Erinnerungen an Gratz

[1]

1.

Die Hauptstadt Grätz.

Aus Trümmern des grauen Alterthums, wovon bis in unsere Zeit noch Spuren geblieben, erhob sich nach und nach diese freundliche Stadt.

Es war gegen das Ende des achten Jahrhunderts, als ein deutsches Volk von dieser Gegend Besitz nahm und die Keime aussteckte, die endlich zu einer Stadt gediehen, welche nun in den deutschen Erblanden nach Wien und Prag am üppigsten blühet.

Unter den theils niedlichen, theils prächtigen Woh-nungen der nahe an vierzig tausend biedern und frohsin-nigen Bewohner, erheben sich auch Gebäude, die der wißbegierige Fremde zuerst besuchen soll.

Er betrachte sich denn den reichen Bücher-, Natura-lien-und Alterthümerschatz des Joanneums; bewundere die Gemälde der Bildergalerie; suche Einlaß zu dem bedeutenden und merkwürdigen Waffen- Vorrathe des [2] ständischen Zeughauses, und nehme die vielen Unterrichts-und Wohlthätigkeits-Anstalten in Augenschein; und wenn ihn all' dieß Gesehene recht erwärmt, erquickt hat, und durchdrungen mit Verehrung für den Für-sten und Achtung für das Volk, unter welchen so viel Gutes und Schönes gedeiht, dann erst beginne er die genußreiche Wanderung außer der Stadt.

2.

Der Hauptplatz.

Vor allem fällt hier das schöne Rathhaus in die Augen. Es wurde durch Christian Stadler erbaut und im Jahre 1807 vollendet. Die über der Hauptfronte be-findlichen Statuen der Clio und Themis, nebst dem Wap-penpanther und einigen Genien mit Gerichtsattributen, sind vom Bildhauer Gagon.

Das Weiß'sche Haus zeichnet sich durch seine an-sehnliche Größe, und das v. Warnhauser'sche Eck-haus am Eingang der Sporgasse, durch seine alterthüm-lichen, mühsam gearbeiteten Verzierungen aus. Von sei-nem einstigen Besitzer Erasmus Lueger heißt es noch immer »am Lueg.«

Er hausete auf dem Schlosse Lueg in's Land, am Fuße des Schöckels zwischen Peckau und St. Stephan, [3]wovon nur noch wenige Spuren zu sehen. Ein Busen-freund und Verehrer des Andreas Baumkircher, mußte er nicht lange nach dessen Hinrichtung den Kai-ser als Hauptmann der Leibwache nach Frankfurt beglei-ten, wo bey einem Gelage der Hofmarschall Graf von Pappenheim über Baumkircher üble Nachrede ausstieß, worauf Lueger ihn auf der Stelle zwang, das Schwert zu ziehen und ihn im Zweykampf tödtete. Durch die Familie des Ermordeten angeklagt und ver-leumderisch einer Verschwörung mit dem Könige von Ungarn gegen Kaiser Friedrich verdächtig gemacht, wurde er zum Tode verurtheilt; entkam aber aus dem Gefängnisse durch Hülfe eines Freundes, und flüchtete sich auf sein Stammschloß Lueg in Krain, welches in eine Felsengrotte gebaut und weder mit Gewalt noch durch Hunger zu bezwingen war, weil es durch die Grotte verborgene Ausgänge hatte. Geächtet, aller sei-ner Einkünfte beraubt, fing er nun an, sich und seine Reisigen vom Raube zu nähren. Vergebens wurde sein Felsennest durch den kaiserlichen Hauptmann von Triest, Freyherrn von Rauber, mehrere Monathe lang bela-gert, bis er endlich, durch Verrath seines Dieners, der den Belagerern ein Zeichen gab, als er sich an ei-nem schwach befestigten Orte des Schlosses befand, wo-hin Jene vier Donnerbüchsen zugleich abfeuerten, von [4]herabgestürzten Felsstücken getödtet wurde. So fiel im Jahre 1484 der letzte Sprößling dieses tapfern Ritter-stammes.

Die am Eingange in den ersten Sack sich erhebende Dreyfaltigkeitsäule wurde im Jahre 1680, ex voto einer verheerenden Pest wegen, die diese Stadt so wü-thend entvölkerte, daß auch die sonst besuchtesten Plätze mit Gras bewachsen waren, aufgestellt.

Zwey bedeutende Jahrmärkte werden auf diesem Platze gehalten, wie auch der nur zwey Tage dauernde Nikolai-Markt, den die elegante Welt erst Abends bey heller Beleuchtung durchstreift, übrigens aber bloß für die glück-lichen kleinen Träumer, die Kinder, ein besonderes Interesse hat. Sonst ist der Hauptplatz vorzüglich an Wochenmärkten mit Früchten aus Ceres und Pomonens Füllhörnern überschüttet.

Durch die breite freundliche Herrengasse, vorüber an dem grauen Landhause, welches Alter und Bestimmung zu gleich ehrwürdig machen, und dem gemalten Hause, dessen schöne, kriegerische Frescobilder an den kräftigen Kriegersinn der Vorzeit mahnen, gelangt man zum eiser-nen Thore, welches diesen gewaltigen Namen wahrschein-lich seiner ehemaligen Stärke und Wichtigkeit verdankt; denn es wölbte sich unter einem kolossalen, fünf Stock-werke hohem Vertheidigungsthurm, der mit zahlreicher [5]Mannschaft besetzt werden konnte. Seine heutige Ge-stalt bekam es unter Erzherzog Carl II., der es mit Beyhülfe der Stände im Jahre 1575 erbaute, wie die Inschrift verkündet.

Durch den hier so regen Verschönerungssinn wur-de vor wenigen Jahren die Brücke dieses Thores in einen bequemen Damm umgewandelt, ein riesiger und eisenfest gebauter Orillon weggebrochen, und der Dammweg längs der Stadtmauer zur schattenreichen Allee am Glacis bewerkstelligt.

3.

Das Burgthor.

An der Burg, wo die tapfern Babenberger hauseten, und viele Söhne Habsburgs, wo Kaiser Fer-dinand dieß Leben erblickte, und aus welcher die Pohlenkönige Sigismund und U ladislaus, Phi-lipp III., König von Spanien, der Siebenbürger-Fürst Bathory und Herzog Maximilian von Bay-ern sich Gemahlinen holten; an dieser Burg befindet sich das Thor, welches übrigens bloß seiner merkwürdi-gen Nachbarin wegen Erwähnung verdient, indem es, abgerechnet das schön in Marmor gehauene österrei-chisch-steyerische Wappen, nichts Besonderes hat. Die [6]außer demselben befindliche Brücke ist von seltener Höhe, wird aber mit der Zeit ebenfalls zum Damm um-gestaltet seyn, zu welchem der Schutt des im Jahre 1823 durch die Flammen zerstörten Theaters einen gu-ten Grund legte. Inner diesem Thore ist ein Ciclus schöner und wichtiger Gebäude, die man selten irgend-wo so an einander gereihet finden dürfte.

