Editionsbeschreibung |
Ludwig Gumplowicz (1838-1909) gehört zu den frühen Pionieren einer wissenschaftlichen Soziologie. Als Konfliktsoziologe, der in den Gruppen- und Rassenkämpfen die ewigen Gesetze der Geschichte gefunden zu haben meinte, wurde er zu Lebzeiten einer der meistbeachteten Vertreter einer positivistischen Soziologie; dass er von Rassenkämpfen sprach, obwohl er alle biologische Rassenlehren vehement ablehnte, hat in späterer Zeit zu Missverständnissen erheblich beigetragen.
Geboren 1838 in Krakau, gestorben 1909 in Graz, ist Ludwig Gumplowicz auch eine exemplarische Wissenschaftlerexistenz im Habsburgerrreich des 19. Jahrhunderts. 1838 als Jude in einer Stadt geboren, die nach den polnischen Teilungen ein wechselvolles Schicksal erlebte und 1846 dem Habsburgerreich einverleibt wurde, erlebte er in der ersten Hälfte seines Lebens ein vielfaches Neben- und Gegeneinander von religiösen und nationalen Standpunkten, die sich auf höchst divergierende Loyalitäten und Identitäten bezogen. Akademische Karriere machte er erst nach seiner 1875 erfolgten Übersiedelung nach Graz, wo er an der Universität dem Nominalfach nach als Jurist wirkte, sich nach erfolgreicher Etablierung jedoch darauf konzentrierte, die Grundlagen einer wissenschaftlichen Soziologie zu schaffen.
Das "Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich" hat seit seiner Gründung 1987 Dokumente zu Leben und Werk von Ludwig Gumplowicz gesammelt; durch wissenschaftliche Projekte und Kooperationen ist es insbesondere seit 1999 gelungen, zahlreiche neue Quellen und Materialien zu erschließen. Er selbst schrieb und publizierte vornehmlich in deutscher und polnischer Sprache und erlebte noch die Übersetzung seiner Schriften ins Englische, Französische, Italienische, Spanische, Russische und Japanische – eine internationale Orientierung war also für Gumplowicz eine Selbstverständlichkeit. Mit dieser Web-Edition verbindet sich die Hoffnung, die wissenschaftliche Kommunikation über Gumplowicz und die Frühphase der Soziologie intensivieren zu können. Jedenfalls werden damit die Grundlagen für eine wissenschaftsgeschichtlich korrekte Verortung von Ludwig Gumplowicz geschaffen. Es versteht sich von selbst, dass eine derartige Web-Edition nichts Abgeschlossenes sein kann und will – sie wird fortlaufend ergänzt und modifiziert werden. Alle Hinweise, Kommentare und Anregungen sind daher hoch willkommen.
Graz, im Mai 2010 – Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerald Mozetič
Leiter des "Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich"
Dwa życia Ludwika Gumplowicza. Wybór tekstów
Wybór, opracowanie i wprowadzenie Jan Surman i Gerald Mozetič
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