Die Förderphase des Projekts ist abgeschlossen. Die transkribierten Texte werden aber erst jetzt sukkzessive auf dieser Website veröffentlicht. Die Erarbeitung aller Texte, die auf der Seite „Texte“ im Inhaltsverzeichnis gelistet sind, ist abgeschlossen. Die fehlenden Daten werden in den nächsten Monaten eingepflegt. (Helmut W. Klug, April 2019)

Das Projekt

Regionale Ernährung, nachhaltige Lebensweise und Gesundheitsprophylaxe sind für die SteirerInnen des 21. Jahrhunderts von großer Bedeutung. Die Themen nehmen zur Zeit in der öffentlichen Diskussion breiten Raum ein. Das war auch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit so: Die genannte Thematik hat in der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Sachliteratur einen zentralen Stellenwert.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Handschrift Ms. 1609 der Grazer Universitätsbibliothek aus dem späten 15. Jahrhundert. Regionale Ernährung, nachhaltige Lebensweise und Gesundheitsprophylaxe haben also nicht nur einen starken Bezug zu einem modernen, sondern auch zum historischen Lebensalltag.

Diese Themen werden im Projekt 'Mittelalterlabor' auf Basis von germanistisch-mediävistischen und naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen aufbereitet. Themen, die schon im ausgehenden Mittelalter en vogue waren, sollen einer breiten gegenwärtigen Öffentlichkeit nähergebracht werden.

Die Vermittlung dieser altes und neues Wissen verbindenden Inhalte erfolgt anhand der im Projekt entwickelten praktischen Kurse.

Auf Basis der spätmittelalterlichen Handschrift werden vier Module zur laiengerechten Wissensvermittlung und praktischen Anwendung entwickelt: Ernährung, Medizin, Nachhaltigkeit, Schriftlichkeit. Diese Module bilden ein weiteres Mitmachlabor der Geisteswissenschaften an der Universität Graz, in dem altes Wissen wissenschaftlich fundiert für moderne RezipientInnen dargestellt wird.

Kooperation

Das Projekt forcierte die interfakultäre Zusammenarbeit an der Universität Graz besonders zwischen Geisteswissenschaften (Germanistik, Kulinarhistorik, Digitale Geisteswissenschaften), Naturwissenschaften (Pharmazie), Wissenschaftskommunikation (7. fakultät) und österreichischen ForscherInnen - momentan aus dem Bereich der Theologie - sowie internationalen PartnerInnen (Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz) auf mehreren Ebenen: Das Projekt konnte nur durch eine enge inhaltliche Kooperation der in Graz ansässigen PartnerInnen zum Abschluss gebracht werden.

Die österreichischen und internationalen Partner lieferten während der Projektlaufzeit thematischen Input sowie Hilfestellung. Das Fachwissen der ProjektpartnerInnen wurde genutzt, um die Inhalte der Handschrift modernen Forschungsergebnissen gegenüberzustellen. Ebenso wichtig war aber die Expertise für die Erarbeitung von Kursmaterialien für die einzelnen Module: Dafür wurden themenspezifische Workshops abgehalten.

KooperationspartnerInnen waren:

  • Assoz. Univ.-Prof. Dr. Helmut Jungwirth (die 7. fakultät)
  • Mag. Dr. Karin Kranich-Hofbauer (Universitätsverein KuliMA – Kulinarisches Mittelalter an der Universität Graz)
  • Robert Maier (Freising)
  • PD Dr. habil. Karl-Heinz Steinmetz (Institut für Traditionelle Europäische Medizin)
  • Prof. Dr. Thomas Vilgis (Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz)

Die Handschrift

Die Handschrift Ms. 1609 der Universitätsbibliothek Graz umfasst 469 Blätter aus Papier, die im Schnitt 14 x 11 cm groß sind; sie kann aufgrund von Jahreszahleinträgen in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert werden. Am Buchblock kann man die einzelnen, nicht exakt beschnittenen Lagen sehr gut erkennen. Dies und das Vorhandensein unterschiedlicher Papiere, unterschiedlicher Satzspiegel und unterschiedlicher Schreiberhände macht deutlich, dass es sich bei der Handschrift um eine Sammelhandschrift (oder genauer: zusammengesetzte Handschrift) handelt.

Die inhaltliche Struktur und die Verteilung der Schreiber lassen aber den Schluss zu, dass die Inhalte in diesem Fall bewusst selektiert wurden, um einem bestimmten Zweck gerecht zu werden. Die Ms. 1609 als Vertreterin der Gattung ,Buch von Mensch und Tier, Haus und Garten' entspricht in ihrem Charakter bereits den dann in der Frühen Neuzeit gedruckten Hausbüchern – also jenen Kompendien, die Wissen beinhalten, dass den pater familias bei der Führung eines Haushalts, der in der Regel weitaus größer bemessen war als heute, unterstützen sollte.

Die Sammelhandschrift vereinigt klassische Texte aus dem Bereich der Artes mechanicae, wie zum Beispiel deutsche und lateinische Abhandlungen zu Human- und Veterinärmedizin, zur Pest als gesondert behandeltem Thema, zur Heilwirkung von Pflanzen, zu Jagd und Ackerbau, zum Kochen, zum Destillieren und zur Gartenkultur.

Im Fokus steht dabei immer die Anwendbarkeit des Wissens in Hinblick auf das Wohlergehen des Menschen.

Die Ergänzungen und Erweiterungen durch Texte aus dem Bereich Landwirtschaft - Gartenbau - Tiere werfen nicht nur ein interessantes Licht auf die Textsammlung, sondern auch auf die Mentalität des spätmittelalterlichen Menschen. Die überragende Rolle der Medizin (in Form von medizinischen und kulinarischen Rezepten) im Zusammenhang mit dem Wissen vom Menschen und seinem Umfeld sowie seiner steten Gefährdung in seiner Umwelt vereinen in der Textsammlung der Handschrift Ms. 1609 also so etwas wie den Aspekt der laienorientierten Lebenshilfe.