All das definiert einen digitalen Raum, ein magnetisches Feld des
Codes, mit
Polarisierungen, Brechungen, Gravitationen von Modellen und dem ständigen Strom
der kleinsten disjunktiven Einheiten (der Frage/Antwort-Zelle, die so etwas wie
ein kybernetisches Atom der Signifikation ist). Man muß den Unterschied
beachten, der zwischen diesem Kontrollfeld und dem traditionell repressiven
Bereich der Polizei bestand, der noch einer signifikativen Gewalt entsprach. Dies war der Bereich für eine
Konditionierung von Reflexen, der sich nach der Pawlowschen Versuchsanordnung
der programmierten repetitiven Aggression richtete, und dem man, in vielfältigen
Abstufungen, im ständigen Hämmern der Werbeslogans und in der politischen
Propaganda der dreißiger Jahre wiederbegegnete. Eine handwerkliche und
industrielle Gewalt, die den Zweck verfolgte, ein verschrecktes und tierisch
gehorsames Verhalten zu erzeugen. Das alles hat keinen Sinn mehr. Die
totalitäre, bürokratische Konzentration ist ein Schema, das auf die Epoche des
Marktgesetzes des Wertes zurückgeht. Das System der Äquivalenzen indessen macht ein
allgemeines Äquivalent erforderlich, und damit auch die Zentralisation eines
globalen Prozesses. Eine archaische Rationalität im Vergleich zur Rationalität der
Simulation: dort gibt es kein allgemeines Äquivalent mehr, sondern
eine Auffächerung in Modelle übernimmt die regulierende Funktion – es gibt auch
nicht mehr die Form des allgemeinen Äquivalents, sondern die Form der
distinktiven Oppositionen. Vom ausdrücklichen Befehl geht man zur Programmierung
durch den Code über, vom Ultimatum zum permanenten Druck, von der erzwungenen
Passivität zu Modellen, die von vornherein auf die „aktive Reaktion“ des
Subjekts hin konstruiert worden sind, auf seine Einbeziehung, auf seine
„spielerische“ Partizipation etc. berechnet sind, bis hin zum Modell eines
totalen „Environments“ aus pausenlosen, spontanen Antworten, aus begeisterten
feed-backs und weitgefächerten Kontakten. Das ist, nach Nicolas Schöffer, „die
Konkretisierung der allgemeinen Stimmung“. Das ist das große Fest der
Partizipation: es besteht aus Myriaden von Stimuli, aus Miniaturtests, aus
unbegrenzt teilbaren Frage/Antwort-Paaren, die alle von irgendwelchen großen
Modellen im Feld des Codes magnetisiert werden.
Die große Kultur der taktilen Kommunikation steht vor der Tür, im Zeichen des
techno-luminös-kinetischen Raumes und des totalen räumlich-dynamischen
Theaters!
Der ganze imaginäre Bereich des Kontakts, der sensorischenAnpassung, des taktilen Mystizismus, letzten Endes auch die ganze
Ökologie läßt sich auf dieses Universum der operationalen Simulation übertragen.
Man wird sich diesen ständigen Test der erfolgreichen Anpassung durch eine
Assimilierung des animalischen Mimetismus zur Gewohnheit machen: „Die Anpassung
der Tiere an die Farben und Formen ihrer Umgebung ist auch ein für den Menschen
gültiges Modell“ (Nicolas Schöffer), auch bei den Indianern mit ihrem
„angeborenen Sinn für Ökologie“! Tropismen, Mimikry, Empathie: das ganze
ökologische Evangelium der offenen Systeme, mit negativem oder positivem
feed-back, drängt sich in diese Lücke – ihre Ideologie ist die Steuerung durch
Information, die aber, einer flexibleren Rationalität angepaßt, doch nichts
weiter als eine Umwandlung des Pawlowschen Reflexes ist. So ist man auch bei der
Konditionierung der geistigen Gesundheit vom Elektroschock zur Ausdrucksschulung
des Körpers übergegangen. Die Dispositive der Macht und des direkten Zwangs
machen überall den diffuseren Dispositiven des Ambientes Platz, die durch eine
Operationalisierung der Vorstellungen, der Bedürfnisse, der Wahrnehmung, des
Begehrens etc. wirken. Eine universelle Ökologie, ein Mystizismus der „Nischen“
und Gesamtzusammenhänge, eine Simulation von Milieus, die sogar bis zu „Zentren
für ästhetische und kulturelle Impulse“ geht, die im VII. Plan (warum nicht?)