Der Dom, von Friedrich dem Friedsamen im Jahre 1456 erbaut, mit seinen, von Adelichen des Landes errichteten Nebenkapellen.

Das Mausoleum Kaiser Ferdinand II., mit seinen Kuppeln und Thürmen, wo auch die irdischen Reste der Gemahlin dieses Monarchen, und seines im 14. Jahre verstorbenen Sohnes Johann Carl, wie auch die der unglücklichen Prinzessin von Artois, Ma-ria Theresia, Gemahlin des jetzt regierenden Kö-nigs von Frankreich Carl X., aufbewahrt werden.

Der über die Bürgergasse sich wölbende Communi-cationsgang verbindet die Domkirche mit dem ehema-ligen Jesuitencollegium, welches nun, als Semina-rium und Convict, die Jünglinge beherbergt, die hier zu Priestern und andern Staatsbürgern gebildet werden.

Mit diesem Gebäude hängt wieder die Universität zu- sammen, welche im Jahre 1586 von Erzherzog Carl errichtet, und nun, nachdem sie früher zum Lyceum herab-[7]gesetzt wurde, durch unsern gütigen und für alles Gute und Schöne so rege wirkenden Landesfürsten mit vielen Lehrkanzeln bereichert und in ihre vorige Würde einge-setzt ist.

Gegenüber prangt das Theater, welches aus der Asche des vorigen als eine würdige Wohnung Tha-liens emporstieg. Der Vorderflügel ist Terpsichorens Tempel, der Redoutensal, wo sich im Carneval rei-zende Schülerinen dieses lieblichen Göttermädchens zahlreich versammeln. Auch das Theater hängt durch einen bedeckten Gang mit der (zugleich das Gubernial- gebäude enthaltenden) Burg zusammen, deren erste Erbauung noch in die Zeit der Markgrafen von Steyer fällt, und die, selbst ein Alterthum, mehrere noch ältere Denkmäler enthält.

4.

Das Paulusthor mit dem Schloßberge.

Auf einen Hügel steigt der Mensch, wie das Kind auf einen Stuhl, um näher am Angesichte der un- endlichen Mutter zu stehen, und sie zu erlangen mit seiner kleinen Umarmung. Jean Paul.

Unter Ferdinand II. wurde dieß Thor im Jah-re 1625 erbaut. In seiner Nähe befinden sich die [8]Häuser der Leibenden und Unglücklichen, nämlich das allgemeine Krankenhaus, das Gebär-, Fin-del-und Irrenhaus, wie auch das Militär-spital. Das alte Thor dieses Namens steht am Ende der Sporgasse. Ueber demselben sieht man noch einen Theil des bedeckten Ganges, der einst aus der Burg auf den Schloßberg führte, zu dessen genußrei- chem Gipfel sich der Hauptweg ebenfalls in der Nähe dieses Thores emporwindet.

Erhaben ist der Anblick von Optschina über Triest und Adriens Fluthen, vom Markusthurme über die riesige Inselstadt; großartig zeigen sich vom Blocksberge die Nachbarstädte Ofen und Peth mit der mächtigen Donau, aber die Aussicht vom Grätzer Schloßberge ist lieblich, reizend; hier möchte man weilen und sich Hütten bauen. Allmälig verjüngen sich die steilen Hochgebirge von Ober-steyer in sanftere, waldreiche Berge und verlieren sich südlich durch dichtbepflanzte Weinhügel in offene Gegend. Dem engen Göttingerthale entwindet sich die silberglän-zende Mur, und drängt sich in vielen Krümmungen durch liebliche Auen und freundliche Vorstädte mit geschäf-tiger Eile ihrem Ziele entgegen. Gösting's stattliche Ruinen, Eggenberg, St. Martin und Straßgang ent-zücken den Fremdling, indem sie dem Eingebornen so manches Bruchstück vaterländischer Geschichte in Erin-[9]nerung bringen. Dort nördlich erhebt sich St. Veit's Thurm, und die schneeweiße Felsengloriette des roman-tischen St. Gotthard prangt auf dem Tannendunkel des Hintergrundes wie eine Perl im Kastanienhaare der schönen M. Hingestreut auf die buntgrünen Hü-gel winkt eine Menge niedlicher Landhäuser lockend her-über, und die Vorstädte Graben, Geydorf und St. Leonhard laden zum Besuche ein. Ueber alles dieß er-hebt der Schöckel sein kahles Haupt, und die Kirche Maria Trost sendet rings ihre Tröstungen auf die Ver-trauenden nieder. Sparbersbach, Lustbühel, St. Pe-ter und Liebenau schließen die bezaubernde Runde.

Hier ge undene römische Münzen und Denkmäler, wo-von das bedeutendste, die Thomaskirche, erst in unsern Tagen unterging, bezeugen genügend, daß die Bebau-ung dieses Berges bis in die Zeit der alten Römer zurückreiche. Später, unter Carl dem Großen, lie-ßen sich hier Deutsche, wahrscheinlich Bayern nieder, weil das damals über römische Trümmer gebaute Schloß bis ins sechzehnte Jahrhundert Bayrisch-Grätz genannt wurde. Unter den späteren Herren von Grätz standen auf dem Rücken dieses Berges zwei Schlösser, und ein drittes am Fuße desselben, ober dem heutigen Paulusthore, die unter sich nichts gemein hatten. Erst als im Jahre 1532 Ibrahim Pascha Grätz einschloß, [10]und die Bürger ihren letzten Zufluchtsort, den Schloß-berg, so lange tapfer und hartnäckig vertheidigten, bis Hanns Katzianer und Ungnad Freyherr von Sonneck die Belagerer in die Flucht schlugen, fing man an, diesen wichtigen Schutzpunkt für die neuere Taktik umzubauen. Dieß gelang nach dem Plane des Franz v. Poppendorf so gut und zweckmäßig, daß er damals allgemein für unüberwindlich gehalten und nicht mehr angefochten wurde. Von Kaiser Joseph II. zum Eingehen bestimmt, leistete diese Festung im Jahre 1809, unter dem Commando des Geniemajors Hacker v. Hart, doch noch trefflichen Widerstand gegen die Franzosen, die sie, angeführt vom General Brouffier, mit wiederholten Angriffen fruchtlos be-stürmten, bis sie endlich nach geschlossenem Waffenstill-stande dem zerstörenden Feinde übergeben werden mußte. Der Uhrthurm und jener hohe Thurm, worin sich die größte Glocke des Landes befindet, entgingen, durch die Verwendung der Bürger an den Marschall Macdonald, der Zerstörung. Hätte man doch auch die Rettung der St. Thomaskirche nicht vergessen, die einst ein römischer Tempel und wohl das merkwürdigste Alterthum war, was Grätz aufweisen konnte! Sie bestand aus zwey in einander geschlungenen Rotunden, deren eine merk-lich kleiner und mit der Rückseite gegen Norden gestellt [11]war. Ueber dem Eingange waren zwey große Löwen, jeder zwischen zwey Säulen ruhend, in Stein gehauen, woran man die Hand der Römer nicht verkennen konn-te, wie überhaupt dieß ganze Gebäude mit mehreren dergleichen Ruinen in Italien Aehnlichkeit hatte.

