative Funktion haben. Im (gezeichneten und nicht farbigen) Dekor sind mitunter figürliche (anthropomorphe) und zoomorphe Motive „versteckt“. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen treten andere gegenständliche Motive im Dekor auf, die keine Aussage haben, sondern rein dekorativ sind. In der Frühzeit ist auf Notarszeichen zu verweisen, die aus zoo- und anthromomorphe Motiven gebildet sind oder solche enthalten. Später sind „Drôlerien“ ohne mit dem Inhalt des Schriftstücks verbundener Aussage in den Fleuronnée-Dekor oder in den Dekor von Zierschriften eingestreut. „Mischwesen“ aus tierischen und menschlichen Teilen werden beiden Gruppen zugerechnet. Derzeit erstes Beispiel ist ein Drache in einer gezeichneten Initiale von 1202 Dezember 3. Selten erreicht dieser Dekor höheres künstlerisches Niveau: als herausragendes Beispiel ist eine Urkunde König Philipps V. von Frankreich aus dem Juni 1318 zu nennen. Oft sind die Beispiele sehr einfach; exemplarisch seien die vergleichsweise häufig auftretenden Fischinitialen genannt, die oft kaum als zoomorph zu erkennen sind: z. B. 1441 Juli. Martin Roland

      skos:narrower

      • N2: figürlich ()de: N2: figürlich | en: N2: figural | fr: N2: figuratif | it: N2: figurali
        Die Buchmalereiforschung unterscheidet streng zwischen Motiven, die eine Bildaussage haben, also eine „Geschichte“ erzählen – diese werden unter Niveau 1 abgehandelt – und gegenständlichen, figürlichen (anthropomorphen) und zoomorphen Motiven, die rein dekorative Funktion haben. Im (gezeichneten und nicht farbigen) Dekor sind mitunter figürliche (anthropomorphe) und zoomorphe Motive „versteckt“. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen treten andere gegenständliche Motive im Dekor auf, die keine Aussage haben, sondern rein dekorativ sind. In der Frühzeit ist auf Notarszeichen zu verweisen, die aus zoo- und anthromomorphe Motiven gebildet sind oder solche enthalten. Später sind „Drôlerien“ ohne mit dem Inhalt des Schriftstücks verbundener Aussage in den Fleuronnée-Dekor oder in den Dekor von Zierschriften eingestreut. „Mischwesen“ aus tierischen und menschlichen Teilen werden beiden Gruppen zugerechnet. Derzeit erstes Beispiel ist ein Drache in einer gezeichneten Initiale von 1202 Dezember 3. Selten erreicht dieser Dekor höheres künstlerisches Niveau: als herausragendes Beispiel ist eine Urkunde König Philipps V. von Frankreich aus dem Juni 1318 zu nennen. Oft sind die Beispiele sehr einfach; exemplarisch seien die vergleichsweise häufig auftretenden Fischinitialen genannt, die oft kaum als zoomorph zu erkennen sind: z. B. 1441 Juli. Martin Roland

      • N2: zoomorph ()de: N2: zoomorph | en: N2: zoomorophic | fr: N2: zoomorphe | it: N2: animali
        Die Buchmalereiforschung unterscheidet streng zwischen Motiven, die eine Bildaussage haben, also eine „Geschichte“ erzählen – diese werden unter Niveau 1 abgehandelt – und gegenständlichen, figürlichen (anthropomorphen) und zoomorphen Motiven, die rein dekorative Funktion haben. Im (gezeichneten und nicht farbigen) Dekor sind mitunter figürliche (anthropomorphe) und zoomorphe Motive „versteckt“. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen treten andere gegenständliche Motive im Dekor auf, die keine Aussage haben, sondern rein dekorativ sind. In der Frühzeit ist auf Notarszeichen zu verweisen, die aus zoo- und anthromomorphe Motiven gebildet sind oder solche enthalten. Später sind „Drôlerien“ ohne mit dem Inhalt des Schriftstücks verbundener Aussage in den Fleuronnée-Dekor oder in den Dekor von Zierschriften eingestreut. „Mischwesen“ aus tierischen und menschlichen Teilen werden beiden Gruppen zugerechnet. Derzeit erstes Beispiel ist ein Drache in einer gezeichneten Initiale von 1202 Dezember 3. Selten erreicht dieser Dekor höheres künstlerisches Niveau: als herausragendes Beispiel ist eine Urkunde König Philipps V. von Frankreich aus dem Juni 1318 zu nennen. Oft sind die Beispiele sehr einfach; exemplarisch seien die vergleichsweise häufig auftretenden Fischinitialen genannt, die oft kaum als zoomorph zu erkennen sind: z. B. 1441 Juli. Martin Roland