vorgesehen sind, und auch bis zum „Zentrum für sexuelle Freizeitgestaltung“, das
in Form eines Busens gebaut ist und „eine überwältigende Euphorie in anregender
Atmosphäre verspricht... Dem Arbeiter aller Klassen werden diese Zentren
zugänglich sein“. Die gleiche räumlich-dynamische Faszination wie in jenem
„totalen Theater“, das wie ein kreisförmiges, hyperbolisches, um eine
zylindrische Achse kreisendes Dispositiv konzipiert wurde: es gibt keine Bühne,
keinen Abstand, keinen „Blick“ mehr: dies ist das Ende des Spektakels, des
Spektakulären, es gibt nur noch das totale, fusionierende, taktile, ästhesische (und nicht mehr ästhetische) Environment. Nur noch mit
schwarzem Humor kann man dabei an das totale Theater von Artaud, an sein Theater der Grausamkeit
denken, dessen räumlich-dynamische Simulation eine scheußliche Karikatur ist.
Die Grausamkeit wird darin durch minimale und maximale „Stimulationsschwellen“
und durch die Erfindung von „auf der Basis von Sättigungsschwellen kalkulierten
Wahrnehmungscodes“ ersetzt. Sogar die gute alte „Katharsis“ aus dem klassischen
Theater der Leidenschaften ist heute durch Simulation homöopathisch geworden. So
weit kommt es mit dem Schöpferischen.
Die
Realität geht im Hyperrealismus unter, in der exakten Verdoppelung des
Realen, vorzugsweise auf der Grundlage eines anderen
reproduktiven Mediums – Werbung, Photo etc. – und vonMedium zu
Medium verflüchtigt sich das Reale, es wird zur Allegorie des Todes, aber
noch in seiner Zerstörung bestätigt und überhöht es sich: es wird zum Realen
schlechthin, Fetischismus des verlorenen Objekts – nicht mehr Objekt der
Repräsentation, sondern ekstatische Verleugnung und rituelle Austreibung
seiner selbst: hyperreal.
Der Realismus hatte diese Tendenz schon angekündigt. Schon die Rhetorik
des Realen signalisiert, daß sein Status erheblich verändert ist (das goldene
Zeitalter ist das der Unschuld der Sprache, die nichts verdoppeln muß, was sie
über einen Eindruck der Realität sagt). Der Surrealismus ist noch
solidarisch mit dem Realismus, den er verachtet, doch er verdoppelt schon durch
sein Eindringen in das Imaginäre. Das Hyperreale ist ein viel
weiter fortgeschrittenes Stadium, in dem sogar der Widerspruch zwischen dem
Realen
und dem Imaginären ausgelöscht ist. Die Irrealität ist nicht
mehr die eines Traums oder Phantasmas, eines Diesseits oder Jenseits, es ist
die Irrealität einer halluzinierenden Ähnlichkeit des
Realen
mit sich
selbst
. Um die Krise der Repräsentation zu überwinden, muß man
das Reale in der reinen Wiederholung einschließen. Diese Tendenz zeigt sich,
noch ehe sie in Pop-Art und neorealistischer Malerei auftaucht, im
„nouveau
roman“. Schon dort besteht die Intention, um das Reale herum eine
Leere zu schaffen, die ganze Psychologie, die ganze Subjektivität zu eliminieren
und alles der reinen Objektivität zu überlassen. Tatsächlich aber ist diese
Objektivität
nichts als die Objektivität des reinen Blicks – eine Objektivität, die endlich
vom Objekt befreit ist, das nichts weiter als das blinde Relais des abtastenden
Blicks
ist. Ein zirkulärer Reiz, in dem man leicht den unbewußten Versuch erkennen
kann, nicht mehr gesehen zu werden.