Im Uhrthurme hängt auch jene kläglich tönende Glocke, die das Signal zur Hinrichtung Andreas Baumkir-cher’s gab. Diese Glocke hieß ehemals die Armensünder-Glocke, weil sie bei Ausführung der Missethäter zum Richtplatz geläutet wurde, wozu ihr Jammerton wohl sehr paßte. Nun werden damit die Jahrmärkte ein-und ausgeläutet und täglich das Zeichen zur Anzündung der öffentlichen Laternlampen gegeben, auch hört der muntere Grätzer ihr memento mori alle Abende um 11 Uhr, und folgt ihrem Rufe, sich zur Ruhe zu begeben. Der Uhrthurm ist auch als die Geburtsstätte des be-rühmten Schauspielers Brockmann merkwürdig.

Der nun verschüttete Brunnen reichte bis unter das Niveau der Mur, wurde von gefangenen Türken aus-gegraben, und ein Kranz, von 12 Fuß im Durchmesser, ist mit großen Quadersteinen aufgemauert. Bey Spren- gung dieses mühsam erbauten Werkes stürzte ein franzö-sischer Capitain zufällig hinunter und wurde das Rache-opfer der erzürnten Najade dieser tiefen, herrlichen Quelle.

[12]

Die Herren Stände sind rühmlich beflissen, diesen Berg, der einst eine so ernste Bestimmung hatte, für seine jetzige, nämlich für einen freundlichen, genußrei-chen Spaziergang auszustatten.

In dem Gebäude, wo die zum Feuersignal bestimm-ten Kanonen aufgestellt sind, wird eine recht richtige plastische Darstellung des Schloßberges mit der ehe- maligen Festung gezeigt, die kein Fremder unbesucht lassen soll.

5.

St. Gotthard und St. Veit.

Sey mir gegrüßt du lieblich Thal Mit Fels-und Waldgebirg umschlossen, Wo schäumend rauscht der Wasserfall, Wo Feld und Garten üppig sprossen, An Vorzeit die Ruine mahnt! Du weckst in mir die seligen Träume, Die mich als Kind hier oft entzückt, Erhebst den Geist in Himmelsräume, Nach Eden glaubt er sich entrückt, Vergißt der Erde Gram und Tand.

Wer für zartere Anregung Sinn und Gefühl hat, und aus dem Felsenhäuschen dieses Parkes die Gegend betrachtet, wird gewiß seltsam ergriffen. Unter allen reizenden Partien der Grätzer Umgebung ist diese wohl [13]die vorzüglichte, weil sich hier so viel Schönes ver-eint; auch die durch dieses Thal laufende Wienercom-merzialstraße trägt das ihrige bey. Den vortheilhaf-ten und bequemen Standpunkt für dieß liebliche Ge- mälde verdankt der Besucher dem jetzigen Eigenthü-mer, Herrn Vincenz Fürst, Hammergewerken von Aflenz, dem es Freude macht, wenn Jemand an sei-nem Vergnügen Theil nimmt, darum auch der Park für jederman offen steht.

Dieses Gut war durch ein volles Jahrtausend ein Eigenthum der Fürst-Aebte von St. Lambrecht. Einer derselben, Benedict Pirin, bewirthete am 23. July 1660 Kaiser Leopol den mit seinem Hofstaate, als er zur Huldigung nach Grätz kam, dieser war es auch, der, als Denkmal an die Anwesenheit des Monarchen, die prächti-ge Kirche erbaute, von welcher Schloß und Gegend ihren Namen erhielten, wovon aber leider keine Spur mehr vor-handen ist, denn ein jemaliger Besitzer fand durch dieß Gotteshaus seine Aussicht maskiert und ließ es abbrechen.

Diese Kirche war nach dem Modelle römischer Bau-meister im erhabenen Style aufgeführt; sie prangte mit zwey Thürmen, eine hohe Kuppel war ihr Dach und unter dem Altare wölbte sich eine zierliche Gruft. Ueberdieß war sie so eisenfest gebaut, daß ihre Abtra-gung die überschlagenen Unkosten bedeutend überstieg.

[14]

Nach Aufhebung des genannten Stiftes kam St. Gott-hard an den landesfürstlichen Cameralfond, und von diesem durch Kauf an Freyherrn v. Mohren berg. Dieser würdige Besitzer, dem Steyermark noch manche andere Verschönerung zu danken hat, erbaute hier ein fehr artiges Casino zum Vergnügen des Gräger publi-kums. Doch auch dieses Gebäude hatte das Schicksal der erwähnten Kirche.

Ganz nahe bei St. Gotthard ragt der Thurm von St. Veit empor. Nach einigen Meffenstiftungen bestand diese Pfarre bereits im dreyzehnten Jahrhunderte; auch war sie einmal der Sitz des untersteyrischen Erzpriester thums. Das Hochaltarblatt ist ein Werk des vaterländi-fchen Künstlers Adam Weißkircher, und wurde von Joh. Siegfried Fürsten v. Eggenberg hingespendet.

6.

Der Ulrichsbrunn.

Unsere biedern Vorältern mögen es wohl mehr als wir gefühlt haben, mit welcher Zauberkraft eine freund-lich einsame Gegend auf Geist und Herz wirkt, weil sie so viele Kirchen und Kapellen der lieblich stillen Natur in den Schoos bauten. Hier athmet der Mensch freyer, enthebt sich leichter den kleinlichen Sorgen des [15] Lebens, fühlt inniger das große Wunder Natur, und zur Anbethung ihres Urhebers erhebt sich schneller der Geist. Dieses Kirchlein ist in einer schönen Waldgegend über eine frische Quelle gebaut, die hinter dem Altare hervorsprudelt. Am St. Ulrichstage (1. July, und ist dieß ein Werktag, am nächsten Sonntage) wird hier ein Fest gefeiert, zu welchem nicht nur die Landleute der ganzen Gegend, sondern auch die Bewohner der Hauptstadt sich zahlreich einfinden.

