In case of further interest in archive documents please contact gerald.mozetic@uni-graz.at or reinhard.mueller@uni-graz.at
[home]
Rezension von: G. A. Grotefend: Lehrbuch des preussischen Verwaltungsrechts. 2. Theil. Berlin 1892, in: Deutsche Litteraturzeitung, Jahrgang 1892, Nr. 51, S. 1653-1654.
[Rezension:] G. A. Grotefend: Lehrbuch des preussischen Verwaltungsrechts.
[...] II. Th. Berlin, Habel, 1892. VII u. 880 S. 80.
Ludwig Gumplowicz
[...] II. Th. Berlin, Habel, 1892. VII u. 880 S. 80.
1653
Die Erwartungen, zu denen der I. Theil berechtigte (vergl. DLZ. 1891, Nr. 29), hat dieser II. Theil erfüllt. Derselbe enthält das materielle Verwaltungsrecht in einer übsersichtlichen systematischen Darstellung, die sich im Ganzen an die Systematik Mohls und Steins anlehnt. Es wird nämlich zuerst die physische Persönlichkeit (1. und 2. Kapitel), sodann die geistige (2. Kapitel), endlich die wirthschaftliche (4. und 5. Kap.), inwiefern sie Objekt der Verwaltung ist, behandelt, woran sich als letztes (6.) Kapitel die „Aufrechterhaltung der Sicherheit, Ordnung und Sittlichkeit im Staate“ anschliesst. Die Methode ist im Ganzen die historisch-politische, die sich bisher zum Zwecke der Darstellung eines gegebenen positiven Verwaltungsrechts noch immer als die praktischste erwiesen hat. Verf. giebt in den einleitenden Paragraphen jedes Kapitels oder jedes Abschnittes eine gedrängte Skizze der historischen Entwicklung des bezüglichen Rechtsinstitutes und sodann die geltenden Bestimmungen, welche dasselbe regeln, wobei sich seine Darstellung „eng an die Texte der Gesetze“ anschliesst. Von juristischen Konstruktionen und Herbeiziehung der verwaltungsrechtlichen Iudicatur wird Umgang genommen. Auch müssen, gewiss mit Rücksicht auf den Umfang des Werkes, so manche Gebiete der Verwaltung wegbleiben. So wird z. B. die Volksschulverwaltung behandelt, die Mittel- und Hochschulverwaltung aber über-
1654
gangen. Ebenso könnten noch viele andere Gebiete, z. B. das der Kultusverwaltung, erwähnt werden, welche Verf. gänzlich übergeht. Ref. wird aber nicht in den Fehler mancher Rezensenten verfallen, in einer Darstellung eines positiven Staats- oder Verwaltungsrechts, in erster Reihe Alles das aufzusuchen, was darin nicht enthalten ist, um aus diesen „Mängeln“ dem Verf. einen Vorwurf zu machen. Ein solches Verfahren ist schon aus dem Grunde ungerechtfertigt, weil es ein vollständiges Staats- oder Verwaltungsrecht überhaupt nicht geben kann. Denn auch das vollständigste muss schon in der Zeit zwischen dem Ausdrucken des ersten und letzten Bogens unvollständig werden, und auch wenn es einen Momentdruck gäbe, wie es eine Momentphotographie giebt, genügten die ersten zwei Monate nach dem Erscheinen, um es unvollständig zu machen. Kommt es dann aber bei einem Lehrbuch auf eine solche mechanische Vollständigkeit an? Genügt es doch für diesen Zweck vollkommen, wenn die Hauptgebiete staatlicher Verwaltung in der Weise dargestellt werden, dass daraus die Grundsätze der Verwaltung des gegebenen Staates, das Wesen und die Tendenz der öffentlich-rechtlichen Institutionen desselben, dem Leser oder Studirenden deutlich gemacht werden. Diesem Zwecke aber entspricht ein solches Lehrbuch, wie das vorliegende, vollkommen, wenn es auch manche Gebiete der Verwaltung ganz übergeht und ein Spezialist auf den einzelnen behandelten Gebieten auch manche Lücke oder Ungenauigkeit sollte nachweisen können. Das alles fällt nicht ins Gewicht; dagegen muss die Klarheit und Durchsichtigkeit der Darstellung lobend hervorgehoben werden.
Graz. Gumplowicz.