Genau diesen Eindruck erweckt der Neo-Roman: diese Sucht, den Sinn
aus einer blinden und minutiösen Realität auszuschließen. Syntax und Semantik
sind verschwunden – es gibt keine Erscheinung des Objekts mehr, nur noch sein bloßes
Herbeizitieren, ein verbissenes Protokollieren seiner verstreuten Fragmente –
weder Metapher noch Metonymie, nur noch eine lückenlose Immanenz unter der
Polizei-Instanz des Blicks. Diese „objektive“ Mikroskopie erzeugt einen Realitätsrausch, einen Todesrausch an den Grenzen der Repräsentation
um der Repräsentation willen. Vergangen sind die alten Illusionen von
Relief, Perspektive und (räumlicher und psychologischer) Tiefe, die mit der
Wahrnehmung des Objekts verbunden waren: die gesamte Optik, alles
Skopische, das operational auf die Oberfläche der Dinge gerichtet wird, der Blick als
solcher ist zum molekularen Code des Objekts geworden.
Es gibt unterschiedliche Ausprägungen dieser schwindelerregenden
realistischen Simulation:
I. Das Zerlegen des Realen in seine Einzelheiten – die
abgeschlos
sene, paradigmatische Brechung des
Objekts – vereinfacht ausgedrückt: Linearität und Serialität partialer
Objekte.
II. Die tiefgründige Wahrnehmung: alle Verfahren zur Vervielfachung
und Aufteilung des Objekts in seine Einzelheiten. Diese Demultiplikation gibt
sich als Tiefe, ja sogar als kritische Meta-Sprache aus, und das traf für einen
Reflexionszusammenhang der Sprache, für eine Dialektik des Spiegels auch
zweifellos zu. Inzwischen aber ist die unbegrenzte Brechung nichts weiter als
ein Typus der Serialität: das Reale wird dadurch nicht mehr reflektiert, es wird
zurückentwickelt und reduziert.
III. Die eigentlich serielle Form (Andy Warhol). In ihr ist nicht nur die
syntagmatische, sondern auch die paradigmatische Dimension beseitigt, denn es
gibt keine Flexion der Formen mehr, nicht einmal mehr eine immanente Reflexion,
sondern nur noch ein Nebeneinander des Gleichen – Flexion und Reflexion gleich
Null. Wie jene beiden Zwillingsschwestern auf einer erotischen Photographie: die
sinnliche Realität ihrer Körper wird durch die Gleichheit ausgelöscht. Wie
könnte man an sie glauben, wenn die Schönheit der einen unmittelbar durch die
Schönheit der anderen verdoppelt wird? Der Blick kann nur von der einen zur
anderen gehen, jede Wahrnehmung wird auf dieses Hin-und-Her beschränkt. Eine
subtile Form der Tötung des Originals, aber auch ein einzigartiger Reiz, bei dem
jede Aufmerksamkeit, die sich auf das Objekt richten könnte, durch seine
unendliche Brechung in sich selbst abgelenkt wird (ein umgekehrtes Szenario des
platonischen Mythos von der Vereinigung der beiden getrennten Hälften eines
Symbols – hier teilt sich das Zeichen wie es die einzelligen Lebewesen tun).
Dieser Reiz gleicht vielleicht dem des Todes, in dem Sinn, daß für uns
geschlechtliche Lebewesen der Tod möglicherweise nicht das Nichts bedeutet, sondern einfach nur
die der Geschlechtsdifferenzierung vorhergehende Form der Fortpflanzung. Die
Erzeugung nach dem Modell in endloser Reihe nimmt tatsächlich die
Vermehrungsweise der Einzeller wieder auf und stellt sich der entgegen, die für
uns mit Leben verbunden ist.
IV. Aber dieser reine Automatismus ist zweifellos nur eine paradoxe
Zuspitzung: die eigentliche generative Formel, die alle anderen in sich
einschließt und in gewisser Weise die stabilisierte Form des Codes ist, das ist die
Formel der Binarität, der Digitalität – nicht der reinen Wiederholung, sondern der minimalen
Abweichung, der minimalen Modulation zwischen zwei Termen, das heißt „das
kleinste gemeinsame Paradigma“, das die Fiktion von Sinn aufrechterhalten
könnte. Diese Simulation, diese Kombinatorik der inneren Differenzierung des
bildlichen wie des Konsumgegenstandes reduziert und verengt sich in der
gegenwärtigen Kunst so sehr, daß es schließlich nur noch eine winzige Differenz
ist, die das Hyperrealevon der Hypermalerei trennt. Diese gibt vor,
sich dem Realen gegenüber bis zur Selbstverleugnung zu reduzieren, aber man
weiß, daß alle Reize der Malerei in dieser winzigen Differenz zu neuem Leben
erwachen: die ganze Malerei flüchtet sich in diesen schmalen Streifen, der die
gemalte Oberfläche von der Mauer trennt. Und in die Signatur: das metaphysische
Zeichen für die gesamte Malerei und für die gesamte Metaphysik der
Repräsentation, bis sie schließlich sich selbst als Modell nimmt (der „reine“
Blick) und sich in der zwanghaften Wiederholung des Codes um sich selbst
dreht.
