Seckauer Margaretenlegende Ylva Schwinghammer Ylva Schwinghammer, Gerlinde Schneider Übersetzung Ylva Schwinghammer Transkription Ylva Schwinghammer Kommentar und Glossar Projektteam des Arbeitskoffers Datenmodellierung und Encoding Gerlinde Schneider, Selina Galka Technische Infrastruktur und Bereitstellung Zentrum für Informationsmodellierung, Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung, Universität Graz Graz 2017

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Graz Universitätsbibliothek Ms. 781 lateinischer Grundtext, deutsche Marginaleinträge Unbekannt Seckauer Margaretenlegende 1. Hälfte des 13. Jh. Chorherrenstift Seckau/> Abbildung: Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 781, fol. 76r (Ausschnitt) Seckauer Margarethenlegende. Edition und Übertragung ins Neuhochdeutsche für das Projekt Arbeitskoffer zu den Steirischen Literaturpfaden des Mittelalters v. Ylva Schwinghammer.

Mittelhochdeutsch Deutsch
Seckauer Margaretenlegende

Getoerſt ich voer meiner miſſetate. bie gern ich herregot dich pete. daz du durch billen deſ trauten ſunes dein. v(er)gebeſt der groezzen ſchulde mein. vnd mier ſandeſt deinen ſtroeſt gaiſt. der aller guete iſt vollauiſt. der mich beiſ vnd lere. daz da {herre} ſei dein lob vnd dein ere. manichvaltich iſt hrre dein gebalt. vil groez iſt dein guete. du biſ mein geniſt. da du daz ſbendun veuer ſuſt piſt. hic ba{i}z baz sp{r}echen mere. imer ich ſag dier lob vnd ere. zebundern du bol piſt. band du bund erleicher piſt. den allez daz der iſt. bol ſind boerden deineu bunder ſchein. an ainem vil hailigen magedein. gehaizzen baſ ſi margarete. got ſi vil holden hete. bol ſchain daz dar an. alſ ich andem puech vernomen han. bande ſi truech {manneſ} muet. dochez manegen man nicht dauch guet. bie daz allez ſei dergang. daz vernemet {bol} beib vnd man. nu freu ſich beibes guete. daz vnder in funden ſei ain ſo ſtarch gemuete. gepezzert ſein dapei die man. goteſnamen ſo heb bier an. Nach der marter vnd nach der vrſtende. vnſers heren ieſu xpi. vnd nach ſeiner lobleichen aufferte. hin ze himel {zu} got vater almechtigen.