Es ist ein wahrhaft erhebender Anblick, während dem Gottesdienste die vielen Bethenden zu überschauen, welche, da das Kirchlein zu wenig Raum hat, die nächsten Anhöhen amphitheatralisch besetzen und im küh-len Waldesschatten ihre Andacht verrichten.– Sowohl dieser Wallfahrtsort als auch die ganze Umgebung sammt dem Wege aus der Stadt hieher, sind äußerst anmuthig und genußreich.

7.

Maria Grün.

Zarte Gattenliebe war die Veranlassung zum Da-seyn dieses Frauenkirchleins. Durch die schmerzlichen und gefahrdrohenden Kindesnöthen seiner Gattin Ro-sina geängstigt, gelobte Hanns Fritz, Bürger und [16]Gastwirth in Grätz, zu Ehren der Mutter Gottes ei-ne Kirche zu bauen, wenn Mutter und Kind der Ge-fahr glücklich entkommen würden. Rosina genas mit einem muntern Knaben, und freudig bestätigte Fritz sein Gelübde. Es war im Jahre 1665, als der Knabe be-reits groß genug war, einen kleinen Stein von sich werfen zu können; wo dieser hinfiel, wurde der Haupt-altar aufgestellt.

Vor diesem war hier nichts als eine Einsiedler-Klau-se, deren Bewohner der Vorsteher aller seiner Brüder in Steyermark war. Jene bärtigen Väter versammel-ten sich zu jeder Wahl ihres Oberhauptes in diesem Walde. Unter Kaiser Joseph II. wurde die Klause in eine Schule verwandelt, was sie bis heute blieb.

Maria Grün war der Lieblingsplatz des Grafen St. Leu (Ludwig Bonoparte). Oft weilte er hier und schrieb mehrere Denksprüche an die Kirchenmauer, er schien im diesem stillen Tempe Linderung seines Grames und Ver-gessenheit der Kränkungen zu finden, die das trügeri-sche Glück ihm zugefügt.

Am Gipfel des Berges, der dieß reizende Thal bildet, steht das Wirthshaus zum Stoffbauer, wo man, nebst verschiedenen Erfrischungen und zuweilen guter Gesellschaft, eine herrliche Aussicht findet. Aber von hier über den östlich sich hinziehenden Bergrücken gelangt [17]man zur Platte, wo den Ersteiger dieser Anhöhen sein Lohn erwartet. Der ungeheure Horizont umschließt ein Rundgemälde, wofür es keine Beschreibung gibt; nur das läßt sich darüber bemerken, daß man von die-sem Punkte beynahe über ganz Steyermark, hie und da aber auch noch in die Nachbarländer schauen kann.

8.

Der Windischgarten.

Als Erzherzog Carl in Grätz residierte, erbauten die päpstlichen Legaten zu ihren Wohnsitz das hier be-findliche schöne Gebäude, dem man es ansieht, daß seine Urheber aus dem Lande der erhabenen Baukunst waren. Später, als Grätz aufhörte eine Residenz zu seyn, kam dieser Garten durch Kauf an die Herren v. Stubenberg und von diesen an die Grafen v. Wurmbrand. Es war Thomas Gundacker aus diesem gräflichen Hause, der den Garten erweitert und verschönert für das Publikum eröffnete. Damals war er reich an abwechselnden Partien, Statuen, Lauben-gängen, Anhöhen und Brunnen. Die Grätzer wußten auch den Genuß dieses zauberischen und so nahen Spazierganges dergestalt zu schätzen, daß sie ein schö- nes Monument über des Grab des edeln Grafen setz-[18]ten, der im May 1791 viel zu früh für eine philan-tropische Thätigkeit dieß Leben verließ. Von nun fing dieser schöne Erholungsort an abzunehmen, sogar ein Theil der Gebäude wurde wieder abgebrochen, und un-ter den Händen der Pächter kam er endlich in den heu-tigen Zustand.

Wer vor vierzig Jahren auf diesem Boden lustwan-delte, wo sich Kunst und Natur vereinten, ihn zum kleinen Paradies zu machen, und nun auf derselben Stelle Mais-und Kartoffelfelder erblickt, der wendet sich betrübt weg und seufzt: Sic transit gloria mundi!

Doch auch das Uebriggebliebene wird von den fröh-lichen Grätzern ziemlich besucht, und im Schatten der Hauptallee weidet sich das Auge noch manchmal am An-blicke der schönen Welt. Der Sal des Schlosses mit sei-nen geräumigen Nebenzimmern, dessen hoher Plafond von Qualeus gemalt ist, that vor einigen Jahren bis zur Wiederherstellung des abgebrannten ständischen Redoutensales gute Dienste, und auch jetzt werden hier noch öfters Bälle gegeben.

9.

Maria Trost.

Vorüber am Windischgarten durch die freundliche Vorstadt Geydorf führt der Weg zu diesem Wallfahrts-[19]orte. Schon im dreyzehnten Jahrhunderte fand hier eine Kirche, die Heiligen Kreuz zum Landestrost ge-nannt, aber unter Kaiser Friedrichs IV. Regierung von den Türken zerstört wurde. Leer blieb nun die ge-weihte Stelle, bis im Jahre 1676 Hans Maximi-lian Freyherr von Wilfersdorf, der Letzte dieses wackern Stammes, hier wieder eine Kapelle bauen ließ, wozu ihm eine Marienstatue Veranlassung gab, die er vom Stifte Rein mitbrachte. Diese Statue ließ er in der neuen Kapelle aufstellen, und faßte den Entschluß, hier eine große Kirche zu bauen, und eine Abtey zu stiften, dessen Ausführung aber durch seinen bald er-folgten Tod verhindert wurde.

Durch die thätige Verwendung eines fvätern Besi-zers jener Gegend, Franz Caspar Canduzi v. Hel-denfeld, Registrator und Archivar der innerösterrei-chischen Regierung, kam es endlich zum Bau der jetzi-gen Kirche.

Marie Carolinens Freygebigkeit, der Mutter des letzten Fürsten von Eggenberg, und einiger Cava-liere des Landes fromme Spenden bewerkstelligten die prächtigen Altäre, zu welchen der Marmor aus demselben Berge gebrochen ist, dessen Scheitel die Kirche krönt.

Die Einsiedler vom Orden des h. Paulus wurden in's Kloster berufen, worunter viele Ungarn und Kroa-[20]ten auch mitunter Sprossen hoher Familien waren, als: Esterhazy, Althanin. Unter der Kuppel ist eine Gruft im Marmor des Berges ausgehöhlt, welche die Ueber-reste der edlen Stifter aufnahm, eine zweyte, weiter unten gegen den Eingang, beherbergt die Leichname der ehemaligen Klosterbewohner, deren über dreyßig noch fast unverwest in ihren Ordenskleidern da liegen.