    • N2: Zierschrift (Auszeichnungsschrift) ()de: N2: Zierschrift (Auszeichnungsschrift) | en: N2: Display script (with decorative character) | fr: N2: Écriture dʼapparat | it: N2: Scrittura distintiva (calligrafica)
      Eine von der Textschrift durch ausschliessliche Verwendung von Majukeln, Grösse und/oder Hinzufügung von spezifischen Zierelementen unterschiedene Schrift, die vor allem das erste Wort / den Textanfang / die erste Zeile hervorhebt. Zierschriften (zierschriftliche Elemente) sind ein zentrales Motiv, das Urkunden zu einem Schauerlebnis machen. Das Spektrum reicht von einfachen Formen über urkundenspezifische Formen (Elongata: z. B. 1005 August 25) bis zur Chrysographie (dem Schreiben mit goldener Tinte); z. B. im Ottonianum von 962 Februar 13. Die Zusammenstellung, die hier versammelt ist, kann als herausragendes Hilfsmittel sowohl für die paläographische als auch für die kunstgeschichtliche Forschung gelten. Ein Beispiel von 1248 Mai illustriert, zu welch hervorragenden Leisteungen auf dem Gebiet der Zierschriften kommen kann: das Schriftband ist von hervorragendem Fleuronnée hinterblendet. Manche Lösungen wirken wie modernes Schriftdesign (vgl. 1253 Februar 6). Die Kanzlei Kaiser Ludwige des Bayern, namentlich der Notar Leonhard von München, hält einige hervorragende Beispiele auf dem Gebiet der Zierschrift bereit, die von künstlerischer Raffinesse nur von den Produkten der Kanzlei Karls V. von Frankreich (Charles le Sage) übertroffen werden. Formal ganz anders sind die Ergebnisse, die von den Mundatoren der päpstlichen Kanzlei in den Jahren von 1380 an geleistet wurden (Stefano de Aquila, Jeronimo de Ferentino, Barthélemy Poignare, Baptista Palavicinus). Martin Roland

    • N2: andere ()de: N2: andere | en: N2: other | fr: N2: autres | it: N2: altri
  • Niveau 3 ()de: Niveau 3
    Niveau 3 umfasst Originalausfertigungen mit urkundenspezifischen graphischen Zeichen. Chrismon, Monogramm und Rekognitionszeichen treten (vor allem) der Herrscherurkunde auf, Rota und Benevalete vor allem in der Papsturkunde. Notarssignete sind graphische Zeichen, die der Notarsurkunde eigen sind, die in Italien (und in anderen Regionen um das Mittelmeer) zuerst auftreten.

    skos:narrower

    • N3: Chrismon ()de: N3: Chrismon | en: N3: Chrismon | fr: N3: Chrismon | it: N3: Chrismon
      Das Chrismon ist ein graphisches Zeichen, das vor dem Beginn des Urkundentextes steht (seltener auch an anderen Stellen). Oft steht es – gleichsam als non-verbale Invocatio (symbolische Invocatio) vor dieser Anrufung Gottes. Das Chrismon kann formal sehr unterschiedlich gestaltet sein: eine vertikale Linien mit zusätzlichem Dekor (Wellenlinien, etc.), C-Form mit kleinteiliger Gestaltung des Binnenfeldes oder Kreuzformen; in Spanien erscheint auch die Chi-Rho-Form. Das Chrismon tritt ab dem 7. Jahrhundert vor allem in Königurkunden des fränkischen Reichs und später in Königs- und Kaiserurkunden des Heiligen Römischen Reichs und anderer Monarchien auf. Ab dem 12. Jahrhundert wird das Chrismon seltener verwendet. Eine herausragende Einzelleistung ist eine Urkunde, die 1021 Oktober 14 ausgestellt wurde und die einen gezeichneten Kopf neben einem Kreuz zeigt. Martin Roland Eisenlohr 1996, passim ( Volltitel auf Zotero)
      https://de.wikipedia.org/wiki/Chrismon_(Diplomatik)
      http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_167

    • N3: Monogramm ()de: N3: Monogramm | en: N3: Monogram | fr: N3: Monogramme | it: N3: Monogramma
      Seit der Zeit Karls des Grossen ist das Monogramm des Herrschers Teil des Eschatokolls der Königs- bzw. Kaiserurkunden. Formal ist das Monogramm ein aus verbundenen Buchstaben zusammengesetztes graphisches Zeichen. Zuerst werden alle Buchstaben des Namens des jeweils ausstellenden Herrschers zusammengefügt, später können auch weitere Buchstaben (z. B. aus der Titulatur etc.) aufgenommen werden. Selten werden auch Urkunden ausserhalb der Herrscherurkunde – also z. B. Bischofs- oder Herzogsurkunden – mit einem Monogramm versehen. Bei Papsturkunden wird das „Benevalete“ (siehe dort) in der Form eines Monogramms gestaltet (seit Leo IX.: reg. 1049–1054). Das Monogramm – weil es Teil feierlicher Privilegien ist – wird ab dem 13. Jahrhundert, als solche Urkunden selten ausgestellt werden, nur noch vereinzelt verwendet. Martin Roland http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_148