Es dürfte sich hier um einen Schreibfehler handeln: Es wurde "stroest" statt "troest" geschrieben. Es dürfte sich hier um einen Schreibfehler handeln: Es wurde "vollauist" statt "volleist" geschrieben. Interlineare Texteinfügung mit Einweisungszeichen (Wellenlinie): Das Wort "herre" wurde hier nachträglich eingefügt. Hier wurde der Buchstabe "e" ausgelassen. Es dürfte sich hier um einen Schreibfehler handeln. Gemeint sein könnte "swenden", die Textstelle lässt sich allerdings nicht zweifelsfrei entschlüsseln. Interlineare Texteinfügung ohne Einweisungszeichen: Ein vergessenes "i" wurde nachträglich überschrieben. Interlineare Texteinfügung ohne Einweisungszeichen: Ein vergessenes "r" wurde nachträglich überschrieben. Interlineare Texteinfügung mit einfachem Einweisungszeichen (senkrechter Strich): Das Wort "mannes" wurde hier nachträglich eingefügt. Interlineare Texteinfügung mit einfachem Einweisungszeichen (senkrechter Strich): Das Wort "bol" wurde hier nachträglich eingefügt.
Getorst ich vor meiner missetate, wie gern ich herregot dich bete, daz du durch willen des trauten sunes dein, vergebest der grozzen schulde mein und mir sandest deinen trost geist, der aller guete ist volleist , der mich weis und lere, daz da herre sei dein lob und dein ere. Manigvaltig ist herre dein gewalt, vil groz ist deine guete. Du wis mein genist, da du swenden veuer sust bist. Hic weiz waz sprechen mere, imer ich sag dir lob vnd ere. Ze wundern du wol bist, wand du wunderleicher bist, den allez daz der ist. Wol sind worden deiner wunder schein an einem vil heiligen magedein, geheizzen was sie Margarete. Got sie vil holden hete, wol schein daz dar an, als ich an dem buch vernomen han. Wande sie trug mannes mut, doch es manegen man nicht daucht gut. Wie daz allez sei dergang, daz vernemet wol, weib und man. Nu freu sich weibes guete, daz under in funden sei ein starc gemuete. Gebezzert sein dabei die man, Gotes namen so heb wir an:
Trotz meiner Sünden möchte ich es wagen, dich, Herrgott, zu bitten, dass du um deines geliebten Sohnes willen meiner großen Schuld vergibst und mir deinen erbauenden Geist sendest, der erfüllt ist von unermesslicher Barmherzigkeit, sodass er mich lehrt und leitet, damit dir, Herr, Lob und Ehre zuteilwerden. Dein Macht, Herr, ist gewaltig und deine Güte ist riesengroß. Du offenbarst meine Rettung, da du der Weg aus den Flammen bist. An dieser Stelle vermag ich nichts Besseres zu tun, als dir Lob und Ehre auszusprechen. Du bist wahrhaftig vollkommen, da du auf wundersame Weise wirkst, in allem, was existiert. Auf außerordentlicher Art offenbarte sich der Glanz deiner Wundertaten an einem heiligen Mädchen, das Margarethe genannt wurde. Sie war Gott vollkommen ergeben, was sich an dem zeigte, das ich in dem Buch erfahren habe. Sie verfügte über die Willenskraft eines Mannes, was jedoch so manchem Mann missfiel. Wie sich das alles genau zutrug, das erfährt ihr nun, Frauen und Männer. Erfreuen soll sich die Weiblichkeit, dass sich unter ihnen ein so starkes Wesen fand! Geläutert werden sollen dabei die Männer! In Gottes Namen beginnen wir nun:
von geturren: wagen, sich trauen zu..., dürfen, wollen trotz meiner Sünden missetat: Missetat, Vergehen, Sünden, Unrecht, Bosheit von traut: lieb, geliebt Das Adjektiv <traut> findet sich heute noch in der gehobenen Sprache, wirkt allerdings veraltet. Es findet sich z.B. in der Wendung "Trautes Heim, Glück allein". volleist: Hilfe, Beistand, Vollendung, Erfüllung, Kraft, Fülle, Grund, Ursache manigvaltig: groß, gewaltig, reich, reichaltig, vielfältig, verschiedenartig gewalt: Macht, Kraft, Herrschaft; außerdem: Reich, Besitz, Vollmacht, Gewalt, Heeresmacht, Unrecht, Zwang Das Wort <Gewalt> hat einen Bedeutungswandel durchgemacht, die alte Bedeutung <Macht> ist z.B. in den Wörtern <Staatsgewalt> und <Gewaltentrennung> noch erhalten. von weisen: zeigen, offenbaren, lehren, erklären genist: Heil, Heilung, Erlösung, Rettung, Nahrung, Unterhalt. Verwandt mit <genesen>: am Leben bleiben, verschont bleiben, gesund werden, überstehen, gerettet werden. Heute verwenden wir das Wort <genesen> nur noch im Sinne von <gesund werden>. Das Wort hat also eine Bedeutungsveränderung durchgemacht, genauer gesagt eine Bedeutungsverengung (da es heute weniger Bedeutungen hat als früher). Aufgrund eines Schreibfehlers in der Handschrift lässt sich diese Textstelle nicht zweifelsfrei entschlüsseln (siehe Revisionsansicht), die Übersetzung ist also spekulativ. hic (lateinisches Adverb): hier hier: vollkommen, vollendet, zu bewundern, zu bestaunen denn, da, weil wunderlich, wunderleich: wunderbar, auf wunderbare/unbegreifliche/wundersame Weise Das Wort <wunderlich> hat eine Bedeutungsveränderung durchgemacht; heute bezeichnen wir jemanden oder etwas als <wunderlich>, wenn wir ihn oder es seltsam, eigenartig oder befremdlich finden. Glanz/Schein der Wunder(taten) hier: Jungfrau, Mädchen (auch: Hofdame, Kammerjungfrau, Dienerin) Heute verbindet wir mit dem Wort <Magd> eine Gehilfin im landwirtschaftlichen Bereich; das weibliche Gegenstück zum <Knecht>. Im Mittelalter und lange Zeit danach wurde der Begriff ganz allgemein für jüngere/unverheiratete Frauen und Mädchen verwendet. gemeint ist (die später heiliggesprochene) Margareta von Antiochien Wiki: Heiligenlegende von holt, hold: wohlgesonnen, gewogen, zugetan, ergeben, lieb, liebevoll, herzlich Das Wort <hold> kennen wir heutezumeist nur noch unter der Bedeutung anmutig/lieblich. Es gilt als veraltet, am ehesten findet man es noch in der scherzhaft gebrauchten Wendung "holde Maid". von dunken, dünken: erscheinen als, scheinen, vorkommen Das Verb <dünken> und seine Form <deucht> gibt es heute noch in selber Bedeutung, es gilt allerdings als veraltet. von ergen, ergan, dergan: geschehen, sich vollziehen/erfüllen, eintreten, stattfinden