Die wirkliche Definition des
Realen lautet: das, wovon man eine
äquivalente Reproduktion herstellen kann. Sie entsteht
zur gleichen Zeit wie die Wissenschaft, die postuliert, daß ein Vorgang
unter gegebenen Bedingungen exakt reproduziert werden kann, und wie die
industrielle Rationalität, die ein universelles System von Äquivalenzen
postuliert (die klassische Repräsentation ist keine Äquivalenz, sie ist
Transkription, Interpretation, Kommentar). Am Ende dieses
Entwicklungsprozesses der Reproduzierbarkeit ist das Reale nicht
nur das, was reproduziert werden kann, sondern das, was
immer schon reproduziert ist. Hyperreal.
Bedeutet das nun das Ende des Realen und das Ende der
Kunst dadurch, daß beide vollständig ineinander aufgehen? Nein: der
Hyperrealismus ist der Gipfel der Kunst und der Gipfel des Realen
auf der Ebene der Simulakren durch den wechselseitigen Austausch
von Privilegien und Vorurteilen, die ihnen zugrunde liegen. Das
Hyperreale ist nicht jenseits der Repräsentation (vgl. J.-F. Lyotard, L'Art Vivant, in der Nummer über Hyperrealismus), weil es
vollständig in der Simulation ist. Das Kreisen der Repräsentation dreht dabei
durch, aber in einer implosiven Verrücktheit, die, weit davon entfernt,
exzentrisch zu sein, mit dem Zentrum kokettiert, mit ihrer eigenen unbegrenzten
Wiederholung. Analog zum inneren Distanzierungseffekt im Traum – bei dem man
sich sagt, daß man träumt, was aber nur eine Zensur und Fortsetzung des Traums
ist – bildet der Hyperrealismus einen integrierenden Bestandteil der codierten
Realität, die er perpetuiert und an der er nichts ändert.
Tatsächlich muß man den
Hyperrealismus gerade umgekehrt interpretieren:
die
Realität
selbst ist heute
hyperrealistisch
. Schon der
Surrealismus kannte das Geheimnis, daß die banalste Realität surreal werden
konnte, aber nur in besonderen Augenblicken, in denen Kunst und Imaginäres
sichtbar wurden. Das ist heute anders: von nun an verkörpert die ganze alltägliche,
politische, soziale, historische und ökonomische Realität die
simulierende Dimension des Hyperrealismus: überall leben wir schon in der
„ästhetischen“ Halluzination der Realität. Der alte Slogan „Die Realität
geht über die Fiktion hinaus“, die dem surrealistischen Stadium dieser
Ästhetisierung desLebens noch entsprach, ist überholt. Es
gibt keine Fiktion mehr, der sich das Leben, noch dazu
siegreich, entgegenstellen könnte – die gesamte Realität ist zum Spiel
der Realität übergegangen – die radikale Ernüchterung, das coole
und kybernetische Stadium folgt auf die heiße und phantasmatische
Phase.
Deshalb können Schuld, Angst und Tod durch den vollkommenen Genuß
der Zeichen für Schuld, Verzweiflung, Gewalt und Tod ersetzt werden. Genau
darauf beruht die Euphorie der Simulation, die Ursache und Wirkung, Ursprung und
Ziel aufheben und durch die Verdoppelung ersetzen will. Auf diese Weise
schützt sich das geschlossene System zugleich vor dem Referenten und vor der
Furcht vor dem Referenten – so daß es jeder Metasprache dadurch zuvorkommt, daß
es mit seiner eigenen Meta-Sprache operiert, das heißt, indem es sich durch
seine eigene Kritik verdoppelt. In der Simulation verdoppelt und vollendet die
meta-linguistische Illusion die referentielle Illusion (die pathetische
Halluzination des Zeichens und die pathetische Illusion des Realen).
