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libri ordinarii of the Salzburg metropolitan province

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Seckau

Die drei Libri Ordinarii aus dem obersteirischen Chorherrenstift Seckau

Im Jänner 1140 stiftete Adalram von Waldeck aus dem Geschlecht der Herren von Traisen (Niederösterreich) gemeinsam mit seiner Gattin Richiza in Feistritz/St. Marein bei Knittelfeld (Steiermark) ein reguliertes Chorherren- und Chorfrauenstift. Das Stifterpaar übereignete die Gründung Erzbischof Konrad I. von Salzburg (ca. 1075-1147), der sie am 12. Juli 1140 besiedeln ließ. Im Mai 1141 wählten die Chorherren im Kapitel unter Beisein des Bischofs Roman von Gurk (vor 1100–1167) den ehemaligen Salzburger Domherrn Wernher von Galler zu ihrem ersten Propst. Schon 1142 wurde die Stiftung jedoch an einen wenige Kilometer entfernten, ruhigeren Ort verlegt, aus dessen Bibliothek die drei vorgestellten Libri Ordinarii stammen: Seckau.


Die Codices zählen zu den etwa 340 Handschriften, die im Zuge der Klosteraufhebungen unter Kaiser Joseph II. (1741-1790) im Jahr 1782 aus Seckau in den Besitz der Universitätsbibliothek Graz gelangten.

Codex Graz, Univ.-Bibl., Ms 208 (Seckau-1)

Der älteste Seckauer Liber Ordinarius A-Gu 208 ist eine unauffällige, nicht ganz vollständig erhaltene romanische Pergamenthandschrift (12./13. Jahrhundert), die zum größten Teil von einer einzigen Hand, die sich auch in weiteren Codices der Seckauer Bibliothek findet, geschrieben wurde. Der Codex, dessen Incipit ihn als „ORDO siue Breuiarium de ecclesiasticis obseruationibus quomodo legendum vel canendum sit per circulum anni“ (Ms. 208, fol. 1r) ausweist, vermerkt auf seinen 46 Folien in Kurzform die Liturgie einer regulierten Kanonikergemeinschaft. Er wurde in späterer Zeit (16./17. Jahrhundert) mit einem papierenen Anhang vereint, der liturgische Gesangsteile, notiert in römischer Quadratnotation, überliefert (Ms 208, foll. 47-70).

Die im Grazer Handschriftenkatalog als „Directorium liturgicum Salisburgense ad usum ecclesiae collegiatae Seccoviensis“ beschriebene Quelle überliefert in ihrer Anlageform liturgische Gewohnheiten aus dem Raum der mittelalterlichen Diözese Passau und wurde erst im Nachhinein durch eine sehr geübte, klein schreibende Hand überarbeitet und für den liturgischen Gebrauch von Seckau adaptiert. Das „neue“ Formular enthält sowohl Elemente der Passauer als auch der Salzburger Liturgie und kann als Mischform beider Liturgiefamilien betrachtet werden.

Zum Liber Ordinarius Seckau 1.

Codex Graz, Univ.-Bibl., Ms 756 (Seckau 2)

Die zweite Quelle ist der etwa 150-170 Jahre jüngere Seckauer Liber Ordinarius A-Gu 756 aus dem Jahr 1345. Diese Handschrift wurde 2009 im Rahmen einer Dissertation an der Kunstuniversität Graz unter dem Titel „Der Seckauer Liber ordinarius von 1345 (A-Gu 756) – Edition und Kommentar“ von Inga Behrendt vorgestellt und bietet einen Einblick in die vielgestaltige Liturgie des mittelalterlichen Augustiner Chorherrenstiftes im 14. Jahrhundert. Der Codex ist eine erweiterte Abschrift des älteren Liber Ordinarius Ms 208 mit einem beigebundenen Cantionar, das liturgisches Eigen- und volkssprachiges Liedgut aus Seckau verzeichnet. Die Dissertation bietet ein Incipitverzeichnis dieses liturgischen Anhangs und erstmalig eine Besprechung der linienlosen Notation (adiastematische Neumen) aus dem 14. Jahrhundert in Seckau. Die hier vorliegende digitale Edition wurde von Gionata Brusa auf Grundlage des Originalmanuskripts Ms 756 neu transkribiert und ausgezeichnet.

Codex Graz, Univ.-Bibl., Ms 1566 (Seckau 3)

Der dritte Liber Ordinarius A-Gu 1566 ist die jüngste der drei Handschriften. Der Codex stammt aus dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts (zwischen 1595 und 1600) und gewährt Einblick in die mehr als 250 Jahre kontinuierliche liturgische und musikalische Entwicklung der Seckauer Liturgie nach der Verschriftlichung durch Ms 756. Auch er wurde im Rahmen einer 2016 abgeschlossenen Dissertation von Réka Miklós bearbeitet. Der Liber Ordinarius gilt als eines der spätesten Beispiele seiner Art und steht an der Schwelle zu den liturgisch-musikalischen Umwälzungen im Gefolge des Konzils von Trient. Es handelt sich somit um die letzte Dokumentation Seckauer Eigenliturgie vor der Übernahme des römischen Ritus im Jahre 1600.

von Thomas Csanády

Zum Liber Ordinarius Seckau 3.

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