Die Freskogemälde sind von der Hand des Ritters von Mölk.

In den romantischen Gefilden dieser Gegend lebte mehrere Jahre der Herzog von Enghien, und dieser Aufenthalt der Anmuth und des Friedens verwischte ihn so sehr die Blutseenen der Revolution, die ihn aus seinem Vaterlande verscheuchte, daß er sich demselben wieder näherte, und dadurch seinem traurigen Ende entgegen ging. Auch Zacharias Werner, großherzogl. hessischer Hofrath, als Prediger und Dichter rühmlich bekannt, wohnte hier einige Zeit und predigte öfters, bey großem Zulaufe der Städter und des Landvolkes, in dieser Kirche.

10.

Die Leechkirche.

Nach Zerstörung der Thomaskirche auf dem Schloß-berge ist die Leechkirche das merkwürdigste Alterthum [21]dieser Gegend. Ihr Name kommt von dem Leechbache, der einst hier vorüber floß. In ihrer jetzigen Gestalt besteht sie bereits seit dem Jahre 1283, obwohl auf dieser Stelle schon achzig Jahre früher Herzog Leo-pold der Ruhmwürdige eine Kirche erbaute.

Es war zu jener Zeit Sitte, die Streithändel zwi-schen erbitterten Parteyen auf dem Kirchhofe ge-richtlich abzuthun. Die Hinfälligkeit dieses Lebens, die lebhafte Vorstellung des unausbleiblichen, vielleicht schon nahen Todes, und das Gefühl der Nichtigkeit aller Er-dendinge in Bezug auf jenseits, dringen sich jedem den-kenden Besucher eines Gottesackers unwillkürlich auf, und mußten dem Richter die Vereinigung und Ausglei-chung sich hassender Gegner wohl sehr erleichtert haben. So legte Herzog Leopold hier den Zwist des Chorherrn stiftes Seckau mit den Grafen von Wildon bey, und versöhnte über den Gräbern den erbitterten Eckbert, Bischof vom Bamberg, mit dem Kärnthner Herzoge Bernhard.

Herzog Friedrich der Streitbare übergab im Jahre 1233 diese Kirche den Rittern des deutschen Or-dens, in deren Besitz sie noch heute ist, und vermehrte die dazu gehörige Stiftung mit bedeutenden Schenkun-gen. Ungefähr zwanzig Jahre später wurde sie sammt [22]dem vom Orden erbauten Spitale und übrigen Gebäu-den durch die Feinde, wahrscheinlich Ungarn, zerstört und erst nach dreyßig Jahren wieder erbaut.

Im Jahre 1278 verlieh Kaiser Rudolph I. dem deutschen Orden hier die uneingeschränkte Schulfreyheit, und verordnete sogar, daß Lehrer und Schüler dieser Schulen nicht unter dem Stadt-und Landgerichte, son-dern einzig unter der Commende-Gerichtsbarkeit stehen sollen. Man lehrte dann im hiesigen Ordenshause Gram-matik, Rhetorik, Theologie, Arithmetik, Geometrie und Astronomie, wie auch Musik.

Noch einmal verwüsteten die Ungarn diese Gegend im Jahre 1480; doch diesmal entging die Kirche der Zerstörung durch kluge Thätigkeit des Ritters Baltha-sar von Eggenberg, der neue Verschanzungen an-brachte, und durch des Ordensritters Berghauser tapfere Vertheidigung. Erst später, da die Festungs-werke von Grätz erweitert wurden, mußten die starken Ringmauern dieser Kirche sammt vielen Ordensgebäuden abgetragen werden.

Alte Grabsteine, Inschriften, Gemälde, Fahnen und Wappenschilde vereinen sich hier mit dem alterthümli-chen Baue, um den Besucher in graue Vorzeit zu ver-setzen, und für ernstes Nachdenken gestimmt zu entlassen.

[23]

Dem edlen Fortunat Spöck, Priester, und innigst vertraut mit der Arzneykunde, der viele Jahre nicht nur der Grätzer-Gegend und Steyermark, sondern auch einigen Nachbarländern durch Rath und That ein wohl-thätiger Genius war, wurde hier ein Denkmal errich-tet. Auch das Grabmal des hoffnungsvollen Jünglings und Dichters, Carl Schröckinger, welches ihm sei-ne Studiencollegen setzen ließen, findet man da.

Die irdische Hülle des verdienstvollen ständischen Verordneten, Joh. Ritters von Kalchberg, vater-ländischen Historikers und Dichters (gest. am 2. Februar 1827), wurde. nach seinem eigenen Wunsche ebenfalls an dieser Kirche begraben, und seine Grabstätte ist bereits durch ein Denkmal bezeichnet; denn ihn selbst würde Steyermark auch ohne Grabstein nie vergessen.

11.

Die Vorstadt St. Leonhard.

Ulrich von Waldsee, der im Gefolge Kaisers Rudolph von Habsburg nach Grätz kam, und als ausgezeichneter Staatsmann und Kriegsheld, durch sech-zig Jahre, vier einander nachgefolgten Monarchen rühm-lich gedient, erbaute hier im Jahre 1313 eine Kirche mit einem Dominikaner-Nonnenstifte und seinem Grab-[24]male. Nach seinem Tode bezog auch seine hinterlassene Gemahlin Adelheid dieses ansehnliche und reich dotierte Kloster, wovon aber bis heute keine Spur geblieben; denn diese Vorstadt hat im Jahre 1480 entsetzlich gelit-ten, als zahllose Schaaren von Ungarn, Raitzen und Tartarn sich gegen Grätz wälzten. Durch die Gränzstadt Fürstenfeld, die erst nach dem achten Sturm der ueber-macht erliegen mußte, drangen die Feinde bis in diese Vorstadt, nachdem sie ihren Weg hieher mit Blut und Feuer bezeichneten. Die ganze Umgebung von Grätz dießseits der Mur wurde ein Opfer der Barbaren, schauderhaft ist die Schilderung der Zeitgenossen von diesem Jammer, und bestätigt Schillers Ausspruch:

»Der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn!" *(Schillers Glocke.)

Fünfzig Jahre später wiederholten sich die Gräuel-scenen in dieser unglücklichen Vorstadt, als Solyman mit nahe 200 000 Türken über Gräz seinen Rückzug nahm.

Seit jener Zeit erhoben sich nach und nach die nun bestehenden Gebäude, bey deren Grundlegung fast über-all altes Gemäuer, Gefäße, Münzen und dergleichen ausgegraben wurden.

