Rezension von: W. A. Macdonald: Humanitism. The
scientific solution of the social problem. London 1890, in: Deutsche
Litteraturzeitung, Jahrgang 1890, Nr. 18, S. 682.
[Rezension:] W. A. Macdonald: Humanitism.
[...] The scientific solution of the
social problem. London, Trübner und Co., 1890. XXII u. 350 S. gr. 80. 7 sh. 6 d.
[...] The scientific solution of the
social problem. London, Trübner und Co., 1890. XXII u. 350 S. gr. 80. 7 sh. 6 d.
Das Buch zerfällt in zwei Teile; der erste beschäftigt sich
mit den „Mängeln der abstracten Methoden“, denen der
Verf. die Schuld
an dem Fehlgehen der bisherigen Entwicklung der Menschheit zuschreibt; der Zweite
Teil behandelt „das Heilmittel“, welches die fehlgegangene Entwicklung wieder auf
den richtigen Weg bringen soll. Im ersten Teil wird der Nachweis auf allen
speciellen Gebieten der geistigen und wirtschaftlichen Entwicklung geführt
(Philosophie, Religion, Politische Oekonomie, Bevölkerungstheorie, Rechtslehre,
Landwirtschaft, Statslehre und Wärungsewesen). Was Verf. der bisherigen
Culturentwicklung vorwirft, ist die Entfernung von der Natur; wir
bekleiden uns, wir
kochen unsere Speisen, wir sind
Fleischesser geworden, wir haben den Grund und Boden monopolisiert, sodass die Einen
viel Land besitzen, die Andern gar nichts u. s. w. Das „Heilmittel“ besteht in der
Rückkehr zum Natürlichen. Wir müssen Vegetarianer werden, das Landmonopol aufheben,
die alten Götter abschaffen und einen neuen anschaffen (Verf. nennt ihn Mellos und
dediciert ihm sein Buch) u. dergl. Verf. ist sehr belesen und in den manigfachsten
Wissenszweigen bewandert; auch besitzt er viel Geist, und der erste kritische Teil
seines Buches ist sehr anregend. Leider glaubt er Welt und Menschheit verbessern und
druch seine Heilmittel die sociale Frage auf „wissenschaftlichem“ Wege aus der Welt
schaffen zu können. Ref. glaubt, dass die deutsche Gelehrtenwelt darüber einig ist,
dass solche Weltverbesserungsvorschläge, die obendrein von der Voraussetzung
ausgehen, dass die ganze bisherige Culturentwicklung der Menschheit eine verfehlte
ist – nicht in die Wissenschaft gehören. Denn die Menschheit entwickelte sich doch
nach ehernen Naturgesetzen und nicht nach abstacten Theorien, wie Verf. annimt, und
so wird es auch bleiben für alle Zukunft. Solche Verbesserungsvorschläge aber wie
des Verfs. waren immer und werden immer eine geistige Reflextätigkeit sein, die der
wirklichen Entwicklung ihr phantastisches Gegenbild
entgegenhält. Das Studium der wirklichen Entwicklung und ihrer Gesetze ist Sache der
Wissenschaft: die phantastischen Gegenbilder (Utopien) sind begreiflich und
natürlich; haben aber für die Wissenschaft nur ein – psychologisches Interesse.