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libri ordinarii of the Salzburg metropolitan province

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Brixen

Der Brixner Liber Ordinarius

Bis zum Jahr 1920 war die Stadt Brixen/Bressanone Bischofssitz einer großen Diözese, die sich nicht nur im Süden über die Alpen erstreckte, sondern auch in Nordtirol entlang des Inns. Während des 10. Jahrhunderts wurde Brixen zum kirchlichen Zentrum. Definitiv ab 990, als der Bischofssitz von Säben (Sabiona), einem Bistum, dessen Ursprung ungeklärt bleibt, nach Brixen verlegt wurde. Die Diözese von Säben war ursprünglich Teil des Patriarchats von Aquileia und kam im Jahr 798 zur neugegründeten Metropole Salzburg.


Heute wird eine Kopie des Liber Ordinarius von Brixen in der Bibliothek des Kollegiatstifts Innichen (San Candido) aufbewahrt (Codex VII A 10). Der Regeltext ist Teil einer komplexen liturgischen Sammelhandschrift, welche unter anderen ein Kalendar – secundum consuetudinem ecclesiae Brixinensis – enthält, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschrieben wurde.

Leider ist der Liber Ordinarius unvollständig. Es fehlen zwei wichtige Teile – von den Laudes des Gründonnerstags bis zum Fest Papst Urbans sowie von Samstag nach Pfingsten bis zum Festtag der Heiligen Gervasius und Protasius. Der Regeltext endet abrupt mit dem Fest Vincula Petri.

Ungeachtet dessen ist der Liber Ordinarius die älteste erhaltene Quelle für die Liturgie von Brixen. Obwohl der Text keinerlei Hinweise gibt, können wir ihn – entsprechend paläographischer und kodikologischer Befunde – der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zuweisen. Das Vorhandensein des Eigenoffiziums für Ingenuin und Albuin, den Zweitpatronen der Kathedrale von Brixen, weist deutlich auf die Provenienz des Ordinarius hin.

Darüber hinaus sind alle im Text erwähnten Kirchen bzw. Kapellen mit dem bischöflichen Zentrum in Brixen verbunden: Die Kapellen für die heilige Maria und den heiligen Johannes sind im Kreuzgang auf der rechten Seite des Dombezirks zu finden, während sich auf der anderen Seite die Pfarrkirche von St. Michael erhebt. Das vierte, heute nicht mehr existierende Gotteshaus Sancta Crux in Insulam lag ebenfalls nicht weit vom Dom entfernt. Man erreichte die Kirche über eine Brücke in der Nähe des heutigen Priesterseminars über die Eisach, die zusammen mit dem Fluss Rienz eine kleine Halbinsel bildet. Ferner erinnert der Liber Ordinarius an zwei Orte in der Kathedrale: Den St. Agnes- Altar, deren Kult sehr wichtig wurde, nachdem Papst Damasus II. (1047-1048), ein ehemaliger Bischof von Brixen, ihre Reliquien der Diözese stiftete. Ferner an das sepulchrum beati Hartmanni, Bischof von Brixen, der unmittelbar nach seinem Tod 1164 seliggesprochen wurde.

Das Manuskript stellt die einzige Quelle dar, die das Repertoire der Introitus-Tropen, die in Brixen während des Mittelalters verwendet wurden, überliefert. Obgleich unvollständig, ist es dem im südostdeutschen Raum verbreiteten Archetypus des so genannten „Kurztropars Typus β“ – gemäß der Nomenklatur von Andreas Haug – sehr ähnlich. Zusätzlich zu den Standardtropen für Nativitas Domini, Stephani, Ioannis Evangelista, Epiphania, Purificatio, Ascensio und Pentecosten sind solche für die Bistumspatrone Ingenuin und Albuinus enthalten.

von Gionata Brusa

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