[25]

Selbst noch in unseren Tagen war diese Vorstadt der Schauplatz eines hitzigen Gefechtes, welches im Juny 1809 zwischen einem Detachement Oesterreicher und einer bedeutenden Truppe Franzosen Statt hatte, wo-bey Erstere nicht nur den Platz behaupteten, sondern auch 400 österreichische Gefangene und 2 Offiziere be-freyten, einige Kanonen eroberten, und eine feindliche Musikbande gefangen nahmen.

Doch auch Grätzer und vorzüglich Grätzerinen wag-ten sich auf dem Kampfplatz, um verwundete Soldaten zu laben, zu verbinden und in Sicherheit zu bringen; Mädchen reichten den Unsrigen Patronen zu, sammelten die liegen gebliebenen Waffen, um Wehrlose damit zu versehen, und

Durch Bruderliebe, Biederkeit und Muth Bewies sich noch Germaniens altes Blut.

Die hiesige Pfarrkirche, dem h. Leonhard geweiht, bewahrt einige schätzbare Gemälde von Weißkircher und dem Ritter von Mölk.

Ein angenehmer Spaziergang, die Seufzer-Allee, führt von hier zum sogenannten Venustempel, welches Gebäude seinen interessanten Namen aus der Römerzeit entlehnte, weil man bey demselben Münzen und andere ueberbleibsel von der Zeit der Römerherrschaft gefun-den. Aus dem obersten Stockwerke dieses thurmähnlichen [26]Hauses genießt man nach allen Richtungen die reizend-ste Aussicht. Von hier etwas abwärts gegen die Leech-kirche befinden sich jene ländlichen Milch-und Kaffeh-häuschen, wo man bei schönem Wetter fast zu jeder Stunde des Tages Gesellschaft antrifft.

12.

Die Riegersburg.

Obwohl dieß Schloß außer dem abgesteckten Kreise dieser Ansichten liegt, so ist es doch zu merkwürdig, als daß man anstehen könnte, diesen Seitensprung zu machen.

Stolz und gebiethend ragt dieses herrliche Schloß über die nahen Berge, und überrascht den Wanderer schon von ferne eben so, wie es ihm, betrachtet er's von innen, Bewunderung abdringt.

Diese noch ganz wohl erhaltene und im weiten Um-." kreise sichtbare Veste krönt einen ganz isoliert stehenden Felsenberg. Um in ihr Innerstes zu gelangen, hat mau sieben Thore zu paffiren, deren viertes die Veste Lichteneck eröffnet, welche nur ein Theil diefes Rie- fenwerkes ist. Das fünfte Thor zeichnet sich durch ar--chitektonische und Wappen-Verzierung aus. Durch das-selbe kommt man auf einen erhöhten, mit Mauern um-[27]fangenen Platz, wo eine große Linde ihre duftenden Zweige ausbreitet, und wo die Thüre des links in der Ecke befindlichen Wachthauses ein liebliches Gemälde einrahmet. Den Vordergrund bildet frischer, üppiger Rafen, durch die ehrwürdige Linde wirkungsvoll beschat-tet, und scharf abgeschnitten durch die Brustmauer vom weit ausgebreiteten Hintergrunde, der sich mit den ab-wechselndsten Gegenständen einer reizenden Landfchaft in blaue Ferne zieht, und durch den Schleyer des Hori-zonts mit der Luft verschmilzt.

Vor dem sechsten und siebenten Thore sind tiefe in den Felsen gehauene Gräben. Nach einer dort befindli-chen Inschrift hat die Witwe Catharina Galler, ge-borne Freyin Wechsler, Frau zu Riegersburg und Lichteneck, von 1597 bis 1613 sehr viel auf Verstärkung dieser Veste verwendet.

Das am Fuße diefer Felsenburg befindliche Jagdfchloß wurde erst im Jahre 1825 durch einen Fürsten von Lichtenstein erbaut, und prangt auf einer freyen Erhöhung des Thiergartens, der von stolzem Hochwilde häufig bewohnt ist. Durch die Vorstadt St. Leonhard führt der fechs Meilen lange Weg dahin über freund-liche, mitunter reizende Gegenden, und ist für sich fchon ein erheiternder Genuß.

[28]

13.

Der Schützenhof mit dem Schlosse Sparbersbach.

Mit weniger Schritten kann wohl schwerlich der Bewohner irgend einer Hauptstadt auf das Land kom-men, als der Grätzer, wenn er sich in diese Gegend begibt.

Sowohl aus der St. Leonharder- als Jakomini-Vorstadt führen mehrere angenehme Wege auf den Ru-ckerlberg, der wirklich alles darbiethet, was man von einem ländlichen Aufenthalte erwarten kann. Unter fri-schem Wiesengrün und emsig gepflegten Obst-und Blumengärten sind freundliche Sommersitze und niedliche Häuschen ringsum verstreut, neben welchen sich grün-umbüschte Pfade sanft emporschlängeln, und bald durch maskierte Partien führen, wo man die Nähe der Stadt vergißt, bald wieder über hochliegende Punkte, die den schönsten Ueberblick der ganzen Umgebung gewähren. Diese Lieblichkeit und die Nähe der Stadt veranlaßten viele erwerbsame Menschen, sich hier mit Kaffeh-und Weinsschank zu befassen, werden aber auch von den le-bensfrohen Grätzern reichlich unterstützt.

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So recht der schönen Natur im Schoose, und um-jauchzt von frohen Menschen liegt das Schlößchen Sparbersbach, welches man auch Haller schlös-sel nennt, weil es gegen Ende des vorigen Jahrhun-derts das Eigenthum einer Familie von Haller war.

Der Grätz etwas näher liegende Schützenhof, ein ansehnliches Gebäude mit herrlicher Aussicht und einem schönen Garten, zeigt von außen und innen den guten Geschmack seines Besitzers, Alois Grafen von Kuenburg.

14.

Schloß Lustbühel.

Emporragend über alle benachbarten Gegenstände er-hebt sich dieß Schlößchen in einer Gegend, die dem em-pfänglichen Gemüthe wirkich viele Lust gewährt. Wenn es auch auf dem angenehmen Wege hieher durch überra-schenden Wechsel bald ernster bald lachender Partien er-freut, gehoben wurde, so behält der Standpunkt dieses Gebäudes, besonders aber die Aussicht aus dem zweiten Stocke, noch immer Reiz genug, um es zu entzücken.

Dies ist aber auch der Gränzpunkt des Lieblichschö-nen der Grätzer-Umgebung dießseits der Mur, und was dieser zauberische Halbkreis noch umschließt, hat viel [30]mehr öconomisches als geschichtlich und malerisches In-teresse; denn die Gegend verliert sich hier in Hügel und Ebene, lohnt wohl mehr als die obere den Fleiß des Landmannes; aber der in schöner Natur Erholung su-chende Städter wird hier weniger als dort befriedigt; denn

Nur auf Bergen ist Freyheit, der Hauch der Grüfte Steigt nicht hinauf in die reineren Lüfte!*(Schillers Braut von Messina.)