„Das ist Zirkus“, „Das ist Theater“, „Das ist Kino“, alte Sprüche,
alte, naturalistische Unterscheidungen. Darum geht es jetzt nicht mehr, es geht
jetzt darum, aus dem Realen einen Satelliten zu machen, es in eine Umlaufbahn zu bringen, auf der es mit
den Phantasmen kreist, die es früher illustriert haben – jetzt ununterscheidbar
und ohne gemeinsames Maß. Diese „Satellitisierung“ ist übrigens in den
„Zwei-Zimmer-Küchen-Dusche“ materiell geworden, die man mit der letzten
Mondrakete auf eine Umlaufbahn gebracht, man könnte sagen: zur Macht des
Weltraums erhoben hat. Wenn sogar die Alltäglichkeit der irdischen Wohnung in
den Rang eines kosmischen Wertes, der absoluten Ausstattung erhoben wird – im
Weltraum hypostasiert wird –, dann bedeutet dies das Ende der Metaphysik, dann
beginnt das Zeitalter der Hyperrealität.Der Realitätsbegriff verhält sich proportional zur Reserve an
Imaginärem, die ihm sein spezifisches Gewicht gibt. Das gilt gleichermaßen
für die Erforschung der Erde und des Weltraums: da es kein unentdecktes, für
das Imaginäre verfügbares Territorium gibt, weil das gesamte Territorium von
der Karte abgedeckt wird, verschwindet so etwas wie das Realitätsprinzip.
Die Eroberung des Weltraums bedeutet in diesem Sinn einen unwiderruflichen
Beginn des Verlusts des irdischen Bezugsrahmens. Ein Verlust der Realität
als innerer Zusammenhang einer begrenzten Welt kommt gerade dadurch
zustande, daß ihre Grenzen sich unendlich erweitern. Die Eroberung des
Weltraums folgt der des Planeten, und sie ist das gleiche phantasmatische
Unternehmen, die Kompetenz des Realen auszudehnen – zum Beispiel die Fahne,
die Technik, die „Zweizimmerwohnung“ auf den Mond zu bringen – derselbe
Versuch wie die Substantialisierung von Begriffen oder die
Territorialisierung des Unbewußten – es läuft darauf hinaus, den
menschlichen Raum zu entrealisieren oder ihn einem Hyperrealen der
Simulation zu überlassen. Aber die räumliche Transzendenz der
Zwei-Zimmer-Banalität und ihre coole undmechanische Form im
HyperrealismusEs gibt kein
Kunstwerk mehr, weder die Blechlawine noch der Supermarkt, die die
Hyperrealisten so sehr lieben, weder die Campbell-Suppendose, die Andy
Warhol so sehr liebte, noch die Mona Lisa, die inzwischen auch per Satellit
als vollkommenes Modell der irdischen Kunst um den Planeten geschickt wurde
– es gibt kein Kunstwerk mehr, nur noch ein planetarisches Simulakrum, durch
das eine ganze Welt über sich selbst (in Wirklichkeit über ihren eigenen
Tod) Zeugnis ablegt im Angesicht eines künftigen Universums.
drücken nur eins aus: daß diese Hohlform als solche Teil eines Hyperraumes der
Repräsentation ist, in dem technisch bereits jeder im Besitz der unmittelbaren
Reproduktion seines eigenen Lebens ist, in dem beispielsweise die
Piloten der Tupoljow, die in Le Bourget abgestürzt ist, sich durch ihre Kameras
„live“ sterben sehen konnten. Das ist nichts anderes als der Kurzschluß der
Antwort durch die Frage im Test, ein Prozeß der sofortigen Verlängerung, durch
den die Realität unmittelbar von ihrem Simulakrum infiziert
wird.