    • N3: Rekognitionszeichen (Bienenkorb) ()de: N3: Rekognitionszeichen (Bienenkorb) | en: N3: Signum recognitions | fr: N3: Signum recognitions (ruche) | it: N3: Signum recognitions
      Das Rekognitionszeichen ist ein graphisches Zeichen, das Teil des Eschatokolls der (frühmittelalterlichen) Herrscherurkunde ist. Es ist Teil der "Gegenzeichnung" durch "Beamte", die den in der Urkunde ausgedrückten Herrscherwillen gleichsam institutionalisieren. Formal sehen Rekognitionszeichen oft wie Bienenkörbe aus. Die abstrakt wirkenden kleinteiligen Elemente im Rekognitionszeichen sind tironische Noten (eine spätantike Kurzschrift) bzw. daraus optisch abgeleitete Ornamente. Der eigenhändige Anteil des rekognoszierenden Beamten (Erzkanzlers) ist zwar funktional vorgesehen, in der Realität aber selten nachweisbar und oft auch nicht vorhanden.
      Martin Roland https://de.wikipedia.org/wiki/Rekognitionszeichen http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_149

    • N3: Rota ()de: N3: Rota | en: N3: Rota | fr: N3: Rota | it: N3: Rota
      Die Rota ist ein graphisches Zeichen, das seit Papst Leo IX. (reg. 1049–1054) gemeinsam mit dem „Benevalete“ (siehe dort) als Teil des Eschatokolls feierliche Papsturkunden graphisch hervorhebt. Die Rota besteht aus zwei konzentrischen Kreisen, die Kreisscheibe ist durch ein Kreuz in Viertel geteilt. Im Kreisring steht eine Wortbotschaft des jeweiligen Papstes (Devise), die vier Viertel sind unter anderem mit dem Papstnamen gefüllt. Der eigenhändige Anteil des jeweiligen Papstes ist zuerst erheblich, geht dann zurück und wird um 1100 durch die eigenhändige Unterschrift des Papstes ersetzt. Selten treten von der Rota abgeleitete graphische Zeichen in anderen als Papsturkunden auf (vgl. z. B. 1336 Mai 31). Als geschlossene Gruppe ausserhalb der Papsturkunde sind die „Privilegios rodados“ spanischer Könige zu nennen.
      Martin Roland https://de.wikipedia.org/wiki/Rota_(Diplomatik) http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_153

    • N3: Benevalete ()de: N3: Benevalete | en: N3: Benevalete | fr: N3: Benevalete | it: N3: Benevalete
      Das Benevalete ist ein graphisch gestalteter Gruss, der seit Papst Leo IX. (reg. 1049–1054) gemeinsam mit der „Rota“ (siehe dort) als Teil des Eschatokolls feierliche Papsturkunden graphisch hervorhebt. Formal wird das Benevalete als Monogramm in der Art der Monogramme (siehe dort) von Herrscherurkunden gestaltet. Der eigenhändige Anteil des jeweiligen Papstes ist zuerst erheblich und geht dann zurück und wird dann (um 1100) durch die eigenhändige Unterschrift des Papstes ersetzt. Martin Roland https://de.wikipedia.org/wiki/Bene_valete http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_155

    • N3: Notarssignet ()de: N3: Notarssignet | en: N3: Signum notarile | fr: N3: Signum notarile | it: N3: Signum notarile
      Die rechtsichernde Beglaubigung von Urkunden kann durch einen Notar erfolgen oder durch das Aufdrücken oder Anhängen eines Siegels des Ausstellers. Der das Dokument schreibende Notar nennt nach dem Text seinen Namen und fügt ein ihn persönlich ausweisendes graphisches Zeichen hinzu. In Italien und anderen Regionen im Umfeld des Mittelmeeres entwickelt sich die Tradition aus antiken Quellen. Die Zeichen sind in der Regel sehr einfach und entwickeln sich vor allem aus dem Kreuz, so wie es auch vor Zeugenunterschriften steht. In Süditalien kann man selten auch gegenständliche, zoo- oder anthropomorphe Formen finden, die mitunter sprechend auf den Namen des Notars Bezug nehmen können. Die Auswahl, der in dieser Sammlung präsentierten Notarszeichen konzentriert sich auf derartige Beispiele. Nördlich der Alpen treten das Notariat und damit die Signete erst wesentlich später auf. Die Zeichen haben oft eine charakteristische Monstranz-Form. In der Neuzeit werden auch Drucktechniken herangezogen, was systemisch zu Widersprüchen mit der beglaubigenden Funktion der Zeichen führt. Martin Roland https://de.wikipedia.org/wiki/Notariatssignet http://www.cei.lmu.de/VID/#VID_151

    • N3: andere Beglaubigungszeichen ()de: N3: andere Beglaubigungszeichen | en: N3: Other signs of authentication | fr: N3: Autres signes de validation | it: N3: Altri segni di autenticazione