Und gerade hier sind es die Grüfte des weit umfan-genden städtischen Friedhofes, aus denen sich ein me-lancholischer Hauch über die Gegend verbreitet.

15.

Straßgang und St. Florian.

Mehrere hier gefundene römische Büsten und andere Denkmäler, wovon ein guter Theil noch an der Kirche zu finden ist, benehmen allen Zweifel, daß schon Rö-mer diese freundliche Gegend bewohnten. Im Jahre 1055 kommt Ort und Kirche schon unter dem heutigen Namen vor, und gehörte damals zur Pfarre Feld-kirchen; doch gegen Mitte des zwölften Jahrhunderts wurde dieselbe von dort nach Straßgang verlegt.

[31] ([Seiten 32 - 54 wurden nicht transkribiert, weil sie ausschließlich auf die Umgebung von Graz beziehen und deshalb hier außerhalb des Betrachtungraums liegen) [54]

30.

Der Calvarienberg.

Und dort am schroffen Felsengestade, hoch über der Fluthen Schäumender Brandung erhebt sich am Kreuze so mild und voll Liebe, Wie seine Lehre, des sterbenden Heilands Gottesgebilde An der Verbrecher Seite, segnend die Früchte des Glaubens. Kronecker.

Aus der Mitte des obern Grätzerthales erhebt sich diese sonderbare Felsenpyramide. Obwohl es nicht wahr-scheinlich ist, daß die Alten diesen zur Vertheidigung so vortheilhaft gelegenen Berg ganz unbenützt gelassen haben, weiß man doch nichts von seinem frühern Zu- stande, als daß er Austein genannt wurde.

Im Jahre 1606 richtete hier Bernhard Walther, Oberstallmeister des Erzherzogs Maximilian Ernest, hier ein Kruzifix auf, wozu er sich von dem damaligen Eigenthümer des Berges, Ferdinand Maschwander Freyherrn zu Schwanau, die Bewilligung erbat; da kamen denn besonders an Sonn-und Feyertagen viele Andächtige herbey, um vor dem Kreuze zu bethen. Dieß rührte den Sohn des Eigenthümers Freyherrn Gabriel, und bewog ihn, hier auch eine Kapelle des heiligen Grabes zu bauen. Später kam die Oehlbergskirche durch [55]Johann Georg Grafen von Herberstein dazu, der dort ein Stück des Kreuzes Christi zur Verehrung auf-stellen ließ, welches die Pohlenkönigin Cäcilia Re-nata, die zu Grätz geboren war, seiner Gemahlin Margarethe geschenkt hatte. Als am 4. October 1660 Kaiser Leopold 1, in Gegenwart eines zahlreichen Adels hier eine Andacht verrichtete, ließ er dann auch die übrigen Kapellen erbauen, wovon nur einige ein Werk der Jesuiten sind, die über den Calvarienberg die Aufsicht erhielten.

In der schönen Marienkapelle ergötzt sich ein kunst-vertrautes Auge an dem Freskogemälde der Kuppel, welches ein Werk des vaterländischen Künstlers, Ma-thias Schiffer ist.

Von der Spitze dieses Felsenberges um sieht man ein herrliches Rundgemälde, und empfindet beym Wieder-sehen der interessanten Umgebungspunkte, die man schon in der Nähe besucht hat, einen gemüthlich angenehmen Nachgenuß.

(Gedruckt mit Gebrüder Tanzer'schen Schriften.) [] [1]

Nachtrag

zur

Erinnerung an Grätz.

[2] [3]

Da seit wenigen Jahren in dieser Hauptstadt durch Sorgfalt der hohen Behörden und eifriges Mitwirken der edlen Bewohner wieder viel Nützliches und Schönes ent-fand, ist gegenwärtiger Nachtrag zur Ergänzung dieses Werkchens nothwendig geworden.

Nächst dem Theater wurden die alten zum sogenann-ten Ballhause gehörigen, unansehnlichen Gebäude abge-tragen, und werden nun durch stattliche Häuser ersetzt; der bey dieser Reform vergrößerte Platz wird mit einem Standbilde Weiland Sr. Majestät des Kaisers Franz I. geziert, und trägt den Nahmen dieses noch im Andenken innig verehrten Landesvaters; so wie auch das neu ent-standene Stadtthor zwischen dem Burg- und Eisenthore, neben welchem sich nun prächtige Häuser erheben, mit der goldnen Inschrift »Franzensthor« prangt.

[4]

Bey dem von Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1625 erbauten Sackthore wurde die beengte Passage erweitert, und auf die felsenfeste Bastey das Inquisiten-Gefängnis mit den dazu gehörigen Kanzleyen gebaut.

Die außer diesem Thore befindliche Laimburggasse mit ihren niedlichen Häusern erhob sich auf einem Grunde, der vor Kurzem noch eine Wiese war.

Auf dem wüsten Holzplatze am Glacis steht nun das evangelische Bethhaus nebst einem Cyclus schöner zwey und drey Stockwerke hoher Häuser, deren vier, und zwar die zuerst erstandenen durch den thätigen und um die Ver-schönerung von Grätz vielverdienten Bürger Herrn Kees erbaut wurden, welcher auch die prächtige Häuserreihe längs dem kleinen Glacis mit bewundernswürdiger Schnel-ligkeit entstehen machte, und eben im Begriffe ist, außer dem Neuthore sechs neue Häuser herzustellen.

Besondere Erwähnung verdienen noch folgende Anstal-ten und Bauwerke:

Das Taubstummen-Institut.

In der freundlichen Vorstadt Graben Nr. 1173 be-findet sich diese Anstalt, und entstand im Jahre 1831 [5]durch milde Stiftungen wahrer Menschenfreunde. Herr Vitus Rischner, ein Weltpriester, der sich im Wiener Taubstummen-Institute zu diesem schönen Berufe bildete, ist würdiger Vorsteher desselben und Vater seiner stum-men Zöglinge, die er nach vollendetem Lehrcurse mit ge-bildeten Herzen und mit der Fähigkeit zur Erlernung ir-gend eines Gewerbes entläßt.

Im Jahre 1837 war die Zahl der Schüler bereits auf 47 angewachsen, welche von zwey angestellten und einem provisorischen Lehrer unterrichtet werden. Gestiftete Plätze waren in diesem Jahre schon 24 nebst 4 Hand-stipendien.