Früher gab es eine besondere Klasse von allegorischen und ein wenig
diabolischen Gegenständen: Spiegel, Bilder, Kunstwerke (Begriffe?) – Simulakren,
die jedoch als solche manifest und durchschaubar waren (man verwechselte die
Vorlage nicht mit der Imitation), die ihren eigenen Stil und eine
charakteristische Machart hatten. Und das Vergnügen bestand damals vor allem
darin, etwas „Natürliches“ in dem zu entdecken, was künstlich und imitiert war. Heute, wo
das Reale und das Imaginäre zu einer gemeinsamen operationalen Totalität
verschmolzen sind, herrscht die ästhetische Faszination überall: es ist die
unterschwellige Wahrnehmung (eine Art sechster Sinn) des Tricks, der Montage,
des Szenarios, von der Überbelichtung der Realität bis zum Ausleuchten der
Modelle, – kein Produktionsraum mehr, sondern ein Band, das gelesen, codiert und
decodiert wird, ein Magnetband der Zeichen – eine ästhetische Realität, die
nicht mehr durch die Überlegung und Distanz der Kunst zustande kommt, sondern
durch ihren Aufstieg zum zweiten Niveau, in die zweite Potenz, durch die
Antizipation und Immanenz des Codes. Eine Art von unfreiwilliger Immanenz
überlagert alles, eine taktische Simulation, ein unentwirrbares Spiel, mit dem
sich ein ästhetischer Genuß verbindet, der Genuß an der Lektüre und den
Spielregeln. Travelling der Zeichen, der Medien, der Mode und der Modelle, der
blinden und glänzenden Welt der Zeichen.
Die Kunst hat schon vor langer Zeit diese Wendung ahnen lassen, die
heute den Alltag bestimmt. Schon früh hat sich das Kunstwerk durch eine
Manipulation der künstlerischen Zeichen selbst verdoppelt: ein „Akademismus des
Signifikanten“, wie Lévi-Strauss sagen würde, eine Übersignifikation der Kunst,
durch die sie zur Zeichen
Struktur übergeht. Jetzt
beginnt für die Kunst ihre unbegrenzte Reproduktion:
alles was sich selbst verdoppelt, selbst die banale und alltägliche Realität,
steht gleichermaßen im Zeichen der Kunst und wird ästhetisch. Das gilt auch für
die Produktion, von der man heute sagen kann, daß auch für sie diese ästhetische
Verdoppelung beginnt, diese Phase, in der sie jeden Inhalt und jeden Zweck
ausschließt und gewissermaßen abstrakt wird und nicht mehr figurativ. Sie stellt
nun die reine Form der Produktion dar, wie die Kunst bekommt auch sie einen Wert
als Zweckmäßigkeit ohne Zweck. Die Kunst und die Industrie können also ihre
Zeichen austauschen: die Kunst kann zur Reproduktionsmaschine werden (Andy
Warhol) und dabei doch Kunst bleiben, weil die Maschine nur Zeichen ist. Und die
Produktion kann jede gesellschaftliche Zweckmäßigkeit verlieren, um sich
schließlich in fabelhaften, hyperbolischen und ästhetischen Zeichen zu
bestätigen und zu glorifizieren: in den großen Industrieanlagen, in den Türmen
von 400 m Höhe oder in den chiffrierten Mysterien des Bruttosozialprodukts.
Kunst ist daher überall, denn das Künstliche steht im
Zentrum der Realität. Die Kunst ist daher tot, nicht nur weil ihre kritische
Transzendenz tot ist, sondern weil die Realität selbst – vollständig von
einer Ästhetik geprägt, die von ihrer eigenen Strukturalität abhängt – mit
ihrem eigenen Bild verschmolzen ist. Sie hat noch nicht einmal mehr Zeit,
den Anschein von Realität anzunehmen. Sie überbietet auch die Fiktion
nicht mehr: sie ergreift jeden Traum, bevor er den Anschein eines Traumes
bekommt. Ein schizophrener Rausch von seriellen Zeichen, die keine Imitation,
keine Sublimierung kennen, die in ihrer Wiederholung eingeschlossen sind – wer
könnte sagen, wo die Realität dessen ist, was sie simulieren? Sie verdrängen
auch nichts mehr (deshalb könnte man sagen, daß die Simulation in die Sphäre der
Psychose überleitet): sogar die Primärprozesse sind hier ausgelöscht. Das coole
Universum der Digitalität absorbiert das der Metapher und der Metonymie. Das
Simulationsprinzip überwindet das Realitätsprinzip und das Lustprinzip.