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Rezension von: Eugen Leidig: Preussisches Stadtrecht. Die Verfassung und Verwaltung der preussischen Städte systematisch dargestellt. Berlin u. a. 1891, in: Deutsche Litteraturzeitung, Jahrgang 1892, Nr. 7, S. 233-234.
[Rezension:] Eugen Leidig: Preußisches Stadtrecht. Die Verfassung und Verwaltung der preußischen Städte systematisch dargestellt.
[...] Berlin, Siemenroth u. Worms, 1891. XIV u. 552 S. 80. M. 7, geb. M.8.
Ludwig Gumplowicz
[...] Berlin, Siemenroth u. Worms, 1891. XIV u. 552 S. 80. M. 7, geb. M.8.
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Bei der wichtigen Rolle, welche heutzutage die
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Städte im statlichen Leben spielen, bei dem großen Umfange der ihnen zuerkannten Selbstverwaltung und bei der stets wachsenden Zahl der ihnen vom State zugewiesenen Agenden muss es nur Wunder nehmen, dass das Stadtrecht bisher meist nur nebenher im Statsrecht als Bestandteil dersselben zur Darstellung kam. Der Verf kommt daher mit obigem Buche, für Preußen wenigstens, ei[n]em wirklichen Bedürfnisse entgegen. Auf historischer Grundlage (Einleitung S. 1-26) und nach sehr knapper Darlegung der „allgemeinen Lehren“ (32-37) behandelt er die öffentlich-rechtliche Stellung der Stadt zuerst als Selbstverwaltungskörper (38-487) und sodann „als Glied höherer Selbstverwaltungskörper“ (487-497), woran sich noch kurze Bemerkungen über einige Beziehungen zum State schließen (498-499). Ein Anhang behandelt das städtische Gewerbegericht (503-522).
Den allergrösten Teil des Buches nimmt daher die Darstellung des städtischen Selbstverwaltungsrechts ein. Dieser Teil zerfällt wider in einen verfassungs- und einen verwaltungsrechtlichen. Der erstere enthält die „Grundlagen der Stadtverfassung“ (Gebit und Einwohner) und die „Organe“ derselben (Stadtverordneten, Stadtvorstand und Beamte); der zweite den gesammten Wirkungskreis obiger Organe und zwar sowol den selbständigen wie den übertragenen („statliche Verwaltungsgeschäfte“). Beim verfassungsrechtlichen Teil ist überall die historische Entwicklung der Gesetzgebung, zum mindestens seit dem 18. Jh. und der Städteordnung von 1808 berücksichtigt; sowol in diesem wie auch in dem verwaltungsrechtlichen Teil ist unter anerkennenswerter Vermeidung überflüssiger juristischer Constructionen das geltende Recht seinen wichtigsten Bestimmungen nach in einfach und klarer Weise dargestellt.
„Politische Erwägungen“ hat der Verf. „geflissentlich vermieden“: dass ihm dieses nicht überall möglich war, ist selbstverständlich, denn historisch-politische Darstellungen können beim Gewordenen schwer Halt machen, ohne zugleich das Werdende zu streifen. Eine solche „Erwägung“ des Verfs., welche seinen Standpunkt in der wichtigsten Frage des Stadtrechts kennzeichnet, und der man lebhaft beistimmen muss, möge hier schließlich Platz finden. „Das innige Zusammenleben und Miteinanderwirken der Gemeinden mit dem State ist tief im Wesen der Gemeinde begründet, und es war ein verhängnisvoller Irrtum einer früheren Theorie, ein Irrtum, der leider auch heute noch heir und da in der Politik nachwirkt, städtische Freiheit nur im Gegensatze zum State und unter möglichster Abwehr statlicher Einwirkung verwirklicht zu glauben“ (S. 416).
Graz. Gumplowicz.