Es ist wirklich sehr interessant, den Prüfungen dieser Zöglinge beyzuwohnen, deren von dem äußerst gefälligen obgenannten Herrn Director auch öfters bey Anwesenheit Besuchender in Kürze vorgenommen werden. Man staunt über die Leichtigkeit, mit welcher sie sich gegenseitig ver-ständlich machen, ja selbst mündliche Worte ihres Lehrers, nur mit weniger Mimik begleitet, verstehen, und eben so leserlich als correct auf die Tafel schreiben; aber wahr-haft rührend und erhebend ist es, diese stumme Gesell-schaft vereinigt bethen zu sehen; ihre ausdrucksvollen Bli-cke verrathen deutlich, daß sie das mit Geberden nur be-gleiten, was sie innen fühlen.

[6]

Die Kleinkinder-Wartanstalten.

Die erste dieser philantropischen Anstalten wurde zu Grätz im Jahre 1831 durch einen Verein wohltätiger Frauen errichtet, und befindet sich am Gries in der Gra-natengasse Nr. 1001. Bald darnach entstand noch eine zweyte durch denselben Verein im Münzgraben Nr. 307.

Der Besucher findet hier die Bestätigung des längst erkannten Satzes: daß man mit Bildung der Jugend nie zu früh anfangen könne. Die armen Kleinen, welche zu Hause in ihren mißlichen Verhältnissen an Geist und Kör-per verwahrlost worden wären, sind hier artig, folgsam, sprechen reines Deutsch, wissen schöne Sprüche und Lie-der, rechnen im Kopfe und sind ganze kleine Encyclopä-disten; sie erzählen aus der h. Schrift, erklären Thiere und Pflanzen, und kennen viele daraus verfertigte Ge-genstände. Man ist unschlüssig, soll man mehr die Ge-lehrigkeit der Kleinen, oder das Unterrichtungstalent ihrer braven Lehrer bewundern. Jede dieser Anstalten hat auch einen Garten; was in der Stube für die kleinen Köpf-chen und Herzen gethan wurde, geschieht im Freyen für [7]die zarten Körper: sie exerzieren, schauckeln, laufen in die Wette, jedes thut, was ihm gefällt.

Heil und Dank den liebenswürdigen Frauen, die durch so manches Opfer (denn die ärmsten Kinder werden von der Anstalt auch gekleidet) dieses Werk der Menschenliebe fördern und groß sind im Kleinen.

Das Zwangsarbeitshaus.

In dieser im Jahre 1836 neuerrichteten Anstalt wer-den arbeitscheue und liederliche Menschen beyderley Ge-schlechtes zu nützlichen Beschäftigungen angehalten und an ein ordentliches, arbeitsames Leben gewöhnt, zugleich in der Religion, und die Jüngern auch im Lesen und Schrei-ben unterrichtet; nach einiger Zeit aber, deren Dauer von ihrem Fleiße und Betragen abhängt, wieder entlassen.

Das Erkenntniß, wer in dieß Arbeitshaus aufzuneh-men sey, steht allein der k. k. Polizeidirektion zu, wie auch körperliche Züchtigungen gegen boshafte und wider-spenstige Zwänglinge nur von dieser Behörde verhängt werden können.

[8]

Verminderung ber Betteley und Unsittlichkeit ist die wohlthätige Folge dieser Anstalt, welche durch ihre Arbei-ter nicht nur sämmtlichen Bedarf derselben an Wäsche und Kleidungsstücken aller Art erzeugt, sondern auch aus-wärtige Bestellungen auf derley Gegenstände annimmt, welche sollid, billig und prompt geliefert werden.

Sie befindet sich am untern Gries im Hofe des Sie-chenhauses in einem abgesonderten Gebäude.

Die Ferdinands-oder Kettenbrücke.

Zu diesem kühnen Bauwerke wurde im Herbste des Jahres 1833 der Grundstein des linken Brückenkopfes gelegt, und im Jahre 1836 am 19. April, als am Ge-burtsfeste Sr. Majestät des Kaisers Ferdinand I. wurde auf dieser bereits vollendeten Brücke die Einweihung und Taufe derselben gefeiert, nachdem vorher ihre Festigkeit durch viele mit Steinen schwer beladene Wagen, die, einer hart hinter dem andern, mit möglichster Geschwindigkeit darüber gefahren wurden, erprobt war.

Als das Unternehmen eines schlichten Privatmannes, Franz Strohmeyer, der zwar durch Aufmunterung und [9]Unterstützung höhern Ortes, aber auch durch eigene Sorg-falt und Thätigkeit dieß großartige Werk zu Stande brachte, wird es noch merkwürdiger.

Eine ausführliche Beschreibung dieser Brücke und ihrer innern und äußern Bestandtheile ist zu haben in der Kien-reichischen Buchhandlung zu Grätz unter dem Titel: Die Ferdinandsbrücke zu Grätz, gemeinfaßlich beschrieben von August Mandel.

Das russische Dampfbad.

Es befindet sich im Weißeggerhofe an der Straße nach Eggenberg in einem niedlichen Gebäude, welches Joh. Hieron. Reichsgraf zu Herberstein aus edlem Antriebe zur Gemeinnützigkeit erbauen und einrichten ließ.

Das Wesentliche dieser Badeanstalt besteht darin, daß der Körper des Badenden von den feinsten, flüchtigten Wasserdämpfen bis in seine innersten Theile durchdrun-gen wird, welches nothwendig sehr heilsam auf ihn ein-wirkt; daher auch dem Gebrauche dieses Bades schon man-che Uebel weichen mußten, die sich gegen jedes andere Mittel hartnäckig bewiesen.

[10]

Vorzüglich zu empfehlen ist es gegen rheumatische und gichtische Leiden, als: Zahn-, Ohren-, Nacken-und Schul-terschmerz, Gichtknoten, gichtische Gelenksteifigkeit und durch Gicht veranlaßte Lähmungen; ferner gegen gichtische und serophulöse Hautausschläge, Anschwellen der Drüsen und serophulöse Krankheiten verschiedener Körpertheile, fieberlose catharrhöfe Uebel und fieberlose Krankheiten der Harnwerk-zeuge, vorzüglich der Nieren, Steifheit der Gelenke im vorgerückten Alter u. dgl.

Nach dem Zeugnisse Aller, die dieß Bad gebrauchten, erregt es ein sehr behagliches Gefühl, und besonders der damit verbundene Gebrauch des kalten Touche-und Brau-sebades, welcher vom Vorurtheil Befangene mißtrauisch macht, wirkt äußerst angenehm und wohlthuend auf den Körper, daher es auch Nichtkranken sehr zuträglich ist, indem es diese von jenen Uebeln präserviert, die es bey den Kranken lindert und hebt.

Zum Gebrauche dieses Bades ist jede Jahreszeit ge-eignet.